Frage an Martin Dörmann von Guido F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dörmann,
bereits in der letzten Woche schrieb ich hier über abgeordnetenwatch.de eine Mail an Sie, die zwar leider nicht veröffentlicht, aber an Sie weitergeleitet wurde. Da meine dort gestellten Fragen in den vergangenen Tagen vielfach, in der ein oder anderen ähnlichen Form, an Sie gerichtet wurden, möchte ich darauf auch gar nicht weiter eingehen. Ich denke, Sie werden diese Fragen sicherlich in der nächsten Zeit noch beantworten.
In den letzten Tagen habe ich aber noch über weitere Aspekte der Internetsperren und der Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes nachgedacht, dadurch ergaben sich bei mir einige neue Fragen.
Das beschlossene Gesetz, erteilt dem BKA die Befugnis, erstmal völlig frei zu entscheiden, welche Internetseiten es sperren möchte.
Warum erteilt man dem BKA so weitreichende judikative Befugnisse und lässt die Aufnahme in eine Sperrliste nicht vor der Sperrung durch einen Richter prüfen, anstatt erst Wochen bis Monate später stichprobenweise zu kontrollieren, ob eine bereits erfolgte Sperrung vertretbar ist?
Wird das Gremium, welches die Sperren nachträglich überprüfen soll, überhaupt nachvollziehen können, ob auch tatsächlich nur die Domains gesperrt wurden, welche in der vom BKA vorgelegten Liste aufgeführt sind?
Oder wird es etwa möglich sein, dass das BKA Sperren verfügt, ohne dass dies später nachvollziehbar ist?
Wodurch genau wird gesichert, das es keine Abweichungen zwischen der Liste des BKA und den tatsächlich angeordneten Sperren gibt?
Sperrt man den Zugang zu einer Internetseite mit kinderpornographischem Inhalt, wird der Betreiber der gesperrten Seite dies bemerken. Er weiß somit, das sein illegales Angebot entdeckt wurde und nun polizeilich ermittelt wird.
Wirkt das Sperren einer Internetseite durch diese Frühwarnung nicht sogar als Schutz für die Anbieter kinderpornographischem Materials und behindert damit sowohl die Ermittlungsarbeit, als auch die tatsächliche Bekämpfung des Problems?
Freundliche Grüße
Guido Friedewald
Sehr geehrter Herr Friedewald,
vielen Dank für Ihre Nachfragen.
Zu den konkret von Ihnen angesprochenen Punkten:
Es ist ein Missverständnis, dass dem BKA durch die Möglichkeit, eine Sperrliste zu erstellen, „judikative“ (also richterliche) Befugnisse zustünden.
Es handelt sich vielmehr um ein polizeiliches Handeln, das dem Bereich der Exekutive zuzurechnen ist.
Wie andere polizeiliche Maßnahmen des BKA kann auch diese selbstverständlich gerichtlich überprüft werden. Hierzu haben wir im Gesetz ausdrücklich den Verwaltungsrechtsweg genannt. Eine gerichtliche Kontrolle findet also statt, jedoch nur dann, wenn jemand geltend macht, in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist bei staatlichen Maßnahmen der Regelfall.
Eine richterliche Anordnung vorab wird ansonsten nur in sehr begrenzten Fällen vorgesehen, etwa wenn es um eine Durchsuchungsmaßnahme in der Wohnung eines Beschuldigten geht, da dies ein ganz besonders schwerer Eingriff in die persönliche Intimsphäre darstellt. Diese Fälle sind jedoch nicht mit der Erstellung einer Sperrliste vergleichbar.
Zusätzlich haben wir nun in das Gesetz ein Expertengremium aufgenommen, das befugt ist, die Sperrlisten jederzeit einzusehen, zu kontrollieren und auch zu korrigieren.
Das BKA muss entsprechende Unterlagen bereithalten, aus denen ersichtlich ist, auf welcher Grundlage die Aufnahme in die Sperrliste erfolgt. Wir haben die Auswahl der Experten bewusst dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit übertragen, da dieser für Informationsfreiheit zuständig ist, um die es ja hier geht. Er ist in der Lage, ein fachkundiges Expertengremium zusammenzustellen.
Dabei hat er nur eine Vorgabe: Die Mehrheit der Mitglieder soll eine Befähigung zum Richteramt haben, da es ja vordringlich um eine rechtliche Überprüfung geht, ob die Voraussetzungen für eine Sperrung vorliegen. Das Expertengremium hat dabei selbstverständlich die Befugnis, die Sperrliste zu überprüfen, die auch den Internetprovidern übermittelt wurde.
Grundsätzlich haben Sie Recht, dass der Betreiber einer gesperrten Seite dies bemerken kann, wenn er eine regelmäßige Überprüfung vornimmt, ob im Ausland eine solche Sperrung erfolgt. Allerdings weiß er ja auch vorher, dass sein Angebot illegal ist. Aus diesem Grund wechseln die Adressen häufig. Dies ist einer der Gründe dafür, dass eine Sperrung von ausländischen Seiten gegenüber einer Löschung durchaus einen Mehrwert bringen kann, wenn es nicht gelingt, die Löschung im Wege internationaler Zusammenarbeit kurzfristig herbeizuführen.
Auch wir haben das Problem gesehen, dass die Ermittlungsarbeit von ausländischen Polizeibehörden durch eine Sperrung im Einzelfall gefährdet sein kann. In der Praxis setzen wir darauf, dass das BKA im Rahmen seiner Befugnisse mit den zuständigen Polizeidienststellen in den betroffenen Ländern in engem Kontakt ist und im Rahmen dieser Zusammenarbeit geklärt wird, welche Maßnahmen getroffen werden können.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Dörmann, MdB