Frage an Martin Rosemann von Lukas N. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Rosemann,
während der aktuellen Covid-19-Pandemie stehen gerade die armen Menschen in unserem Land aufgrund gestiegener Lebensmittelpreise, des Ausfalls von Mittagsverpflegung an Kitas und Schulen, des Mehrbedarfs für angemessene Schutzkleidung und der eingeschränkten Tätigkeit sozialer Einrichtungen wie Tafeln oder Mittagstischen vor besonderen finanziellen Herausforderungen.
1) Wie stehen Sie vor diesem Hintergrund zu der von mehreren Seiten erhobenen Forderung, die Hartz-IV-Regelsätze temporär um 100€ zu erhöhen?
2) Werden Sie sich ggf. im Rahmen Ihrer Ausschusstätigkeit für ein entsprechendes Gesetzesvorhaben einsetzen?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Ninow,
vielen Dank für Ihre Anfrage auf Abgeordnetenwatch. Gerne beantworte ich diese.
Ihre Frage bezieht sich auf eine pauschale Erhöhung des Regelsatzes um 100 Euro. Grundsätzlich befürworte ich stark eine Unterstützung von einkommensschwächeren Menschen in dieser Krisenzeit. Jedoch bin ich skeptisch, dass ein pauschale Erhöhung der Regelsätze dazu ausreicht und zielführend wäre.
Sie geben selber in Ihrer Frage die Schwierigkeiten an, denen sich einkommensschwächere Menschen in diesen Zeiten gegenübersehen. So nennen Sie beispielhaft den Ausfall von Mittagsverpflegung an Kitas und Schulen oder die eingeschränkte Tätigkeit von Tafeln.
Unser Ziel muss gesellschaftliche und soziale Teilhabe sein. Gerade auch jetzt in Corona Zeiten ist dies wichtig. Denn gerade jetzt sind – wie sie es richtig schreiben – insbesondere einkommensschwächere Menschen, aber auch bestimmte Personengruppe wie beispielweise Kinder, behinderte Menschen und ältere Menschen von den Corona-Maßnahmen und den damit einhergehenden Einschränkung der sozialen Infrastruktur wie geschlossenen Tafeln und die nur eingeschränkte Öffnung bzw. zeitweise Schließung sozialer Einrichtungen sowie die Schließung von Schulen und Kitas besonders betroffen.
Hier haben wir bereits mit dem zweiten Sozialschutzpaketes dafür gesorgt, dass Mittagessen nun ausgeliefert werden bzw. vor Ort an den Schulen abgeholt werden kann.
Jetzt kommt es darauf an, dass wir vor Ort entsprechende „alternative/kreative“ Konzepte fördern, die einerseits den Corona Vorschriften gerecht werden, den betroffenen Menschen aber dennoch wieder soziale und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. Daher müssen wir jetzt dafür sorgen, dass unsere Kommunen vor Ort handlungsfähig sind. Mit dem am 3. Juni 2020 im Koalitionsausschuss beschlossenen Konjunkturprogramm wollen wir das erreichen. Zur Stärkung der Kommunen
wird der Bund daher dauerhaft weitere 25% und insgesamt bis zu 75% der Kosten der
Unterkunft im bestehenden System übernehmen und zudem sollen die aktuellen krisenbedingten Ausfälle der Gewerbesteuereinnahmen kompensiert werden.
Aber auch eine direkte finanzielle Unterstützung für Familien, die besonders von den Einschränkungen betroffen sind, soll es geben. Mit einem einmaligen Kinderbonus von 300 Euro pro Kind werden wir diese unterstützen. Dieser Bonus wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Zudem begrüße ich es sehr, dass auf Initiative unseres Arbeitsministers Hubertus Heil nun sichergestellt wird, dass Eltern bei fehlender Kinderbetreuung weiterhin (bis max. 20 Wochen, jeweils 10 Wochen pro Elternteil) einen Anspruch auf Lohnersatzleistungen haben können.
Aber wir werden Familien auch über diese finanzielle Unterstützung hinaus weiter unterstützen, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, indem wir den Kapazitätsausbau in Kindergärten, Kitas und Krippen fördern und den Ausbau von Ganztagesbetreuung beschleunigen.
Auch möchte ich exemplarisch auf die bisher getroffenen Maßnahmen zur Abfederung der Auswirkungen der Corona Pandemie hinweisen, die sich insbesondere an einkommensschwächere Menschen richtet. So haben wir den Zugang zu SGB II Leistungen mit einer stark vereinfachten Vermögensanrechnung sowie die Weiterbewilligung von SGB II-Leistungen erleichtert. Der vereinfachte Zugang in die Grundsicherung wird nun – ebenfalls im Rahmen des Konjunkturprogramms – bis zum Ende des Jahres verlängert.
Weitere Maßnahmen, die die Auswirkungen der Corona Pandemie abfedern sind: ein verbessertes Krisenkurzarbeitergeld, der erleichterte Zugang zum Kinderzuschlag oder der verlängerter Bezug von Arbeitslosengeld in der Krise.
Mit den bereits umgesetzten Maßnahmen und Leistungsanpassungen sowie dem neuen Konjunkturprogramm sichern wir den sozialen Zusammenhalt in unserem Land und bauen zugleich eine stabile Brücke in die Zeit nach der Krise. Diese Krise hat uns auch noch mal gezeigt: Wir haben eine leistungsfähigen und funktionsfähigen Staat, so dass es und uns hoffentlich gelingt, die negativen Auswirkungen für alle gering zu halten.
Abschließend möchte ich noch etwas Grundsätzliches sagen, das für mich unabhängig von der derzeitigen Situation gilt: Wir müssen an der Weiterentwicklung unseres Sozialstaats arbeiten. Wir müssen es schaffen, dass der Sozialstaat Partner der Bürgerinnen und Bürger wird. Im Mittelpunkt dieses Sozialstaats der Zukunft steht für mich jeder Bürger und jede Bürgerin. Jeder hat gegenüber dem Sozialstaat Anspruch auf einen würde- und respektvollen Umgang, auf eine Partnerschaft auf Augenhöhe und auf einfache und verständliche Verfahren. Gerade dem SGB II kommt hier eine wichtige Rolle zu. Denn genau in diesem Sinne müssen wir das SGB II weiterentwickeln. Jeder und jede soll die Unterstützung und Hilfe bekommen, die er oder sie wirklich braucht. Dazu gehört für uns auch, dass niemand Angst haben muss/soll auf SGB II-Leitungen angewiesen zu sein. Daher wollen wir für diejenigen, die aus dem Bezug von Arbeitslosengeld I kommen, für zwei Jahre Vermögen und die Wohnungsgröße nicht überprüfen. Wir wollen auch den Schutz von selbst genutztem Wohneigentum ausweiten und eine entsprechende Regelung für Mieter schaffen. Dafür werden wir uns als SPD einsetzen. Den entsprechenden Parteitagsbeschluss finden Sie unter:
https://indieneuezeit.spd.de/fileadmin/pv/Dokumente/BPT2019/Beschluesse/B3__Arbeit_Solidaritaet_Menschlichkeit_Ein_neuer_Sozialstaat_fuer_eine_neue_Zeit.pdf
Viele Grüße
Martin Rosemann