Frage an Martin Gerster von Lukas E. bezüglich Soziale Sicherung
Geehrter Herr Gerster,
soeben habe ich durch einen Freund die Information bekommen, dass die Bundesregierung ein Verbot von Computerspielen plant und dass dies schon im Sommer 2008 durchgeführt werden soll. Vielleicht haben Sie sich schon mit dem Thema befasst und wissen wie sehr der Konflikt zwischen Politikern und Spielern ist. Ebenfalls schaltet sich auch die Game-Industrie selber ein und unterstützt die Ablehner des Plans. Meine Frage: Inwieweit haben Sie sich mit diesem Thema befasst? Wie wichtig ist Ihnen dieses Thema und vorallem wie wird es mit Ihrer Zustimmung aussehen und warum?
Da ich der Meinung bin, dass dieses Gesetz ebenfalls nicht in der Form gerechtfertigt ist und selber öfter spiele und auch fast mein kompletter Freundeskreis spielt, denke ich dies recht gut vertreten zu können. Denn Gewalt entsteht nun mal nicht durch Spiele. Wie jedes audio-visuelle Produkt kann es beeinflussen. Das heißt für mich, dass gerade Filme gleichwertig. Ich bin definitiv ein Befürworter der USK und FSK. Der Zweck steht außer Frage. Jedoch kann ich nicht glauben, dass die Regierung wirklich der Meinung ist duch ein Verbot bestimmter Spiele die Gewalttätigkeit der Jugend senken zu können. Wer sich wirklich mal mit dem Thema beschäftigt und ich meine nicht nur darüber zu lesen, der, davon bin ich überzeugt, wird ein anderes Bild davon haben. Ich bin jetzt 20 Jahre alt und bin eigentlich garnicht die Zielgruppe des Vorhabens, aber ich schreibe hier weil ich denke, dass viele Jüngere vielleicht einfach nicht die Worte finden dies an die Politik zu tragen
Ich hoffe einerseits sehr, dass Sie Verständis zeigen und vorallem, dass Sie sich dagegen entscheiden ein solches Gesetz zu befürworten.
Mit freundlichen Grüßen
Lukas Eger
Sehr geehrter Herr Eger,
ich bedanke mich für Ihre Frage und beantworte sie gerne. Besonders freut es mich, dass gerade Sie als junger Mensch sich mit Ihren Fragen direkt an mich als Abgeordneten wenden, um sich für Ihre Interessen einzusetzen.
I. Zunächst zu Ihrer Frage, inwieweit ich mich mit dem Thema befasst habe: Wie Sie wissen, beschäftigt die Debatte um möglicherweise gewaltfördernde Wirkungen von Computerspielen die Politik unter dem Schlagwort "Killerspiele" bereits eine ganze Weile. Zuletzt flammte die Debatte im Zuge mehrerer geplanter oder erfolgter Amokläufe von Jugendlichen auf.
Aus wissenschaftlicher Sicht fallen die Ergebnisse zu den Auswirkungen gewalttätiger Spiele ambivalent aus. So unterstreicht der vom Bundesfamilienministerium herausgegebene Forschungsbericht “Medien und Gewalt“ (2005): „Jede einfache Antwort auf die komplexe Entstehung von Gewalt und die Rolle der Medien dabei muss vor dem Hintergrund wissenschaftlicher Befunde jedoch als unseriös betrachtet werden. Gewalt in den Medien darf in seinem Gefährdungspotenzial nicht verharmlost werden, es ist aber auch nicht angebracht, Mediengewalt zum Sündenbock für Gewalt in der Gesellschaft zu stempeln.“
Insofern mag der verstärkte Konsum gewaltverherrlichender Medien - übrigens nicht nur von Computerspielen - tatsächlich in Zusammenhang mit tragischen Ereignissen wie Amokläufen etc. stehen. Allerdings sehe ich hierin eher ein Symptom für die schwierige seelische Situation der Betroffenen, weniger eine Ursache dafür. An einer öffentlichen "Kriminalisierung" von Computerspielerinnen und Computerspielern kann meiner Ansicht nach niemandem gelegen sein kann. Im Übrigen halte ich den Kampfbegriff „Killerspiel“ nicht für angemessen, wenn es um eine sachliche und inhaltlich präzise Diskussion gehen soll.
