Portrait von Martin Dörmann
Martin Dörmann
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Martin Dörmann zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Guido F. •

Frage an Martin Dörmann von Guido F.

Sehr geehrter Herr Dörmann,

ich danke Ihnen für Ihre ausführliche Stellungnahme zu meiner Anfrage vom 28. Februar, die aber leider meine Fragen nicht beantwortet. Die von Ihnen aufgeführten Fakten waren mir auch bereits bekannt und sie ändern darüber hinaus nichts an der Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht es als notwendig erachtet, dass "jede Veränderung in der Höhe der Entschädigung im Plenum zu diskutieren und vor den Augen der Öffentlichkeit darüber als einer selbständigen politischen Frage zu entscheiden" ist.

Wie soll diesem Grundsatz genügt werden, wenn das Parlament nur noch einmal zu Beginn einer Legislaturperiode darüber abstimmt, ob die Diäten in jedem der folgenden vier Jahre automatisch auf Basis des Nominallohnindexes des Statistischen Bundesamtes angepasst werden sollen, und warum sollte eine solche Bindung der Diäten an einen Referenzwert, die dem "Diäten-Urteil" des Bundesverfassungsgerichts zufolge der Intention nach dazu bestimmt ist, eine notwendige, öffentlich nachvollziehbare Diskussion über jede Veränderung in der Höhe der Entschädigung zu umgehen, nun plötzlich nicht mehr verfassungswidrig sein?

Dass Bundestagsabgeordnete noch immer eine geringere Entschädigung erhalten als Bundesrichter, ändert zudem nichts daran, dass ein ALG II-Satz keine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht, er deckt ja schließlich nicht einmal das volle Existenzminimum ab. Außerdem sind Millionen Bundesbürger in Arbeitsverhältnissen tätig, die ihnen selbst nach 40 Beitragsjahren keine ausreichende Altersversorgung sichern wird, sodass Altersarmut für Millionen Erwerbstätige in Deutschland programmiert ist.

Da Sie also so dringenden Handlungsbedarf sahen, um die Abgeordnetendiäten an R6 anzupassen, was werden Sie und Ihre Partei dann nun dafür tun, dass in Deutschland zukünftig niemand mehr in (relativer) Armut leben muss, was auch immer ihn in diese Situation gebracht hat?

Freundliche Grüße
Guido Friedewald

Portrait von Martin Dörmann
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Friedewald,

in Ihrem Schreiben vom 04. März 2014 formulieren Sie Rückfragen auf mein Antwortschreiben vom 03. März 2014. Dabei beinhalten Ihre Ausführungen unterschiedliche Aspekte wie die Abgeordnetenalimentierung, wachsende Altersarmut und gesellschaftliche Teilhabe mit Arbeitslosengeld II.

1.
Zur Frage der Änderungen der Abgeordnetenbezüge hatte ich Ihnen bereits ausführlich geantwortet. Ich glaube sehr wohl, dass ein konkreter Beschluss zu Beginn einer Legislaturperiode, der sich an einer objektiv festzustellenden Lohnentwicklung orientiert, sehr transparent und allgemein nachvollziehbar ist und den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts genügt. Die neue Regelung ist für jedermann durchschaubar und nachvollziehbar. Was die Versorgungsansprüche betrifft, so wurde gerade eine Absenkung vorgenommen, die sich je nach Einzelfall durchaus gravierend auswirken kann. Das sollte fairerweise nicht unter den Tisch fallen gelassen werden, auch wenn sich viele wohl eine noch stärkere Absenkung gewünscht hätten.

2.
Was Ihre Frage zum Problem der Altersarmut betrifft, so weisen sie korrekt auf den Zusammenhang zwischen auskömmlichen Löhnen und einer ausreichenden Altersversorgung hin. Die SPD hat in ihrer Regierungszeit von 1998 bis 2009 dafür gesorgt, dass die gesetzliche Rentenversicherung zentrale Säule der Altersvorsorge in Deutschland bleibt. Nichtsdestotrotz müssen vor allem die Ziele einer nachhaltigen Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und die möglichst geringe Belastung junger Generationen andererseits in Einklang gebracht werden. Beide Ziele sind nur durch eine angemessene Lohnpolitik zu vereinbaren, denn wer über Altersarmut redet, darf über Erwerbsarmut nicht schweigen. Ohne ein Entgegenwirken der Erwerbsarmut kann die Altersarmut nicht wirksam beseitigt werden. Aus dem Grund wurden konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Erwerbsarmut und prekärer Beschäftigung im Koalitionsvertrag vereinbart. Am Anfang steht eine deutlich veränderte Arbeitsmarktpolitik mit einem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro und einer Stärkung der Tarifbindung mit höheren Löhnen und Gehältern in Deutschland. Dazu gehört auch die Durchsetzung des Prinzips „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ – sowohl zwischen Leih- und Zeitarbeitnehmern und Festangestellten, als auch zwischen Frauen und Männern.

