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Martin Dörmann
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Frage von Guido F. •

Frage an Martin Dörmann von Guido F.

Sehr geehrter Herr Dörmann,

Sie haben am 21. Februar der zweistufigen Diätenerhöhung um insgesamt gut 10 % zugestimmt. Bestandteil dieses Beschlusses war auch, dass die Diäten zusätzlich an die Entwicklung der Bruttolöhne gekoppelt werden und ab 2016 dann jeweils zum 1. Juli auf der Basis der vom Statistischen Bundesamt berechneten Verdienstentwicklung für Beschäftigte in Deutschland steigen. Eine solche automatische Erhöhung der Abgeordnetendiäten auf Basis von Referenzwerten bezeichnete das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1975 in seinem "Diäten-Urteil" (BVerfGE 40, 296) als verfassungswidrig, denn ein solcher Automatismus sei "der Intention nach dazu bestimmt, das Parlament der Notwendigkeit zu entheben, jede Veränderung in der Höhe der Entschädigung im Plenum zu diskutieren und vor den Augen der Öffentlichkeit darüber als einer selbständigen politischen Frage zu entscheiden."

War Ihnen bei der Abstimmung bewusst, dass der Beschluss zur Diätenerhöhung teilweise verfassungswidrig ist? Falls ja, warum haben Sie dann trotzdem zugestimmt?

Werden Sie nun vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die beschlossene automatische Erhöhung der Diäten klagen? Wenn nicht, warum wollen Sie nicht gegen die automatische jährliche Diätenerhöhung klagen?

Da Sie als Abgeordneter mit monatlichen Bezügen jenseits der 8.000 Euro noch eine zweistufige Anhebung Ihres üppigen Einkommens um jeweils mehr als einen vollen ALG II-Satz, zuzüglich künftiger jährlicher Steigerungen, für nötig halten, um einen angemessenen Lebensunterhalt bestreiten zu können, frage ich mich, in welchem Umfang die Große Koalition nun die ALG II-Sätze anheben wird.

Oder gehen Sie ganz einfach davon aus, dass ein Bundestagsabgeordneter für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben jeden Monat einfach 20 mal mehr Geld benötigt als jemand, dem vom Arbeitsmarkt, aus welchen Gründen auch immer, eine Erwerbstätigkeit verwehrt wird?

Freundliche Grüße
Guido Friedewald

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Friedewald,

vielen Dank für Ihre Frage vom 28. Februar 2014 zum Thema Abgeordnetenentschädigung und Altersversorgung von Abgeordneten, die Sie an mich gerichtet haben.

Ihre Kritik richtet sich gegen die vorgesehene Erhöhung der Abgeordnetenentschädigung. Ich habe der zweistufigen Diätenerhöhung zugestimmt und möchte Ihnen gerne darlegen, wie es zu dem in Rede stehenden Gesetzentwurf gekommen ist, welche Regelungen er tatsächlich vorsieht und aus welchen Gründen ich der Auffassung bin, dass es sich um eine gute und für die Zukunft tragfähige Regelung handelt.

Grundlage des Gesetzentwurfs sind die Empfehlungen einer unabhängigen Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts. Der Deutsche Bundestag hatte sie Ende 2011 einvernehmlich eingesetzt. Auftrag der Kommission war es, Vorschläge für ein transparentes, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechendes Verfahren für die Höhe der Abgeordnetenentschädigung und deren zukünftige Anpassung sowie für die Altersversorgung der Abgeordneten vorzulegen. (der Kommissionsbericht ist abrufbar unter:
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/125/1712500.pdf ).

In ihren Empfehlungen rät die Kommission, die Höhe der Abgeordnetenentschädigung an der Besoldung von Richtern an obersten Bundesgerichten (R 6) zu orientieren. Die Tätigkeit eines Abgeordneten als Mitglied eines obersten Verfassungsorgans ist nach Auffassung der Kommission am ehesten mit einem Richter an einem obersten Gerichtshof des Bundes vergleichbar. Beide nehmen ihre Tätigkeit unabhängig wahr. Damit ist ein nachvollziehbarer und zuverlässiger Bezugsrahmen gefunden, der den Bürgerinnen und Bürgern eine bessere Orientierung bietet als z. B. die große Bandbreite der Bezüge von freiberuflich Tätigen, Geschäftsführern und Vorständen. Mit dieser Orientierungsgröße erhalten Abgeordnete eine Entschädigung wie Landräte und Bürgermeister mittelgroßer Städte.

