Frage an Martin Dörmann von Jörg G. bezüglich Senioren
Guten Tag Herr Dörmann,
der medizinische Dienst der Krankenkassen offenbarte letzte Woche wieder einmal (!) die massiven Qualitätsprobleme in der Altenpflege. Nirgends erhalten Menschen derartig schlechte Leistungen zu solch absurd hohen Preisen. Nicht überall, aber erschreckend oft.
Warum lt. einer Studie der Universität Bonn 2 von 3 Altenpflegern nicht in dem Heim leben möchten, in dem sie selbst arbeiten, kann ich nach eigenen (beruflichen) Besuchen in 192 Seniorenheimen gut nachvollziehen. Auch meine private Erfahrung mit der ambulanten Pflege meiner Großmutter und meines Vaters ist vernichtend.
Aus Platzgründen verweise ich zwecks Auflistung der Mängel z.B. auf Markus Breitscheidels Buch „Abgezockt und totgepflegt“.
Nun ist die SPD seit 1998 verantwortlich für den Bereich der Seniorenpflege.
Wie kann es sein, daß die SPD-Ministerin
1) wieder einmal völlig überrascht ist
2) erst durch Dritte auf die skandalösen Zustände aufmerksam gemacht werden muß
3) die Situation wie üblich relativiert und schönredet
4) nach all den Jahren immer noch kein Konzept zur Lösung des Problems erarbeitet hat und statt dessen mit einer eilig zusammengerufenen "Expertenkommission" quasi bei Null anfängt?
Neugierige Grüße aus Ihrem Wahlkreis,
Jörg Gastmann
Sehr geehrter Herr Gastmann,
ich danke Ihnen recht herzlich für Ihre eMail vom 3. September, in der Sie sich zu den Qualitätsproblemen in der Altenpflege äußern. Ihrem Schreiben entnehme ich, dass Sie viele Einrichtungen der Altenpflege kennen gelernt haben. Sicherlich ist Ihnen deshalb auch bekannt, dass die Ursachen für Mängel in den stationären Pflegeeinrichtungen aber auch in der ambulanten Pflege unterschiedlichster Natur sind. Eine einseitige Schuldzuschreibung an die Träger wird dem Gesamtproblem aus meiner Sicht auch nicht gerecht. Und sie wird auch den unzähligen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Pflege nicht gerecht, die mit übergroßem Engagement täglich diesen besonders anspruchsvollen Beruf meistern.
Sie wissen, dass sich die Pflegesituation und damit der Standard der Dienstleistungen in der Altenpflege durchaus differenziert darstellen. Es gibt unbestritten viele Beispiele von Pflegeeinrichtungen, in denen pflegebedürftigen Menschen mit Würde, Wertschätzung und Respekt begegnet wird. In solchen Einrichtungen wird beispielsweise auch mit modernen Konzepten den besonderen Herausforderungen im Umgang mit altersverwirrten Menschen entsprochen. Es gibt aber bedauerlicherweise auch die von Ihnen geschilderten Einrichtungen, die schlechte Pflege und soziale Betreuung leisten.
Im dringend zu führenden gesamtgesellschaftlichen Diskurs, welche Wertschätzung bei uns in Deutschland ältere pflegebedürftige Menschen genießen, müssen wir uns aus meiner Sicht auch an den bekannten Positivbeispielen orientieren und diese durch unterschiedlichste politische Initiativen in Bund, Land und Kommunen breiter verankern. Ich verhehle nicht, dass es nachhaltigen Reformbedarf gibt, deshalb wollen wir die Pflegereform auf Bundesebene auch vorantreiben. Aber auch die jeweiligen Bundesländer sind gefragt, ihre Landespflegegesetze/Heimgesetze den aktuellen Herausforderungen anzupassen und dringende Regelungsbedarfe zu erkennen.
Um unmittelbarer bei den von Ihnen beschriebenen Missständen reagieren zu können, müssen auch die Prüfinstrumente geschärft werden. Es soll nach Meinung der SPD-Bundestagsfraktion zukünftig besser sichergestellt werden, dass die Einrichtungen in regelmäßigen Abständen überprüft und bewertet werden. Dies soll für alle 22.000 stationäre Pflegeheime und ambulante Pflegedienste in Deutschland gelten. Die unabhängigen Prüfer sollten ihren Besuch nicht ankündigen, um so einen tatsächlichen Einblick in die Qualitätsstandards vor Ort zu erhalten.
Vor allem aber geht es um die erforderliche Transparenz bei der Veröffentlichung der gewonnenen Erkenntnisse. Eine im Internet abrufbare Liste über die positiven und negativen Merkmale der Einrichtungen könnte pflegebedürftigen Menschen und ihren Angehörigen die Auswahlentscheidung erleichtern und zugleich ihre Rechte stärken.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat diese Vorschläge bereits aufgegriffen und zügige Verbesserungen angekündigt. Die von ihrem Haus vorbereitete Pflegereform richtet sich künftig noch stärker an den Bedürfnissen von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen aus. Deshalb gilt in Zukunft, dass die Qualität der Pflege besser kontrolliert wird. Kassen, Kommunen und Pflegeeinrichtungen vereinbaren gemeinsame Grundsätze zur Qualitätssicherung, die umzusetzen sind. Als Kölner Abgeordneter begrüße ich im Übrigen die Linie der städtischen Heimaufsicht, jährlich jeweils mindestens einmal die Kölner Pflegeeinrichtungen zu prüfen und die Ergebnisse auch über die Gremien des Rates der Stadt Köln transparent zu machen.
Um der Komplexität dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe gerecht zu werden, ist aus meiner Sicht ein breites Maßnahmenbündel notwendig. Wir müssen die Rahmenbedingungen für ambulante Pflege, für die Betreuung und Pflege von dementiell veränderten Menschen in stationären Einrichtungen weiter verbessern, wir müssen zahlreiche Best-Practice-Beispiele in den Einrichtungen verankern, wir müssen den Schutz von pflegebedürftigen Menschen weiter verbessern und vieles weitere mehr. Dazu gehört auch ein gesamtgesellschaftlicher Konsens, dies besser finanziell zu flankieren. Die aktuellen Diskussionen stimmen mich optimistisch, dass wir bei den anstehenden parlamentarischen Beratungen ein gutes Stück in der Zielerreichung weiter kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Dörmann, MdB