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Martin Burkert
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Frage von Doris M. •

Frage an Martin Burkert von Doris M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Burkert!

Mich interessiert, wie Sie zu Riester-Rente stehen. Dank einer Sendung durch Monitor ist mir klar geworden,dass ich von meiner
Riester-Rente, in die ich bereits einzahle, keinen Cent erhalten werde. Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet die , die es nötig haben, aber aufgrund von Niedrig-Einkommen zur Grundsicherung nichts erhalten werden. Diese Tatsache ist ja eindeutig belegt. D.h. ich zahle für die , die es nicht so nötig haben.
Ich frage Sie : Warum begeht man eine derartige Ungerechtigkeit??
Dieses dem großen Kreis der Betroffenen zu verschweigen, ist schon in meinen Augen betrügerisch , d.h. kriminell.
Es sind vor allem oft alleinerziehende Frauen die es betrifft, die aber ihre Kinder für diesen Staat erziehen und deren Söhne oder Töchter dann noch evtll. ihr Leben in irgendeinem , von der Bevölkerung nicht gewollten Kriegseinsatz, hingeben sollen.
Wenn das so bleibt , dann schützt doch euren Staat alleine , aber ohne uns,denn dieser Staat ist dann nicht mehr unser Staat.

Man lässt diese Menschen einzahlen, von dem Wenigen das sie sowieso an Einkommen haben, d.h. diese Leute sparen es sich vom Munde ab, um im Rentenfall festzustellen: Ich bin betrogen worden.
Meine Frage : Was werden Sie dagegen tun? Welche Massnahmen ergreifen Sie im Bundestag um dies auf schnellsten Weg zu ändern?

Ich bitte um eine eindeutige Antwort.
Vielen Dank.

Ps.: Mal sehen ob das veröffentlicht wird.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Maresch,

vielen Dank für Ihren Eintrag auf meiner abgeordnetenwatch.de-Seite zum Thema Riesterrente. Gerne möchte ich Ihnen auf Ihre Frage antworten und Ihnen erläutern, warum sich die Riester-Rente gerade auch für Geringverdienende lohnt.

Die Monitor-Sendung vom 10. Januar 2008 setzte sich mit der Frage auseinander, ob die Riester-Rente Geringverdienenden zu empfehlen ist, oder ob nicht vielmehr auf steuerfinanzierte Grundsicherungszahlungen zu setzen sei. Die Sendung löste sicherlich bei Millionen von Menschen, die eine Riester-Rente abgeschlossen haben oder dies planen, heftige Verunsicherungen aus. Wie häufig bei solchen Vorgängen beruht ein erheblicher Teil des Konfliktes auf unzureichende Informationen und schlechter Kommunikation.

Bevor ich auf die Grundsicherung im Einzelnen eingehe, vorab zwei Bemerkungen:
Häufig beginnt das Missverständnis schon beim Begriff. Was wir heute als Grundsicherung bezeichnen, war früher die Sozialhilfe. Voraussetzung für diese steuerfinanzierte Aufzahlung zur Armutsvermeidung ist die Hilfebedürftigkeit des einzelnen Bürgers. Der Lebensunterhalt muss immer vorrangig durch den Einzelnen selbst getragen werden. Nur wer dazu nicht in der Lage ist, hat Anspruch auf steuerfinanzierte Grundsicherung. Die steuerfinanzierte Grundsicherung für hilfebedürftige Menschen sowie die ergänzende steuerunterstützte zusätzliche Altersvorsorge (Riester-Rente) wurden beide in den Jahren zwischen 2001 und 2005 neu geregelt. Aus beiden Regelungen ergeben sich erhebliche Verbesserungen zur Armutsvermeidung und Armutsminderung gegenüber der Situation vor der Einführung der Riester-Rente und der Grundsicherung. Die Grundsicherung für hilfebedürftige Menschen unterscheidet zwischen denjenigen, die noch arbeitsfähig sind, und denjenigen die dauerhaft erwerbsunfähig oder aus Altersgründen aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden sind. In beiden Fällen gilt aber immer der oben angeführte richtige Grundsatz, dass wenn Eigenmittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes vorhanden sind, diese vorrangig eingesetzt werden müssen.

Bei der Grundsicherung für hilfebedürftige Menschen, die erwerbsfähig sind, werden Ansprüche aus der Rentenversicherung und aus einem laufenden Riester-Vertrag aus zwei Gründen nicht zum Lebensunterhalt verwendet, sie bleiben unangetastet. Zum einen stehen Zahlungen ja gar nicht an und zum anderen sollen die bei Ausscheiden aus dem Erwerbsleben anstehende gesetzliche Rente und die Riester-Rente ja gerade für die Bestreitung des Lebensunterhaltes im Alter dienen. Darüber hinaus gilt bei der Auszahlung der Grundsicherung für hilfebedürftige Erwerbsfähige, dass in bestimmtem Umfang eigene Sparbeträge unberücksichtigt bleiben. Pro Lebensjahr des Hilfebedürftigen sind dies je 200 € Geldvermögen plus 200 €, die in nicht geförderten Altersvorsorgesparverträgen angesammelt worden sind. Für Menschen über 55 Jahre ist dieses so genannte Schonvermögen noch höher.

