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Frage von Martin P. •

Frage an Martin Dörmann von Martin P. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Möring,

voraussichtlich am 16.02. soll dem Kabinett der Referentenentwurf des BAMS iS "Scheinselbständigkeit" präsentiert werden.

Ich möchte Sie bitten, sich gegen diesen Entwurf in der vorliegenden Fassung auszusprechen. Hintergrund ist, dass dieser zwar berechtigterweise die Rechte von Arbeitnehmern stärkt, welche sich zumeist in eher einfachen prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden.

Zugleich gefährdet dieser aber in einem Aufwasch den gesamten Berufsstand der Selbständigen (> 2,5 Mio Erwerbstätige in D), da die Kriterien für ein Vorliegen einer etwaigen "Scheinselbständigkeit" so ausgestaltet werden, dass eine selbständige Erbringung von Aufträgen und Arbeiten unmöglich gemacht wird.

Hierbei handelt es sich zumeist NICHT um schutzbedürftige Bürger, deren Arbeitskraft ausgenutzt wird sondern vergleichsweise den Mitgliedern der freien Berufe um Menschen, die sich für diese Art und Weise der Berufsausübung freiwillig entschieden haben und deren Einsatz überdurchschnittlich vergütet wird.

Zudem ist die Industrie auf den Einsatz von selbständigen Fach- und Führungskräften auf Zeit angewiesen, um Vakanzen zu überbrücken, Projekte zu ermöglichen oder die Transformation neuer Prozesse und Geschäftsmodelle zu ermöglichen (z.B. Industrie 4.0).

Die große Unsicherheit durch die neuen Regelungen zur Scheinselbständigkeit gefährdet mittlerweile sogar die Durchführung von Beratungsprojekten, mit noch nicht absehbaren Schäden für die deutsche Wirtschaft.

In diesem Sinne meine Bitte, darauf einzuwirken, dass das Gesetz nicht in der vorliegenden Fassung verabschiedet sondern an den Entwurfsverfasser zurückgegeben wird, mit dem Auftrag, eine sachgerechte Unterscheidung der Behandlung von schutzbedürftigen Arbeitnehmern einerseits und unternehmerisch agierenden Selbständigen andererseits zu ermöglichen.

Sehr gerne stehe ich Ihnen für vertiefende fachliche Informationen und Gespräche zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Prischmann

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Sehr geehrter Herr Prischmann,

vielen Dank für Ihre Frage, die sich offenbar auf einen inzwischen teilweise überholten Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze (AÜG) vom November 2015 bezieht. Der von Ihnen aufgeworfene Punkt von Kriterien für eine Definition des Arbeitsverhältnisses in § 611a BGB wurde inzwischen nach meiner Kenntnis in der Entwurfsfassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aufgrund weiterer Gespräche mit den Sozialpartnern modifiziert. Derzeit befinden wir uns allerdings erst in einem Zwischenstadium. Eine Ressortabstimmung und ein Kabinettbeschluss haben noch nicht stattgefunden. Erst nach Einbringung des Gesetzentwurfs ins Parlament werden wir uns hier ausführlicher mit den einzelnen Bestimmungen auseinandersetzen. Dabei werden auch die von Ihnen aufgeworfenen Fragen eine wichtige Rolle spielen. Ich gehe davon aus, dass am Ende ein Gesetz stehen wird, dass Missbrauch verhindert, gleichzeitig aber auch unterschiedlichen Arbeits- bzw. Auftragssituationen gerecht wird.

Lassen Sie mich lediglich ergänzend und unabhängig von Ihrem persönlichen beruflichen Hintergrundes noch einmal die Zielsetzung des geplanten Gesetzes erläutern: Arbeitnehmerüberlassungen und Werkverträge sind wichtige Instrumente in einer arbeitsteiligen Wirtschaft. Missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes sind nicht akzeptabel und abzulehnen. Im Koalitionsvertrag wurde festgelegt, Leiharbeit und Werkverträge zu regulieren, um den Missbrauch zu beenden und das Umgehen von Arbeitsstandards zu verhindern. Hierfür sollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen geändert werden. Seit einigen Jahren benutzen Arbeitgeber verstärkt Leiharbeit und Werkverträge dazu, Belegschaften zu spalten und Lohndumping zu betreiben. Dadurch sind Beschäftigte zweiter und dritter Klasse entstanden. Sie verfügen über weniger Lohn, haben schlechtere Arbeitsbedingungen und weniger Rechte. Der Referentenentwurf sieht zur Missbrauchsbekämpfung die Einfügung eines neuen § 611a im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zum Dienstvertrag vor. Eine gesetzliche Fixierung der Abgrenzung zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz ist im BGB erforderlich, um das Arbeitsverhältnis zu definieren und damit den Arbeitsvertrag vom Werkvertrag abgrenzen zu können. Die sinnvolle Arbeitsteilung dieser beiden Instrumente wird dadurch nicht eingeschränkt, da die Gesamtabwägung aller Umstände maßgeblich bleibt. Betrug wird aber in Zukunft deutlich erschwert. Für ehrliche Arbeitgeber soll mehr Rechtssicherheit bei der Abgrenzung von abhängiger und selbstständiger Tätigkeit geschaffen werden. Im Referentenentwurf wird gesetzlich definiert, wer Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer ist. Die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien werden zur Verbesserung von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit festgeschrieben. Soweit die Zielsetzung. Wie gesagt: im Parlament werden wir uns dann ausführlich mit der endgültigen Fassung des Gesetzentwurfes befassen.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Dörmann, MdB