„R 6“ als Orientierungsgröße entspricht zwar der bereits seit 1995 bestehenden gesetzlichen Regelung, tatsächlich haben die Abgeordnetenbezüge diesen Betrag nie erreicht, da die Abgeordneten des Deutschen Bundestages wiederholt auf eine Erhöhung ihrer Diäten verzichtet haben. So gab es beispielsweise in den Jahren 2003 bis 2007 und 2009 bis 2011 keine Anhebung. Gegenwärtig beträgt die Differenz zwischen der Abgeordnetenentschädigung und der Besoldung von Richtern an obersten Bundesgerichten ca. 830 Euro.

Die Abgeordnetenentschädigung soll zum 1. Juli 2014 von jetzt 8.252 Euro um 5,0 % bzw. 415 Euro auf 8667 Euro und zum 1. Januar 2015 um weitere 4,8 % bzw. 415 Euro auf dann 9082 Euro angehoben werden. Damit wird die Bezugsgröße R6 achtzehn Jahre nach Bestehen der gesetzlichen Regelung erstmals erreicht. Nicht gefolgt sind wir dem Vorschlag der Kommission, die Abgeordnetenentschädigung auch um den Familienzuschlag zu erhöhen, denn die Familiensituation von Abgeordneten ist individuell unterschiedlich.

Ab dem 01. Juli 2016 soll die Abgeordnetenentschädigung entsprechend der Erhöhung des Nominallohnindexes des Statistischen Bundesamtes jährlich angepasst werden. Dieser Index erfasst die Entwicklung der Bruttomonatsverdienste aller abhängig Beschäftigten im Bundesgebiet. Zukünftig soll der Bundestag einmal zu Beginn der Legislaturperiode beschließen, dass die Diäten jährlich entsprechend der Veränderung des Index durch den Bundestagspräsidenten angepasst werden. Damit ist sichergestellt, dass die Abgeordneten an der durchschnittlichen - positiven wie negativen - Einkommensentwicklung teilhaben, ohne dass der Bundestag jedes Jahr einen neuen Beschluss fassen muss. Wir folgen damit dem Vorschlag der Kommission.

Da es wie erwähnt zur Anpassung eines eigenständigen Beschlusses des Bundestages bedarf, der im Parlament und in der Öffentlichkeit zu diskutieren ist, wird auch den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes genüge getan, das eben eine Entscheidung des Parlamentes vorschreibt.

Die Alters- und die Hinterbliebenenversorgung für die Abgeordneten und ihre Familien ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls Bestandteil des Anspruchs auf eine angemessene Entschädigung nach dem Grundgesetz. Die Kommission war der Auffassung, dass es zur Sicherung der Unabhängigkeit der Abgeordneten und ihrer wirtschaftlichen Existenz auch ein hinreichend ausgestattetes Alterssicherungssystem geben müsse. Sie hält die Höhe des geltenden Versorgungsniveaus für angemessen und verfassungskonform.

Allerdings haben wir die geltenden Regeln kritisch überprüft und schlagen spürbare Absenkungen bei der Altersversorgung vor:

• Der Höchstsatz der Altersversorgung wird von 67,5 Prozent auf 65 Prozent abgesenkt.
• Die bisherige Möglichkeit, vorzeitig Altersentschädigung ohne Abschläge zu beanspruchen wird gestrichen (unter Wahrung des Bestandsschutzes für bereits erworbene Ansprüche).
• Eine vorzeitige Altersentschädigung kann künftig – wie in der gesetzlichen Rentenversicherung - nur mit Abschlägen in Anspruch genommen werden (Der Abschlagsbetrag beträgt wie in der gesetzlichen Rentenversicherung 0,3% pro vorzeitig in Anspruch genommenen Monat).
• Damit wird die Altersgrenze, ab der die – nunmehr abgesenkte - Altersentschädigung in Anspruch genommen werden kann von bisher 55 bzw. 57 Jahre auf frühestens mit 63 Jahre heraufgesetzt.

