Frage an Martin Dörmann von Peter S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Dörmann,
ist die Forderung nach einem Mindestlohn nur ein Täuschungsmanöver?
Am 22.01. dieses Jahres stimmten Sie zu, als es um 6 weitere Branchen ging. Das ist soweit auch in Ordnung und finde ich sehr lobenswert.
Leider ist Ihre Forderung nicht unten angekommen. Mit unten meine ich Stadträte. Hier insbesondere den Stadtrat von Köln.
Am 24.04. 2008 stellet die Bürgerbewegung Pro Köln den Antrag, dass städtische Aufträge nicht mehr an Lohndrückerunternehmen vergeben werden sollen. http://www.pro-koeln-online.de/images08_1/antrag-lohndruecker.pdf Die gesamte SPD stimmte gegen diesen Antrag.
Warum ist die SPD auf Bundesebene für einen Mindestlohn, aber nicht auf kommunaler Ebene? Es geschah in Ihrer Stadt!
Warum macht die SPD Unterschiede zwischen Bundespolitik und Kommunalpolitik?
Warum fordert die SPD im Bundestag einen Mindestlohn, wenn dieser nicht einmal auf kommunaler Ebene umgesetzt wird?
Betreibt die SPD eine zweigleisige Politik?
Ich bedanke mich für Ihre Antwort
Peter Schlüter
Sehr geehrter Herr Schlüter,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die gleich mehrere Punkte berührt:
1. Umgang mit Anträgen der rechtsradikalen Partei „Pro Köln“
Unabhängig vom Inhalt stimmt die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Köln grundsätzlich keinem von der Partei „Pro Köln“ gestellten Antrag zu. Wie Sie sicherlich wissen, vertritt diese Partei rechtsradikale Positionen. Zuletzt hatte sie negative Schlagzeilen im Zusammenhang mit dem von ihr organisierten Anti-Islam-Kongress in Köln produziert. An anderer Stelle versucht die Partei, sich durch das Aufgreifen populärer Themen interessant zu machen. Vor dem rechtsradikalen Hintergrund ihrer Grundsatzpositionen kann dies jedoch keine Unterstützung der SPD finden.
2. SPD setzt branchenbezogene Mindestlöhne in Deutschland durch
Die SPD steht für die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns in Deutschland.
Da dies zur Zeit in der Großen Koalition aufgrund des Widerstands der Union nicht möglich ist, verfolgt die SPD-Bundestagsfraktion das Ziel, zunächst möglichst viele branchenbezogene Mindestlöhne festzulegen. Dies bedeutet, dass über das Arbeitnehmerentsendegesetz oder das Mindestarbeitsbedingungsgesetz für einzelne Branchen Mindestlöhne festgesetzt werden. Trotz des Widerstandes in weiten Teilen der Union haben wir bereits wichtige Erfolge erzielt:
Bis Ende letzten Jahres sind im Arbeitnehmer-Entsendegesetz folgende Branchen aufgenommen worden: Das Bauhauptgewerbe, das Abbruchgewerbe, das Maler- und Lackiererhandwerk, das Dachdeckerhandwerk, das Elektrohandwerk, das Gebäudereinigerhandwerk und die Briefdienstleistungen.
Am 22. Januar wurde im Bundestag mit der 2./3. Lesung das Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (Drs. 16/10486, 16/11669) beschlossen. Die Abstimmung im Bundesrat ist am 13. Februar 2009 vorgesehen. Zusammen mit dem ebenfalls in 2./3. Lesung beschlossenen Mindestarbeitsbedingungengesetz (Drs. 16/10485, 16/11669) und den im Koalitionsausschuss beschlossenen Sonderregelungen für die Zeitarbeitsbranche konnten damit für weitere 1,7 Millionen Beschäftigte fairere Löhne erkämpft werden.
Damit werden zusätzlich Mitarbeiter in folgenden Branchen Mindestlöhne erhalten: Pflegebranche, Wach- und Sicherheitsgewerbe, Abfallwirtschaft, Bergbau-spezialdienste, industrielle Großwäschereien und Weiterbildung.
Zusammen mit den neu aufgenommenen Branchen profitieren somit faktisch rund 3,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von Mindestlöhnen.
Die SPD wird diesen erfolgreichen Weg fortsetzen.
Die oben genannten Ziele werden auch von der SPD in Köln sowie der SPD-Ratsfraktion in vollem Umfang unterstützt.
3. Kommunale Vergabe
Die Vergabe städtischer Aufträge erfolgt nach genau festgelegten gesetzlichen Regelungen, an die sich Rat und Verwaltung selbstverständlich halten müssen.
Nach bisheriger Rechtslage bestand auf kommunaler Ebene keine Möglichkeit, bestimmte Lohnuntergrenzen selbst festzulegen oder vorzuschreiben.
Am 19. Dezember 2008 haben wir jedoch im Bundestag ein neues Vergaberecht beschlossen. Danach können bei der öffentlichen Auftragsvergabe künftig soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt werden. Damit schaffen wir Rechtssicherheit für die öffentlichen Auftraggeber, wenn diese zusätzlich zu Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Gesetzestreue weitere Anforderungen stellen wollen, wie beispielsweise eine angemessene Bezahlung zur Sicherstellung der Qualifikation von Wach- oder Fahrdienstpersonal oder das Verbot von Kinderarbeit in der Lieferkette bzw. die Nutzung energieeffizienter Bürogeräte. Wir leisten damit auch einen wichtigen Beitrag zum Schutz unserer heimischen Wirtschaft gegen Lohndumping und Preisdrückerei.
Auch insofern handelt die SPD somit konsequent, und zwar auf allen Ebenen.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Dörmann, MdB