Doch auch was die konkrete Rentenpolitik angeht, hat die Koalition als erstes Gesetzesvorhaben das von Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles vorgelegte Rentenpaket auf den Weg gebracht. Das geplante Rentenpaket besteht aus mehreren Bausteinen: Wer 45 Jahre lang Rentenbeiträge gezahlt hat, soll künftig vor Erreichen der Regelaltersgrenze ohne Abzüge in den Ruhestand gehen können. Zunächst mit 63 Jahren, danach steigt die Altersgrenze schrittweise auf 65 Jahre. Mit der sogenannten ‚Mütterrente‘ sollen Erziehungsleistungen besser anerkannt werden. Rentnerinnen und Rentner, die vor 1992 Kinder bekommen haben, erhalten einen zusätzlichen Entgeltpunkt für jedes Kind. Diejenigen, die noch nicht in Rente sind, erhalten für ihre spätere Rente ein weiteres Jahr Kindererziehungszeit gutgeschrieben. Von der ‚Mütterrente‘ profitieren unmittelbar 9,5 Millionen Frauen und Männer. Darüber hinaus wird ab 01. Juli 2014 die Erwerbsminderungsrente angehoben. Menschen, die gesundheitsbedingt aus dem Berufsleben ausscheiden, werden somit besser abgesichert. Unabhängig von der derzeitigen Gesetzesnovelle stellt die betriebliche und tarifvertraglich abgesicherte Altersversorgung aus meiner persönlichen Sicht wie die der SPD-Bundestagsfraktion die beste Form privater und zugleich kollektiver Altersversorgung dar.

3.
Was die Frage des Arbeitslosengeldes II betrifft, so formulieren Sie wörtlich, „dass ein ALG-II-Satz keine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht.“ Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 09. Februar 2010 jedoch klargestellt, dass weder die absolute Höhe der Regelsätze in Frage gestellt, noch das Verfahren der Bemessung der Regelsätze anhand der Verbrauchsausgaben unterer Einkommensgruppen als grundsätzlich ungeeignet bezeichnet werden. Dennoch kann ich Ihren Unmut über eine durchaus schwierige Partizipation am kulturellen und gesellschaftlichem Leben nachvollziehen. Insbesondere die Benachteiligung von Kindern aus Grundsicherung beziehenden Familien ruft ein verletztes Gerechtigkeitsempfinden hervor. Aus diesem Grund werden Aufwendungen für außerschulischen Unterricht in Sport und Musik sowie Ausgaben für Freizeit, Unterhaltung und Kultur stärker berücksichtigt. Des Weiteren wurden die Freibeträge der Zuverdienstmöglichkeiten erhöht. Um die Bemessungsgrundlage dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts anzupassen und gerechter zu gestalten, fordert die SPD-Bundestagsfraktion bereits seit 2010 eine Verringerung des Erhebungszeitraums der Einkommens- und Verbrauchsperiode von fünf auf drei Jahre.

4.
Wie oben bereits angesprochen, ist gute Arbeit mit auskömmlichen Löhnen das beste Rezept gegen Erwerbs- und Altersarmut. Aus diesem Grund legen die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag ihren Schwerpunkt auf erleichterte Zugänge zum Arbeitsmarkt. Dieser ist aufnahmefähig wie selten zuvor. Das eröffnet Chancen bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit. Besonderes Augenmerk richtet die Koalition auf die Personengruppe langzeitarbeitsloser Menschen, die nur mit massiver Unterstützung Teilhabe und Integration am Arbeitsmarkt finden können. Dieses Ziel wollen wir u. a. durch ein ESF-Bundesprogramm für Langzeitarbeitslose und die Gewinnung von Arbeitgebern für benachteiligte Personengruppen in den Vordergrund rücken.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Dörmann, MdB