Frage an Martin Dörmann von Vikor M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Guten Morgen Herr Dörmann,
Ich wüsste gerne, wie Sie zu Freihandelsabkommen im Allgemeinen und zum Komplex TIPPP-CETA etc. stehen und wie Sie in Zukunft dazu abstimmen wollen.
Gruß
Dr. Viktor Matz
Sehr geehrter Herr Dr. Matz,
vielen Dank für Ihre Frage.
Die SPD setzt sich dafür ein, dass es noch zu Änderungen am CETA-Abkommen kommt, namentlich zur Frage der Schiedsgerichtsverfahren. Und nach unserer Auffassung ist bei den derzeitigen Verhandlungen zu TTIP insbesondere auch darauf hinzuwirken, dass es nicht zu einer Absenkung von Standards in den Bereichen Gesundheit, Verbraucherschutz oder Arbeitnehmerrechten kommt, sondern ein Ergebnis erzielt wird, das gute Standards stärkt und wirtschaftliche Chancen nutzt. Mein Abstimmungsverhalten bei einer möglichen späteren Entscheidung im Bundestag werde ich davon abhängig machen, inwieweit diese Ziele erreicht werden.
Zur näheren Erläuterung einiger aktueller Diskussionspunkte bzw. zum weiteren Verfahren:
Das Freihandelsabkommen mit Kanada (CETA) ist ausverhandelt, aber noch nicht unterschrieben. Es können also noch Änderungen vorgenommen werden. Der CETA-Verhandlungstext des Abkommens wird derzeit auf EU-Ebene überarbeitet. Das Bundeswirtschaftsministerium bringt dabei im Rat der EU-Handelsminister insbesondere Änderungsvorschläge zu den Schiedsgerichtsverfahren (ISDS) im Rahmen des Investorenschutzes ein.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat in den vergangenen Wochen erreicht, dass sich die sozialdemokratischen Handelsminister von Frankreich, Dänemark, Schweden, Luxemburg, den Niederlanden und Deutschland in der EU auf eine gemeinsame Position verständigt haben – vor allem bei dem besonders umstrittenen Thema Schiedsgerichte. Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auf einen Vorschlag der sozialistischen und sozialdemokratischen Partei- und Regierungschefs vom 21. Februar 2015 auf ihrer Tagung in Madrid. Dort wird eine Fortentwicklung der Schiedsgerichte hin zu einem staatlichen Handelsgerichtshof empfohlen. Dieser Vorschlag wurde von der Europäischen Kommission recht gut aufgenommen und er hat in unserer Fraktion sowie im Europäischen Parlament eine lebhafte Diskussion ausgelöst. In diesem Sinne erwarte ich, dass das bisher weitgehend im Geheimen verhandelte Instrument der Investor-Staat-Schiedsverfahren anlässlich der TTIP-Verhandlungen einen längst überfälligen Reformschub erhält, der die Klagerisiken bei neuen Gesetzen zu Umwelt, Tierschutz oder Verbrauchergesundheit deutlich eindämmt.
Dabei geht es vor allem darum, die bisherigen privatwirtschaftlich organisierten Schiedsgerichte in Freihandelsabkommen zu öffentlich-rechtlichen Institutionen zu machen - mit Berufsrichtern statt Vertretern bezahlter Anwaltskanzleien, mit öffentlichen und transparenten Verfahren und Berufungsinstanzen. Außerdem wollen wir erreichen, dass kein Unternehmen vor einem Schiedsgericht besser gestellt werden kann als vor einem innerstaatlichen Gericht. Wir verfolgen damit die Idee der Einrichtung echter Handelsgerichtshöfe statt privatwirtschaftlicher „Geheimgerichte“. Die EU-Handelskommissarin Malmström hat ihre Unterstützung für diesen Weg signalisiert.
In der Gesellschaft gibt es ein sehr breites Meinungsspektrum zum Thema Freihandel. Und dieses Meinungsspektrum bildet sich auch in der Volkspartei SPD ab. Das ist gut so. Der Prozess ist noch keineswegs abgeschlossen, sondern wird sich noch über einen längeren Zeitraum ziehen. Somit wird man erst im Lichte der späteren Verhandlungsergebnisse eine endgültige Bewertung vornehmen können.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Dörmann, MdB