Im Alter dienen vorhandene Rentenzahlungen, ob aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus einer Betriebsrente oder einer Riester-Rente sowie eigene Sparbeträge und sonstige Vermögensbestandteile, ja gerade zur Bestreitung der eigenen Lebensunterhaltskosten. Als hilfebedürftig gelten die Menschen, die trotz vorhandener eigener Mittel – dazu zählen im Übrigen auch Unterhaltsansprüche gegenüber dem Ehepartner oder dem Lebenspartner – nicht in der Lage sind, die eigene Grundversorgung im Alter zu finanzieren. Nur sie erhalten eine Aufstockung auf ihre Eigenmittel, um den Grundbedarf im Alter abdecken zu können. Gegenwärtig sind dies nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes ca. 2,5 % der über 65-Jährigen.
Bei der Höhe dieses Grundbedarfs gibt es in beschränktem Umfang Unterschiede. Dies liegt daran, dass die Lebensunterhaltskosten nicht überall in Deutschland gleich hoch sind. Zuständig für die Festlegung der Höhe und die Prüfung, ob Hilfebedürftigkeit vorliegt, sind deshalb die Sozialämter der jeweiligen Kommunen.

Aus all dem Gesagten ist sicher klar zu erkennen, dass Grundsicherung weder ein allgemeiner Anspruch für jeden ist, sondern nur für die oben beschriebenen Hilfebedürftigen, und dass Grundsicherung kein Grundrentenanspruch ist.

Die Höhe der Sozialversicherungsrente richtet sich zum einen grundsätzlich nach der Höhe der jährlichen Rentenversicherungsbeiträge und der Dauer der Einzahlungen. Sie beruht auf eigenen Zahlungen während der sozialversicherungspflichtigen Erwerbszeit. Die Riester-Rente ist eine ergänzende, im hohen Umfang steuerunterstützte, Sparrente.

Gemessen an der Eigenleistung erhalten gerade Geringverdienende und Alleinerziehende die höchsten steuerfinanzierten Zulagen, um gerade auch ihnen durch Eigenbeiträge mitfinanzierte eigene zusätzliche Rentenansprüche zu ermöglichen. Bei diesen Bevölkerungsgruppen, aber beispielsweise auch bei Menschen die Grundsicherung zum Zeitpunkt der Erwerbsfähigkeit erhalten haben (Hartz IV), machen die steuerfinanzierten Zuschüsse häufig bis zu 90 % des Sparbetrags aus.

In der gegenwärtigen Diskussion werden nun teilweise Forderungen erhoben, den Grundsatz, bei Hilfebedürftigkeit erst eigene Mittel einzusetzen, zu verlassen, um zuerst eine durch die Steuerzahler finanzierte Grundsicherung zu erhalten und erst darauf aufbauend dann eigene Mittel einzusetzen.
Bevor ich auf die dadurch resultierenden Wirkungen eingehe, möchte ich auf folgendes hinweisen. Dies war weder die Absicht des Gesetzgebers bei der Entwicklung der Grundsicherung, noch war es eine Forderung von Sozialverbänden oder Dritten, die im großen Umfang bei der Entwicklung des Gesetzes durch Anhörungen einbezogen waren. Wenn heute also teilweise Stimmen aufkommen, sie hätten die Grundsicherung für Hilfebedürftige und die Berücksichtigung eigener Rentenbeiträge anders verstanden, kann dies nur überraschen.

