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Frage von Dieter G. •

Frage an Martin Dörmann von Dieter G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dörmann !

Die öffentlichen Proteste um den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur "Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen" sind Ihnen bekannt. Ebenso die ePetition auf der Webseite des Bundestages, die auch ich natürlich mitzeichne, sowie inzwischen über 110.000 Menschen unseres Landes. Bereits am 18. Juni steht ein geänderter Gesetzentwurf auf der Tagesordnung des Bundestages zur Verabschiedung an: http://www.bundestag.de/parlament/plenargeschehen/to/227.html

Zu diesem gesamten Themenkomplex haben ich die folgenden Fragen:

1. Ihre Partei fordert nun laut einer Stellungnahme auf der Webseite des SPD ein Extra-Gesetz. Besteht die Hoffnung, dass dieser ganz neue Gesetzentwurf von der CDU abgelehnt wird bzw. es zu keinem Kompromiss kommt?

2. Auch einige SPD-Politiker haben sich inzwischen gegen ein solches Gesetz ausgesprochen. Die gesamte Opposition ist richtigerweise sowieso dagegen. Besteht die Hoffnung, dass es innerhalb der SPD keine Mehrheit mehr für ein Gesetz gibt und damit die 2. und 3. Beratung mit Verabschiedung von der o.g. Tagesordnung gestrichen wird ?

3. Ein wie auch immer geartetes Gesetz ist durch das Schaffen einer technischen Intrastruktur der Einstieg in die Internet-Zensur. Besteht die Hoffnung, dass die SPD jetzt oder nach den Bundestagswahlen ein solches Gesetz verhindern wird ?

Sofern ein solches Gesetz tatsächlich verabschiedet wird bin ich sicher, dass dieses vor das BVerfG gehen wird. Die Unterzeichner der Petition und alle diesbezüglichen Aktivisten werden diesen Gang sicherlich nicht scheuen. Eine solche Verfassungsbeschwerde wird mit Sicherheit erneut von sehr vielen Menschen mitgetragen werden. Hoffen Sie mit mir/uns, dass das BVerfG nicht darüber entscheiden muss, sondern insbesondere die SPD zur Einsicht kommen wird. Es sind Bundestagswahlen - über 90% der Bevölkerung wollen laut Infratest-Umfrage keine Sperrlisten und Stopp-Schilder im Internet haben.

Mit freundlichen Grüßen
Dieter Gieseking

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Gieseking,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen. Gerne nehme ich hierzu Stellung, wobei ich ein wenig ausholen muss, um die doch recht komplexen Zusammenhänge zu diesem sensiblen Thema deutlich machen zu können.

Ich bin überzeugt, wir alle wollen einen effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung. Die SPD-Fraktion hat dazu mit einem Anfang Mai beschlossenen 10-Punkte-Plan ein umfassendes Konzept mit konkreten zusätzlichen Maßnahmen vorgelegt. Eine der darin enthaltenen Kernforderungen lautet beispielsweise, dass die Strafverfolgungsbehörden dauerhaft personell und technisch gut ausgestattet sind und die internationale Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden weiter gestärkt wird.

In den vergangenen Jahren haben wir zudem bereits das Herstellen, die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie lückenlos unter Strafe gestellt.

Der Kampf gegen Kinderpornografie hat viele Facetten, die sich ergänzen und nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten. Unabhängig von der Frage, ob der Missbrauch von Kindern selbst zugenommen hat, stellt sich zunehmend das Problem der Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten im Internet. Dies liegt an den Besonderheiten des Internets, in dem auch rechtswidrige Inhalte schnell verbreitet und anonym sowie ohne soziale Kontrolle konsumiert werden können.

Die Bekämpfung der Verbreitung von Kinderpornografie im Internet ist deshalb ein wichtiges Thema. Das dürfte weitgehend unbestritten sein. Auch ist das Internet kein rechtsfreier Raum. Ein rechtswidriges Verhalten dort kann selbstverständlich strafbar sein oder zivilrechtlich verfolgt werden.

Fraglich ist letztlich, mit welchen Maßnahmen die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte im Internet angemessen, rechtsstaatlich sauber und möglichst effektiv verhindert oder zumindest erschwert werden kann.

Bereits nach heutiger Rechtslage werden Kinderpornografie-Seiten, die sich auf deutschen Servern befinden, von den Internetprovidern heruntergenommen. Dieser direkte Zugriff ist im Ausland nicht möglich. Nur deshalb stellt sich die Frage nach Zugangssperren. Es geht hierbei aber nicht um eine Internetzensur -- es geht um die Bekämpfung krimineller Handlungen in einem ganz besonders gelagerten Fall.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird das Ziel verfolgt, den Zugang zu kinderpornografischen Inhalten zu erschweren. Uns ist bekannt, dass versierte Nutzer diese Sperrung technisch umgehen können. Es kommt aber auch darauf an, die Hemmschwelle, die an dieser Stelle in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, wieder signifikant zu erhöhen. Dem dient neben der Sperrung einzelner Seiten die Umleitung auf eine Stoppseite mit entsprechenden Informationen.

Grundlage der aktuellen Diskussion ist ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, der zunächst einmal aus Verfahrensgründen unverändert von den Koalitionsfraktionen übernommen wurde. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte durchgesetzt, dass zu diesem Gesetzentwurf Ende Mai eine Experten-Anhörung des Wirtschaftsausschusses stattfinden konnte. Die Anhörung hat deutlich gemacht, dass der Gesetzentwurf noch zahlreiche inhaltliche und rechtliche Fragen aufwirft. Insoweit hat sich die Erwartung der SPD-Bundestagsfraktion bestätigt, dass der Gesetzentwurf in einigen wesentlichen Punkten noch zu ändern ist, um am Ende zustimmungsfähig zu sein.

