Frage an Martin Burkert von Jürgen K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Burkert,
als Wähler muss bzw. darf man sich bei der Bundestagswahl für eine Partei entscheiden.
Wenn man sich bei seiner Entscheidung an den Wahlprogrammen der Parteien orientieren will, findet man bei fast allen Parteien Programmpunkte, die man unterstützen will. Aber man findet in jedem Programm wenigstens einen Punkt, den man ablehnt. Bei einigen Parteien finden sich mitunter sogar widersprechende Programmpunkte.
Was halten Sie von dem Vorschlag, dass bei zukünftigen Bundestagswahlen nicht nur Parteien und ihre Kandidaten sondern auch die einzelnen Punkte ihres Wahlprogramms zur (formal unverbindlichen) Wahl stünden?
Meiner Meinung nach hätte dies folgende Vorteile:
- Die Inhalte der Parteien bekämen mehr Aufmerksamkeit.
- Die Wähler hätten dann die Möglichkeit einzelne Programmpunkte einer Partei mehrheitlich abzulehnen.
- Die Wähler hätten mehr Einfluss auf die Inhalte. -> Die Wahlbeteiligung könnte deshalb steigen.
Mit freundlichen Grüßen
J. K.
Sehr geehrter Herr K.,
ich bedanke mich vielmals für Ihre Anfrage und freue mich sehr über Ihren konstruktiven Vorschlag zur Stärkung der demokratischen Teilhabe. Ihre Idee, dass Parteien bei künftigen Bundestagswahlen nicht nur Kandidaten, sondern auch einzelne Punkte ihres Wahlprogramms (formal unverbindlich) zur Wahl stellen, finde ich sehr interessant.
Wie Sie richtigerweise ansprechen, muss die Politik einen Weg finden, um der stetig sinkenden Wahlbeteiligung etwas entgegenzusetzen. Das kann in der Tat gelingen, indem man die Wähler durch Möglichkeiten der aktiven Politikgestaltung zur Teilhabe am politischen Prozess motiviert.
Von „Stimmungstests“ zu einzelnen Programmpunkten könnten auch die Parteien profitieren, denn politische Inhalte erhielten generell eine höhere öffentliche Aufmerksamkeit und Wählerinnen und Wähler könnten auf unkomplizierte Art und Weise deutlich machen, wie sie zu den einzelnen Themen stehen. Diese Eingaben könnten durchaus in den politischen Willensbildungsprozess der Parteien einfließen.
Zudem lebt der demokratische Prozess von der öffentlichen Diskussion, die sich durch solche Abstimmungen zu Programmpunkten sicherlich anregen ließe. Nichtsdestotrotz ist und bleibt demokratische Politik immer auch ein Kompromiss. Das gilt nicht nur für die Wählerinnen und Wähler, die sich an der Wahlurne für eine Partei entscheiden, sondern natürlich auch für diejenigen, die Politik gestalten. Parteiprogramme verstehen sich daher stets als Ausdruck eines Mittelwegs zwischen verschiedenen persönlichen Meinungen, Interessen und Schwerpunkten. Sie sollen politische Orientierung bieten und diejenigen ansprechen, die in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen eine ähnliche Einstellung haben.
Ob Wahlprogramme mehr bieten müssten und ob man sie deswegen um die Möglichkeit der Abstimmung zu einzelnen Inhalten erweitern sollte, sollte aus meiner Sicht parteiintern diskutiert und zur Abstimmung gestellt werden. Sehr gerne bin ich bereit, nach der Wahl in meiner eigenen Partei einen Diskussionsprozess darüber anzustoßen, wie die Wahlbeteiligung erhöht werden kann. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich an dieser Diskussion beteiligen.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Burkert