Die Beurteilung, welche Wirkungen entstehen, wenn die Eigenmittel von Hilfebedürftigen nicht vorrangig eingesetzt werden, beginnt schon bei der Klärung der Vorfrage, welche Eigenmittel dies sein sollen. Sozialversicherungsrente und die Riester-Rente sind eigene Sparbeträge, um damit das Leben im Alter zu bestreiten. Anders als bei der Riester-Rente resultiert allerdings die Sozialversicherungsrente ausschließlich aus eigenen Vorleistungen in Form von Rentenversicherungsbeiträgen.
In der Riester-Rente stecken in erheblichem Umfang auch Steuermittel. Das heißt, wenn man bei der Beurteilung, ob jemand hilfebedürftig ist, die Riester-Rente ganz oder teilweise unberücksichtigt lassen würde, müsste man nach dieser Logik ja auch die ausschließlich eigenfinanzierte Sozialversicherungsrente unberücksichtigt lassen.
Und wie verhält es sich mit den eigenen Sparbeträgen? Hier sieht gegenwärtig die Grundsicherung im Alter vor, dass bei alleinstehenden Personen ein Betrag bis zu 2.600 Euro unberücksichtigt bleibt. Bei darüber hinausgehenden Sparbeträgen stünde aber die Frage an, warum diese berücksichtigt werden sollen, wenn Rentenansprüche der Riester-Rente, die ja teilweise zu einem erheblichen Teil aus Steuerzuschüssen aufgebaut wurde, nicht oder nur teilweise berücksichtigt werden.
Völlig klar ist allerdings, dass mit einem solchen Vorgehen der Kreis der Hilfebedürftigen sofort erheblich ausgeweitet wird, weil vorhandene eigene Mittel ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben. Gegenwärtig gehen die Kommunen im Schnitt von einem Betrag von ca. 680 Euro aus, der für den Grundbedarf erforderlich ist. Wer ihn durch eigene Renten oder sonstige Einkünfte nicht erreicht, erhält Aufstockungszahlungen in Form der Grundsicherung. Eine solche Veränderung würde den Betrag von 680 Euro im Durchschnitt schlagartig um die heraus gerechneten Eigenbeiträge erhöhen. Hilfebedürftig wäre dann nicht nur derjenige, der aus Eigenmitteln die Grundanforderungen für die Lebenshaltung nicht finanzieren kann, sondern auch derjenige, dem nach Herausrechnung eigener Spar- oder Rentenbeträge unter Zahlung der Grundsicherung ein deutlich höheres Einkommen zur Verfügung steht.

Durch die enorme Ausweitung von Teilzeitarbeit, von Arbeitsplätzen, bei denen man nur Hungerlöhne erhält, die unterhalb des Sozialhilfeniveaus liegen, von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen sowie von Selbständigkeit und Scheinselbständigkeit resultiert im Regelfall nicht nur ein sehr geringes Einkommen, sondern häufig nur geringe oder gar keine Renteneinzahlungen. Dies ist die eine Tendenz. Die andere Tendenz ist, dass immer mehr Menschen erkennen, dass über die Leistungen der Sozialversicherungsrente hinaus Rücklagenbildung für das Alter erforderlich ist. Die größten Fortschritte haben wir dabei bei der Riester-Rente (10 Millionen) und der betrieblichen Altersvorsorge (17,3 Millionen) erzielt.
Die Monitor-Sendung hat Verunsicherungen bei vielen Millionen Menschen ausgelöst. Sollte dadurch der positive Trend zusätzlicher Altersvorsorge unterbrochen werden, oder sich gar rückläufig entwickeln, wäre dies für die Altersvorsorge – insbesondere der Geringverdiener – katastrophal.

Ich bin überzeugt, dass die Botschaft an Geringverdienende, möglichst keinen eigenen Riester-Vertrag abzuschließen, sondern vielmehr auf Steuerunterstützung bei Hilfebedürftigkeit im Alter zu setzen, in doppelter Weise eine fatale Wirkung hat:
Selbst wenn wir nur die persönliche Interessenlage geringverdienender Menschen betrachten, so wird in der Regel niemand in jüngeren oder mittleren Jahren davon ausgehen können, dass er tatsächlich als Hilfebedürftiger ab dem 65. Lebensjahr bis zum Lebensende steuerfinanzierte Unterstützung erhalten wird. Die Wirkung einer ergänzenden Altersvorsorge ist aber, gerade wenn man sie in jüngeren Jahren oder bis zum 50. Lebensjahr abschließt, besonders positiv. Durch längere und damit deutlich höhere Zulagen und den Zinseszinseffekt entstehen ja erst nennenswerte eigene Rentenansprüche. Darüber hinaus wird mit der Behauptung, eine Riester-Rente lohne sich nicht, weil im Alter bei Hilfebedürftigkeit Anspruch auf eine durch Steuern finanzierte Grundsicherung besteht, eine, wie ich finde, höchst bedenkliche Grundhaltung deutlich, die der staatlichen Fürsorgeleistung Vorrang vor der Eigenverantwortung des Einzelnen für sein Leben einräumt. Finanziert wird dies dann allerdings nicht abstrakt vom Staat, sondern die Konsequenzen zahlen die zukünftigen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Mit so einer Grundeinstellung könnte man auch alle anderen Sparvorgänge und vor allem aber auch alle rentenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeiten einstellen und auf die Versorgung durch das Gemeinwesen (nicht erst im Alter) vertrauen.

Sehr geehrte Frau Maresch, ich hoffe, ich konnte Ihre Bedenken aus dem Weg räumen.

Mit freundlichen Grüßen nach Feucht

Martin Burkert