Frage an Martin Dörmann von Torsten W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Herr Dörmann,
ich wende mich an Sie als Mitglied des Wirtschaftsausschusses, des Ausschusses für Neue Medien und des SPD-Fraktionsvorstandes. Bei dem umstrittenen Thema der Einführung von Internetzensur, um Kinderpornografie zu verstecken, musste ich mit Entsetzen feststellen, dass die CDU den Befürchtungen aller Kritiker entspricht: Sie will flächendeckende Internetzensur einführen. Ich möchte aus einer Stellungnahme von Thomas Strobl, MdB, zitieren: "In jedem Fall sollte aber meines Erachtens in der Debatte, welche Maßnahmen zur Gewaltprävention ergriffen werden, die von den Bundesministern von der Leyen und Schäuble vorgeschlagene Sperrung von kinderpornografischen Seiten im Internet mit Blick auf Killerspiele neu diskutiert werden." ( http://www.abgeordnetenwatch.de/thomas_strobl-650-5740--f193477.html#q193477 )
Außerdem auf Wolfgang Bosbach, MdB, verweisen, der "erstmal" nur über Kinderpornografie reden will, um eine "Schieflage" der Debatte zu vermeiden ( http://www.gulli.com/news/nicht-nur-bei-kipo-gro-e-2009-06-06/ ).
Und nicht zuletzt sei noch eine Pressemitteilung der CDU/CSU-Fraktion erwähnt: "Die SPD wäre dadurch [, dass sie das Gesetz gestoppt hätte] Gefahr gelaufen, Straftaten im Internet Vorschub zu leisten, von der Vergewaltigung und Erniedrigung kleiner Kinder bis hin zu Urheberrechtsverletzungen in breitestem Ausmaß gegenüber Künstlern und Kreativen. " ( http://www.cducsu.de/Titel__pressemitteilung_klare_kante_gegen_kinderpornographie/TabID__6/SubTabID__7/InhaltTypID__1/InhaltID__13368/Inhalte.aspx )
Diese und mehr Beispiele zeigen eindeutig, dass es der CDU nicht um Kinderpornografie geht - diese kann durch die Internetzensur auch gar nicht wirksam bekämpft werden. Wollen Sie wirklich mit der CDU noch in dieser Woche ein Gesetz durchpeitschen, mit der die CDU das Internet zensieren will und bei dem so viele Fragen noch offen sind? Ist ein Aufschub des Gesetzes denkbar, um offene Fragen zu klären?
Mit freundlichen Grüßen,
Torsten Wagner
Sehr geehrter Herr Wagner,
vielen Dank für Ihre Frage zum Kinderpornografie-Bekämpfungsgesetz, das der Bundestag zwischenzeitlich am 18. Juni 2009 in 2./3. Lesung verabschiedet hat.
Angesichts mancher Äußerungen von Unions-Politikern in den letzten Wochen kann ich gut verstehen, dass Sie besorgt sind, die darin vorgesehenen Internetsperren gegen Seiten mit kinderpornografischen Inhalten könnten auch auf andere Inhalte ausgedehnt werden.
Dem haben wir nun einen klaren gesetzlichen Riegel vorgeschoben.
Das Kinderpornografiebekämpfungsgesetz regelt eindeutig nur die Zulässigkeit von Sperren bei Seiten mit kinderpornografischen Inhalten. Die SPD konnte bei den Verhandlungen mit der Union am Ende durchsetzen, dass die wesentlichen Regelungen in einem Spezialgesetz normiert werden, das ausschließlich kinderpornografische Inhalte erfasst. Dies wird auch noch einmal in der neuen Gesetzesbegründung festgehalten.
Wir sind sogar so weit gegangen, dass die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche auf Grundlage der neu geschaffenen Infrastruktur ausdrücklich ausgeschlossen wird. Zudem dürfen Daten, die aufgrund der Umleitung bei der Stopp-Meldung anfallen, nicht für Zwecke der Strafverfolgung genutzt werden.
Eindeutiger kann man nicht regeln, dass es sich um ein reines Präventionsgesetz in einem besonders gelagerten Fall handelt, das nicht auf andere Inhalte oder Zwecke übertragbar ist.
Zudem wurde das Gesetz befristet, es läuft zum 31. Dezember 2012 automatisch aus.
Ich will zudem noch auf folgenden Umstand hinweisen:
Leider wird in der öffentlichen Debatte selten erwähnt, dass die technische Infrastruktur für Internetsperren sich bereits im Aufbau befindet. Durch die Verträge zwischen BKA und den größten Internet-Service-Providern in Deutschland werden diese bereits verpflichtet, die Infrastruktur bereitzustellen und entsprechende Sperrungen in nächster Zeit vorzunehmen. Damit ist der Endkundenmarkt in Deutschland weitgehend abgedeckt. Nach unseren Informationen würden diese Verträge auch dann umgesetzt, wenn es kein Gesetz gäbe.
Nur durch das Gesetz konnten wir nun folgende Schutzvorschriften im Interesse der Internetnutzer/innen festschreiben:
1. Verankerung des Subsidiaritätsprinzips -- Löschen vor Sperren:
Die Aufnahme in die Sperrliste des BKA erfolgt nur, soweit zulässige Maßnahmen, die auf eine Löschung der Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten abzielen, keinen Erfolg haben. Wir haben somit ein zentrales Anliegen von Ihnen umgesetzt.
2. Kontrolle der BKA-Liste und Rechtsschutzmöglichkeiten Betroffener:
Beim Datenschutzbeauftragten des Bundes wird ein unabhängiges Gremium bestellt, dessen Mitglieder mehrheitlich die Befähigung zum Richteramt haben müssen. Das Gremium kontrolliert die BKA-Liste regelmäßig und kann sie jederzeit einsehen und korrigieren, soweit die Voraussetzungen für eine Sperrung nicht vorliegen. Es wird verankert, dass gegen die Aufnahme in die Sperrliste der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.
3. Datenschutz:
Das Gesetz dient ausschließlich der Prävention. Verkehrs- und Nutzungsdaten, die aufgrund der Zugangserschwerung bei der Umleitung auf die Stopp-Meldung anfallen, dürfen nicht für Zwecke der Strafverfolgung verwendet werden. Damit wird auch ausgeschlossen, dass sich durch Spam-Mails fehlgeleitete Nutzer/innen einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sehen könnten. Zudem ist keine Speicherung personenbezogener Daten bei den Internetprovidern mehr vorgesehen.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Dörmann, MdB