Frage an Martin Rosemann von Frank B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Rosemann,
bezüglich der im Koaltionsvertrag beschlossenen Rentenregelung bitte ich Sie, dass nachfolgende Rechenbeispiel zu bestätigen bzw. nicht zu bestätigen:
Eine Renogehilfin arbeitet in einem Notarbüro und steht kurz vor der Rente. Sie hat in ihrem Berufsleben ein branchenüblich geringes Gehalt bezogen und etliche Jahre nicht gearbeitet wegen Kindern, Pflege und Haushalt. Sie erwartet eine Rente von 600 €, hat also Anspruch auf Grundsicherung von ca. 200 €. Sie hat drei Kinder vor 1992 großgezogen und freut sich jetzt wegen der Mütterrente I und II auf ein Rentenplus von 186 € (3 Kinder x 2 Entgeltpunkte x 31,03 € – Anspruch auf einen Entgeltpunkt pro Kind hatte sie schon vor den Mütterrenten I und II).
Bei der Rentenberatung wird ihr die Freude genommen: Sie bekommt von den 186 € keinen Cent, weil die voll mit dem Grundsicherungsbetrag verrechnet werden.
Vollends aus dem Häuschen gerät die Frau dann aber, als sie erfährt, dass die Frau ihres Chefs, die auch drei Kinder vor 1992 großgezogen hat, sogar einen Anspruch auf 280 € hat, obwohl sie in ihrem Leben keinen einzigen Cent in die Rentenversicherung eingezahlt hatte. Die Frau ihres Chefs erhält natürlich keine Grundsicherung, weil das Haushaltseinkommen üppig ist. Es kann also nichts verrechnet werden und sie erhält auch tatsächlich die 280 € ausbezahlt.
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne antworte ich Ihnen.
Sie wenden sich mit Ihrer Anfrage gegen die Anrechnung von Rentenerhöhungen, die auf eine bessere Bewertung der Kindererziehungszeiten zurückzuführen sind, auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Das System der sozialen Grundsicherung ist für die Menschen gemacht, die sich nicht aus eigenen wirtschaftlichen Mitteln helfen können und dazu aufgrund ihres Alters oder einer Behinderung auch nicht mehr in der Lage dazu sind. Hier entscheidet allein die Bedürftigkeit über eine Leistung, die aus Steuermitteln finanziert wird. Es ist eine reine Sozialleistung deren einzige Voraussetzung die Bedürftigkeit ist. Daher gibt es hier Einkommensgrenzen und Anrechnungsvorschriften. Und so wird grundsätzlich eigenes Einkommen – und dazu gehört auch die Rente – immer berücksichtigt.
Dabei wird auch nicht unterschieden, ob der oder die Betroffene früher Kinder erzogen hat. Die rentenrechtliche Bewertung einer Kindererziehungszeit, wie sie jetzt wieder für Mütter verbessert werden soll, die vor 1992 drei Kinder geboren haben, erhöht insofern „nur“ das eigene Einkommen. Dies führt ggf. aus der Bedürftigkeit heraus oder verringert den Anspruch auf staatliche Unterstützung. Jedoch kann nicht ein Teil der Rente - in dem Fall die Mütterrente – unberücksichtigt bleiben. Denn die Mütterente ist auch keine eigene Rentenart, die gesondert betrachtet und berechnet wird, sondern sie ist ein Teil der gesamten Rente.
Ich kann gut verstehen, dass die von Ihnen geschilderte Situation gerade bei Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, kritisch gesehen wird. Es liegt jedoch im Grundverständnis von Sozialleistungen, dass ein Unterschied zwischen einzelnen Einkommensarten bei der Feststellung der Bedürftigkeit nur in sehr großen Ausnahmefällen vorgesehen ist. Anrechnungsfrei bleibt z.B. Schmerzensgeld. Und auch zusätzliche Alterseinkünfte aus einer betrieblichen oder privaten Altersvorsorge sind seit der letzten Reform der betrieblichen Altersvorsorge nicht mehr voll anzurechnen.
Dennoch ist es wichtig, dass wir uns in der SPD mit den Themen zielgenauer Bekämpfung von Altersarmut und Anerkennung von Lebensleistung auseinandersetzen. Da setzt meiner Einschätzung nach auch Ihre Kritik an. Zur Anerkennung der Lebensleitung und zur Bekämpfung von Altersarmut hat die SPD daher schon in ihrem Wahlprogramm die Solidarrente gefordert. Im Koalitionsvertrag konnten wir uns dazu mit CDU und CSU dann auf die Grundrente einigen. Damit können wir umsetzen, dass die Lebensleistung von Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet, Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben, honoriert wird und ihnen ein regelmäßiges Alterseinkommen zugesichert wird, das zehn Prozent oberhalb des Grundsicherungsbedarfs liegt. Auch die Rechtsanwalts- und Notargehilfin in Ihrem Beispiel könnte von dieser Grundrente profitieren.
Viele Grüße
Martin Rosemann