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Martin Rosemann
SPD
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Frage von Heinz S. •

Frage an Martin Rosemann von Heinz S. bezüglich Wirtschaft

Wenn CETA kommt, werden unsere Parlamente an Macht verlieren, Konzerne bekommen Vorfahrt und können weite Teile unserer Daseinsvorsorge (zu unseren Ungunsten) beeinflussen.
Teillen Sie diese Auffassung?
Wollen Sie CETA (TTIP, JEFTA usw.) verhindern und was will Ihre Partei tun?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Sonnberger,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema CETA. Nein, ich teile Ihre Auffassung nicht und die SPD wird auch nach jetzigem Stand nicht versuchen CETA zu verhindern. Denn auf sozialdemokratischen Druck hin gibt es viele entscheidende Punkte in CETA, die Ausdruck einer fortschrittlichen europäischen Handelspolitik sind. Sie bieten wichtige Grundlagen, um Globalisierung in geordnete Bahnen zu lenken. Andere Parteien und Fraktionen haben sich ohne tiefgreifende Analyse frühzeitig aus ideologischen Gründen auf ein "Ja" oder "Nein" zum Vertrag festgelegt. Die SPD mit dem damaligen Wirtschaftsminister Gabriel zusammen mit der S&D-Fraktion im Europäischen Parlament haben sich hingegen auf vielen Ebenen mit den Details des Abkommens auseinandergesetzt und in ihrer ganzen Breite debattiert, auf Reformen gedrängt und diese auch durchgesetzt:

- Es hat eine Vielzahl von Klarstellungen und Verabredungen für das weitere Vorgehen gegeben, die volle Rechtskraft und verbindlichen Charakter haben.

- Statt intransparenter privater Schiedsstellen (ISDS) sollen unabhängige, unparteiische öffentlich-rechtliche Gerichtshöfe mit Revisionsinstanz über Investitionsstreitigkeiten entscheiden. Bei der Auswahl der Schiedsrichter, die absolut unabhängig und unparteilich sein sowie höchste Kompetenz haben müssen, haben wir ein Mitspracherecht für das Europaparlament durchgesetzt.

- Das gemeinsame Ziel dieser Anstrengungen ist die Einrichtung eines internationalen Investitionsgerichtshofes, um so neue Maßstäbe für faire globale Handelsbeziehungen zu setzen.

- Ausländische Investoren werden gegenüber einheimischen Investoren nicht begünstigt. - Gewinneinbrüche oder nicht erfüllte Erwartungen eines Investors, auch wenn sie durch die Politik verursacht worden (z.B. durch Änderung von Gesetzen/Regelungen) sind kein Klagegrund.

- Arbeitnehmerrechte sind ein wichtiger Teil des Abkommens: Kanada hat als Vertragspartner der EU mittlerweile sieben der grundlegenden Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ratifiziert (ILO) und sich bindend verpflichtet, die einzige verbleibende Konvention bis spätestens Mitte 2017 zu ratifizieren. Im weiteren Ratifizierungs- und Revisionsprozess haben wir den Prozess eingeleitet, um die Durchsetzung der Nachhaltigkeitsbestimmungen weiter zu stärken.

- Das Arbeitsrecht darf nicht gelockert werden, um Handel Impulse zu verleihen oder Investitionen anzuziehen. Regierungen können im Falle eines Verstoßes gegen diese Verpflichtung Gegenmaßnahmen ergreifen, ungeachtet der Frage, ob dadurch die Erwartungen oder die Gewinne der Investoren negativ beeinflusst werden.

- Vom Vorsorgeprinzip der Europäischen Union darf im Rahmen des CETA-Abkommens in keiner Weise abgewichen werden. Dies ist erstmalig im Rahmen eines Handelsabkommens ausdrücklich bekräftigt worden. Durch CETA werden weder mit künstlichen Hormonen erzeugtes Rindfleisch, noch gentechnisch veränderte Produkte Einzug in die EU erhalten.

- CETA muss sich an den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens und der globalen Nachhaltigkeitsziele orientieren. Der Vertrag enthält unter anderem Verpflichtungen in Bezug auf ein nachhaltiges Fischerei- und Aquakulturmanagement, ebenso wie Verpflichtungen zur Zusammenarbeit bei handelsbezogenen Umweltfragen.

- Die EU-Mitgliedstaaten haben zum Schutz der Daseinsvorsorge völlige Freiheit zu definieren, welche Dienste als öffentliche Dienstleistung gelten.

- Das System der Investitionsgerichtsbarkeit gilt nicht für Bestimmungen über den Marktzugang von Dienstleistungen.

- Die Rekommunalisierung von Diensten wird in keiner Weise eingeschränkt.

- Die Daseinsvorsorge steht unter Schutz.

- Die demokratische Kontrolle der Entscheidungen des gemischten CETA-Ausschusses ist gewährleistet.

Das CETA-Abkommen ist sicherlich nicht perfekt. Aber das Erreichte ist ein modernes Handelsabkommen, das eine sozialdemokratische Handschrift trägt und unter den gegenwärtigen Bedingungen ein Maximum des heute erreichbaren darstellt. Sicher ist, dass man dahinter nicht zurückfallen kann. Wir werden weiter daran arbeiten, Leitplanken für faire Handelsbeziehungen und zur gerechten Gestaltung der Globalisierung in bilateralen oder multilateralen Abkommen zu setzen. Wichtige Bausteine dafür sind die Weiterentwicklung der Durchsetzungsfähigkeit von Arbeitnehmerrechten und die Integration der globalen Nachhaltigkeitsziele, die Bekämpfung von Korruption und Steuervermeidung. Dazu gehört aber auch die Revision und deutliche Verbesserung der zahlreichen bestehenden Handelsabkommen.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Rosemann

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