Die Möglichkeit für Abgeordnete, „vorzeitig in den Ruhestand“ zu gehen, wird damit stark eingeschränkt. Damit werden Kommissionsempfehlungen aufgegriffen. Das reguläre „Ruhestandsalter“ liegt auch bei Abgeordneten bei 67 Jahren. Bislang kann die Altersentschädigung jedoch um bis zu zehn Jahre vorgezogen werden, sofern die im Gesetz geregelten Voraussetzungen vorliegen. Wegen der allgemeinen Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist dieses nicht länger akzeptabel. Deshalb wird diese Möglichkeit - unter Wahrung des Bestandsschutzes für bereits erworbene Ansprüche und Anwartschaften - abgeschafft.

Desweitern wird die Kostenpauschale spürbar gekürzt, wenn Abgeordnete – entschuldigt oder unentschuldigt – an einem Sitzungstag im Plenum fehlen. Während die Kostenpauschale in den letzten Jahren gestiegen ist, wurden die Abzugsbeträge lange nicht angepasst. Folgende Beträge werden bei Nichteintragung in die Anwesenheitsliste und dem Fehlen eines anderweitigen Anwesenheitsnachweises von der Kostenpauschale künftig einbehalten:

• bei unentschuldigtem Fehlen an Sitzungstagen mit Plenum 200 Euro statt bisher 100 Euro, an Sitzungstagen ohne Plenum 100 Euro statt bisher 50 Euro (§ 14 Abs. 1 AbgG).
• bei entschuldigtem Fehlen an Sitzungstagen mit/ohne Plenum 100 Euro statt bisher 50 Euro (§ 14 Abs. 1 AbgG).
• bei unentschuldigt versäumter namentlicher Abstimmung oder Wahl mit Namensabstimmung statt bisher 50 Euro nunmehr 100 Euro (§ 14 Abs. 2 AbgG). (Wird die Teilnahme an zwei oder mehreren Abstimmungen an einem Tag versäumt, erfolgt der Abzug nur einmal.)

Gleichzeitig mit der Abgeordnetenentschädigung werden wir ein weiteres wichtiges Thema neu regeln, wofür sich die SPD-Fraktion seit langem eingesetzt hat: die bessere Bestrafung der Abgeordnetenbestechung.

Bislang ist in Deutschland nur der Kauf bzw. Verkauf der Abgeordnetenstimme bei Wahlen und Abstimmungen verboten. Alles andere bleibt straffrei. Unser Gesetz dient dazu, strafwürdige Manipulationen bei der Wahrnehmung des Mandats ahnden zu können. Zugleich schaffen wir damit die Voraussetzung dafür, dass Deutschland die bereits 2003 unterzeichnete UN-Konvention gegen Korruption endlich umsetzen kann.

Künftig wird bestraft, wer einem Mandatsträger einen ungerechtfertigten Vorteil als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass der Abgeordnete bei Mandatswahrnehmung eine vom „Auftraggeber“ gewünschte Handlung vornimmt beziehungsweise unterlässt. Umgekehrt trifft es den Abgeordneten, wenn er für solche Handlungen einen Vorteil fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. Vorteile meint materielle Vorteile genauso wie immaterielle Vorteile. Die Straftat kann mit bis Haft bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert werden.

Ungerechtfertigt ist der Vorteil dann nicht, wenn seine Annahme im Einklang mit den Vorschriften über die Rechtsstellung der Abgeordneten (Abgeordnetengesetz und Verhaltensregeln) steht. Klargestellt ist zudem, dass ein politisches Mandat oder eine politische Funktion oder eine nach dem Parteiengesetz oder entsprechenden Gesetzen zulässige Spende kein ungerechtfertigter Vorteil sind.

Wir sind uns unserer Verantwortung insbesondere hinsichtlich der Höhe und der Angemessenheit der Abgeordnetenentschädigung gegenüber der Öffentlichkeit bewusst. Andererseits sollte dem Mandatsträger, der sich für eine zeitlich begrenzte Übernahme politischer und gesellschaftlicher Verantwortung entscheidet, ebenso wie anderen Berufsgruppen auch das Recht auf eine angemessene Anpassung seiner Entschädigung zuerkannt werden.

Sehr geehrter Herr Friedewald, ich freue mich über Ihr Interesse und hoffe, dass Sie diese Argumente ein wenig von der uns vorgeschlagen Regelung überzeugt haben. Bitte nehmen Sie der großen Mehrheit des Mitglieder des Bundestages ab, dass es uns nicht um eine „Selbstbedienung“ geht, sondern, dass wir für die Öffentlichkeit nachvollziehbare, transparente und faire Regelungen für Abgeordnete schaffen wollen.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Dörmann, MdB