Neben weiteren Punkten hat die SPD-Bundestagsfraktion nach der Anhörung folgende Änderungsforderungen formuliert:

1. Verankerung des Subsidiaritätsprinzips:
Das BKA soll bei Internet-Seiten mit kinderpornografischen Inhalten verpflichtet werden, zunächst die Host-Provider zu kontaktieren, damit die Seiten gelöscht werden. Erst wenn das erfolglos bleibt, soll die Seite auf die Sperrliste gesetzt werden dürfen.

2. Richterliche Überprüfung:
Betroffene Seiten-Anbieter und Host-Provider sollen eine Benachrichtigung und eine Widerspruchsmöglichkeit gegen die Aufnahme auf die Sperrliste erhalten. Im Fall des Widerspruchs soll eine richterliche Kontrolle stattfinden, sofern das BKA die Sperrung fortführen will.

3. Datenschutz:
Da das Gesetz der Prävention dient, sollen Daten, die bei der Sperrung und der einzurichtenden Stoppseite anfallen, nicht zum Zwecke der Strafverfolgung genutzt werden dürfen. Seitens des BKA wurde in der Anhörung bestätigt, dass die anfallenden Daten nicht benötigt werden.

4. Spezialgesetzliche Regelung:
Zur eindeutigen Klarstellung, dass nur eine Sperrung von Internet-Seiten mit Kinderpornografie beabsichtigt ist, nicht jedoch von anderen Inhalten, fordern wir ein Spezialgesetz statt der bislang vorgesehenen Regelung im Telemediengesetz. Dies würde auch der systematischen Klarheit dienen.

Zudem wollen wir, dass die BKA-Liste von einem unabhängigen Gremium kontrolliert wird.

Mit unseren Kernforderungen greifen wir die wesentlichen Kritikpunkte der Experten auf, die sich aus der Anhörung ergeben haben. Zudem tragen wir Bedenken Rechnung, die in den letzten Wochen intensiv innerhalb der Internet-Community diskutiert wurden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat von Beginn an deutlich gemacht, dass wir nur eine gesetzliche Regelung auf klarer rechtsstaatlicher Grundlage mittragen werden.

Derzeit befinden wir uns in Verhandlungen mit der Unionsfraktion, unserem Koalitionspartner, um zu klären, welche Änderungen gemeinsam verabredet werden können. Erst am Ende dieser Verhandlungen wird feststehen, ob, wann und in welcher Form das Gesetz verabschiedet werden kann.

Bei unserem Einsatz gegen Kinderpornografie ist uns zudem wichtig, die Internet-Community aktiv mit einzubinden. Die SPD nimmt deren Bedenken und Anregungen sehr ernst. Der Kampf gegen kinderpornografische Inhalte im Internet wird umso erfolgreicher sein, wenn es gelingt, Unterstützung aus der Community zu gewinnen. Ich selbst habe in den letzten Wochen hierzu zahlreiche Gespräche geführt, auch mit der Initiatorin der diesbezüglichen E-Petition.

Zum Schluss noch eine Anmerkung zum Vorwurf, mit dem Gesetz würde eine Infrastruktur aufgebaut, die später für andere Zwecke genutzt werden kann:

Zum einen will die SPD-Fraktion mit einer spezialgesetzlichen Regelung klarstellen, dass es nur um diesen einen konkreten Fall, nicht jedoch um andere Inhalte geht.

Zum anderen wird in weiten Teilen der Öffentlichkeit verkannt, dass die fragliche Infrastruktur bereits im Aufbau ist, auch unabhängig vom Gesetz.

Tatsache ist, dass mit den bereits abgeschlossenen Verträgen zwischen dem Innenministerium bzw. BKA und Internet-Providern eine entsprechende Sperrung erfolgen wird, die den Endkundenmarkt weitgehend abdeckt. Dort wird also die Infrastruktur bereits aufgebaut. Die vertraglich gebundenen Provider haben nach meinen Informationen bereits mit dem Aufbau begonnen und werden voraussichtlich fristgemäß umsetzen. Ich habe auch keine Kenntnisse darüber, dass mit kurzfristigen Kündigungen zu rechnen ist, sollte es nicht zu einem Gesetz kommen. Eine mögliche verfassungsgerichtliche Klärung durch Dritte dürfte ebenfalls nicht kurzfristig zu erreichen sein.

Mein Kenntnisstand heute ist also: Die Infrastruktur wäre vorhanden, auch wenn das Gesetz nicht käme, nicht jedoch Schutzbestimmungen, die wir nur in einem Gesetz regeln können. Mit einer gesetzlichen Regelung streben wir dabei keineswegs die rechtliche Absicherung von -- durchaus fragwürdigen -- Verträgen an. Zweck ist vielmehr der Schutz der Internetnutzer, die Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze und die Sicherstellung eines transparenten Verfahrens. Dem dient beispielsweise die Kontrolle der BKA-Liste durch ein unabhängiges Gremium, das nach unseren Vorstellungen beim Datenschutzbeauftragten angesiedelt sein sollte.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen deutlich machen, dass die SPD-Fraktion sehr verantwortungsvoll mit dem Gesetzentwurf umgeht. Wir werben dafür, sowohl das Thema Kinderpornografie als auch das freie Internet mit der gebotenen Sensibilität zu behandeln. Der wichtige Kampf gegen Kinderpornografie im Internet und die Rechte der Internet-Nutzer schließen sich nicht aus. Wir sind in der Pflicht, beidem gerecht zu werden.

Mit freundlichen Grüßen

Martin Dörmann, MdB