II. Zu dem von Ihnen erwähnten Gesetzesvorhaben: In der Sache geht es um einen im Dezember vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf des Bundesfamilienministeriums und des für dieses Thema zuständigen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen.
Das Gesetz sieht folgende Maßnahmen vor : (Quelle: http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Internetredaktion/Pdf-Anlagen/aenderungen-juschg,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf )
1. der Katalog der schwer jugendgefährdenden Trägermedien, die kraft Gesetzes indiziert sind, wird im Hinblick auf Gewaltdarstellungen erweitert. Dies betrifft Trägermedien, die "besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten, die das Geschehen beherrschen".
2. die im Gesetz genannten Indizierungskriterien in Bezug auf mediale Gewaltdarstellungen werden erweitert und präzisiert: es wird durch den Gesetzgeber klargestellt, dass "Medien, in denen Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden oder Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahe gelegt wird" jugendgefährdend sind und von der Bundesprüfstelle in die Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen werden sollen.
3. die Mindestgröße und Sichtbarkeit der Alterskennzeichen der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) und der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) werden gesetzlich festgeschrieben: "Das Zeichen ist auf der Frontseite der Hülle links unten auf einer Fläche von mindestens 1200 Quadratmillimetern und dem Bildträger auf einer Fläche von mindestens 250 Quadratmillimetern anzubringen."
Insofern ist keinesfalls ein generelles "Verbot" von Computerspielen geplant, sondern eine bessere Kennzeichnungspflicht und eine Erweiterung der Indizierungskriterien. In der öffentlichen Diskussion wird übrigens gerne vergessen, dass eine Indizierung kein Verbot darstellt: So dürfen indizierte Medien weiterhin an Volljährige verkauft, aber nicht öffentlich zur Schau gestellt oder beworben werden. Weder ihr Besitz noch ihr Erwerb ist strafbar.
III. Mein Fazit: Grundsätzlich teile ich das Anliegen des Gesetzentwurfes, zumal ich ein konsequenter Verfechter des Jugendschutzes bin. Diesen gilt es allerdings im Umgang mit allen Formen von Medienanboten zu wahren. Das betrifft Gewaltdarstellungen in Printprodukten, Film und Fernsehen - ganz besonders aber interaktive Medien wie Computerspiele.
Es geht dabei nicht darum, erwachsene Bürger zu bevormunden, sondern Heranwachsende vor möglicherweise schädlichen Einflüssen zu schützen. Hier überwiegt für mich der Präventionsgedanke grundsätzlich gegenüber den Interessen von Spielefans, „E-Sportlern“ und Softwareherstellern. Dasselbe trifft in meinen Augen auch auf „Gewaltfilme“ und bestimmte Musikangebote zu, z.B. aus dem Bereich des „Rechtsrock“. In diesen Fällen muss auch die Freiheit der Kunst hinter dem Jugendschutz zurücktreten.
Für mich folgt daraus die Notwendigkeit, den Rahmen der bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zunächst auszuschöpfen und die Altersfreigabe durch die Hersteller einer strikteren Überprüfung zu unterwerfen. Eine Abkehr vom Prinzip der Freiwilligkeit halte ich grundsätzlich für erstrebenswert.
Ein grundlegendes Verbot entsprechender Software wäre zwar rechtlich möglich, ich halte es jedoch für unangemessen und – aus den dargelegten Gründen – nur für bedingt zielführend. Im Umgang mit medialen Gewaltdarstellungen ist es mir ein Anliegen, die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren und Hersteller wie Konsumenten für einen (selbst)kritischen Umgang mit den entsprechenden Angeboten zu gewinnen.
Deshalb werde ich mit Interesse verfolgen, wie sich die parlamentarische Diskussion um den entsprechenden Gesetzentwurf entwickelt. Meine Zustimmung werde ich davon abhängig machen, ob meine Zweifel an der inhaltlichen Schlüssigkeit der im Gesetzentwurf formulierten erweiterten Indizierungskritieren ausgeräumt werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Gerster