Frage an Martin Rosemann von Max-Christian K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Rosemann,
Ich möchte Ihnen die selbe Frage stellen wie Frau Wiedmann-Mauz. Ich würde gerne von Ihnen wissen wie Sie zur geplanten Vorratsdatenspeicherung stehen. Falls Sie deren Einführung befürworten, würde ich gerne wissen mit welcher Begründung. Das Bundesverfassungsgericht hat im März 2010 die damalige Form, nach Beschwerden von fast 35000 Bürgern, abgelehnt. Dies tue ich auch, da ich die anlasslose Speicherung der Daten aller Bürger mit einem Generalverdacht gegenüber jedem gleichsetze.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Korn,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich der Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, die ich gerne beantworte.
Mit dem benannten Gesetz sollen Telekommunikationsanbieter verpflichtet werden, wenige und klar definierte Verkehrsdaten zu speichern und gegebenenfalls den Strafverfolgungsbehörden zugänglich zu machen.
Mir ist bewusst, dass ein solches Gesetz einen Balanceakt zwischen zwei hohen Gütern darstellt. Auf der einen Seite steht die für die Sozialdemokratie so wichtige Freiheit des Einzelnen vor einem Zuviel an staatlicher Überwachung; auf der anderen Seite besteht das Bedürfnis, schwere Straftaten, die mit Unterstützung moderner Kommunikationsmittel begangen werden, aufzuklären oder bestenfalls zu verhindern.
Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist klar: So wichtig ausreichende Kompetenzen der Ermittlungsbehörden bei der Verfolgung schwerer Straftaten sind, keinesfalls darf im Namen der Sicherheit die Freiheit der Kommunikation geopfert werden. Der von Justizminister Heiko Maas im April vorgelegte und vor der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf setzt der bisweilen notwendigen Sammlung und Verwertung von Kommunikationsdaten aus diesem Grund sehr enge Grenzen:
- Gespeichert werden ausschließlich klar definierte Verkehrsdaten wie Rufnummern, Beginn und Ende des Telefonats, im Fall von Internet-Telefondiensten auch die IP-Adressen. Auf die Inhalte der Kommunikation kann nicht zugegriffen werden!
- Die Speicherung der Verkehrsdaten wird auf 10 Wochen befristet, nach dieser Frist müssen die Daten gelöscht werden. Verstöße gegen die Löschpflicht oder eine Weitergabe der gesammelten Daten führen zu empfindlichen Strafen für die Dienstanabieter. Speichert ein TK-Anbieter die Daten über den verpflichtend vorgegebenen Zeitraum hinaus auf Grund einer anderen Rechtsgrundlage, zum Beispiel zu Zwecken der Vertragserfüllung, so ist der Abruf nach diesem Gesetz dennoch nach Ablauf der Höchstspeicherfrist untersagt. Dies stellt im Vergleich zur aktuellen Rechtslage eine deutliche Verbesserung des Datenschutzes dar.
- Für die Bezeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen An-schluss bei Beginn der Verbindung genutzt werden, gilt eine deutlich kürzere Speicherfrist von vier Wochen. Notwendigkeit und Angemessenheit des Abrufs von Funkzellendaten müssen im richterlichen Anordnungsbeschluss einzelfallbezogen begründet werden.
- Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwertungsverbot.
- Alle Zugriffe der Ermittlungsbehörden auf die Verkehrsdaten unterliegen einem strengen Richtervorbehalt. Nur auf richterlichen Beschluss hin dürfen Ermittlungsbehörden die Daten abrufen und es gibt keine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder der Polizei.
- Im Vergleich zu der vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung ist der von Minister Maas vorgelegte Straftatenkatalog deutlich reduziert worden. Der Abruf von Daten wird nur für schwerste Straftaten möglich sein.
- Grundsätzlich müssen die Betroffenen über jeden Abruf informiert werden.
- Die Anbieter werden verpflichtet, die gewonnen Daten zu schützen und ausschließlich auf Servern in Deutschland zu speichern.
- Für die unbefugte Weitergabe der Daten an Dritte durch den Diensteanbieter wird der neue Tatbestand der Datenhehlerei geschaffen.
Mit diesen Regelungen ist der Gesetzentwurf deutlich restriktiver als das vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, viel restriktiver als die aufgehobene europäische Richtlinie und auch viel restriktiver als die Unionsparteien es sich wünschen. Den in der Urteilsbegründung des Verfassungsgerichtes von 2010 vorgebrachten Argumenten gegen die damalige Form der Vorratsdatenspeicherung wurde im aktuellen Entwurf voll Rechnung getragen, zum Beispiel durch den klar formulierten Richtervorbehalt, einen engen Katalog an Straftaten, die eine Verwendung der gespeicherten Daten erlauben und die Pflicht der Ermittlungsbehörden, die Betroffenen über einen Abruf ihrer Daten zu informieren. Tatsächlich hätte Deutschland damit die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsdaten in ganz Europa.
Darum sind die Leitlinien in meinen Augen eine gute Grundlage für die weitere Debatte und das laufende parlamentarische Verfahren. Auch ich selbst habe aber noch eine Reihe von Fragen, auf die ich noch eine Antwort suche. Dazu stehe ich in engem Kontakt mit den Fachpolitikerinnen und -politkern meiner Fraktion. Die SPD-Bundestagsfraktion wird dafür Sorge tragen, dass sich die obigen Grundsätze ohne Ausnahmen und Abstriche auch in den gesetzlichen Detailregelungen wiederfinden. Wir sind uns sicher, dass am Ende ein ausgewogener Kompromiss stehen wird, der Bedürfnisse nach Freiheit und Sicherheit jeweils angemessen berücksichtigt.
Für weitere Fragen zu diesem Thema stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Martin Rosemann