Frage an Martin Rosemann von Niels O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Rosemann,
in den letzten Jahren habe ich mich immer wieder mit Menschen unterhalten, die Arbeitslosengeld II, also Hartz4 bezogen haben. Die Erzählungen haben mich oft schockiert und ich fand den Umgang mit den Leuten unmenschlich. Ein Sachverhalt beschäftigt mich aber besonders:
Wie ich erfahren habe, dürfen Hartz4-Empfänger ihren Landkreis nur nach vorheriger Genehmigung, einzuholen mindestens eine Woche vorher, aber nicht früher als drei Wochen vorher verlassen.
Mit einigem Schrecken stellte ich fest, dass sich unser Staat in Artikel 11, Absatz 2 des Grundgesetzes dieses Recht wohl tatsächlich einräumt. Welchen Grund es dafür geben soll, ist mir allerdings nicht ersichtlich.
Meine Frage an Sie: Wie ist Ihre Haltung als Politiker zur Reisefreiheit von Hartz4-Empfängern? Käme es zu einer Abstimmung über diese Regelung, würden Sie für die Abschaffung der genannten Einschränkungen stimmen oder nicht?
Diese Frage werde ich auch den anderen Kandidaten meines Landkreises über dieses Portal stellen.
Mit den besten Grüßen
Niels Ott
Sehr geehrter Herr Ott,
mit Ihrer Anfrage sprechen Sie ein sehr wichtiges Thema an. Es geht dabei um die Frage, wie der Grundgedanke des Förderns und Forderns in der Praxis der Arbeitsmarktpolitik umgesetzt wird und wie dabei, menschliche Vernunft zum Tragen kommt.
Ich stehe als Sozialdemokrat hinter dem Grundgedanken der Arbeitsmarktreformen, der auf der Idee beruht, dass unser Sozialstaat fördern und fordern soll. Dies ist auch Hintergedanke bei der Überprüfung der Anwesenheit von Arbeitssuchenden: Diese sollen dem regionalen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, damit sie auch gefördert werden können, beispielsweise um Stellenangebote, Weiterbildungen und weitere Fortbildungsmaßnahmen zeitnah wahrzunehmen. Deshalb ist es auch folgerichtig, dass längere Abwesenheitszeiten vom Wohnort begründet sein müssen. Mir ist bewusst, dass dies mit teilweisen Einschränkungen im Leben einzelner Bürgerinnen und Bürger sein kann.
Auch ich habe von Einzelfällen gehört, in denen die gesetzlichen Vorgaben missbraucht wurden und es zu einer Einschränkung der persönlichen Freiheit gekommen ist, die so nicht zu rechtfertigen und auch nicht mit dem Grundgedanken des Gesetzes vereinbar ist. Diese sind nicht hinnehmbar und als Ihr Abgeordneter im Deutschen Bundestag auf solche Fälle aufmerksam zu machen und mich dafür einsetzen, dass sie Einzelfälle bleiben und dass sie sich nicht wiederholen.
Abschließend möchte ich Ihnen sagen, dass sich die SPD der Fehlentwicklungen bei den Hartz-Gesetze gerade im Bereich des ALG II bewusst ist. Das Gleichgewicht zwischen Menschlichkeit und Fordern durch die Jobcenter zu wahren, ist eine Herausforderung, der wir uns immer wieder aufs Neue stellen müssen. Wir müssen viele aus dem Lot geratene Entwicklungen korrigieren und auch Politik aus der Zeit von Rot-Grün nachjustieren. Dazu gehört insbesondere, dass die im Gesetz angelegte Vorstellung der individuellen Förderung vielfach noch nicht umgesetzt ist. Gerade diesem Thema will ich mich im Bundestag widmen. Denn es ist klar, dass man nicht fordern kann, wenn man nicht gleichzeitig ausreichend fördert.
Ich hoffe ich konnte Ihre Frage zu Ihrer Zufriedenheit beantworten. Sollte dem nicht Fall sein, so stehe ich Ihnen natürlich gerne für weitere Fragen zur Verfügung.
Mit besten Grüßen,
Dr. Martin Rosemann