Frage an Martin Burkert von Karl P. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Burkert,
die Bundesregierung will per Grundgesetzänderung in 13 Artikeln für die Privatisierung der Autobahnen, der Infrastruktur und sogar der Schulen die Tür öffnen
Wie die taz heute berichtet, will die große Koalition ihre Grundgesetzänderung zur Autobahnprivatisierung nicht nur morgen, also am Donnerstag, 01.06.2017 in 2. und 3. Lesung im Bundestag beschließen.
Das Grundgesetz soll bereits weniger als 24 Stunden später, am Freitag, 02. Juni 2017 endgültig vom Bundesrat abschließend geändert werden. Die Grundgesetzänderung soll dafür per Bote vom Bundestag in den Bundesrat überbracht und in der laufenden Sitzung auf die Tagesordnung gehoben werden. Das ist wirklich der Gipfel der Frechheit.
Denn schließlich handelt es sich hierbei um die größte Grundgesetzänderung seit der Föderalismusreform aus dem Jahr 2006.
Die SPD und die Grünen hätten eigentlich die Möglichkeit die Änderung zu verhindern. Die SPD propagierte, sie wolle die Autobahnprivatisierung mit allen Kräften verhindern. Der nun vorliegende Gesetzesentwurf entlarvt jedoch die Große Koalition und das, was viele weiterhin befürchtet hatten: Die Autobahnen sollen privatisiert werden.
Wie stehen sie zu dieser Thematik?
Sollte die SPD hier zustimmen wird sie zumindest für mich unglaubwürdig.
Mit freundlichen Grüßen
Karl Pausch
Sehr geehrter Herr Pausch,
ich danke Ihnen für Ihre Nachricht auf abgeordnetenwatch.de zur Abstimmung im Bundestag vergangenen Donnerstag zur Infrastrukturgesellschaft.
Mitte Februar hatte der Bundestag zum ersten Mal über dieses Gesetzespaket beraten und es zur weiteren Beratung federführend an den Haushaltsausschuss überwiesen. Wir als SPD-Fraktion hatten von Anfang an klargemacht, dass wir dieses umfangreiche Paket nicht einfach auf die Schnelle durchwinken wollten. Wir haben mit unserem Koalitionspartner lange und intensiv verhandelt und sorgfältig geprüft, um überall dort gute Ergebnisse durchzusetzen, wo wir dies für zwingend erforderlich hielten.
Über viele Wochen und Monaten begleiteten insbesondere die federführende Arbeitsgruppe Haushalt, sowie die mitberatenden Arbeitsgruppen Verkehr und Wirtschaft dieses Thema intensiv. Unsere Abgeordneten haben unzählige Gespräche geführt mit Gewerkschaftsvertretern, Personalvertretungen, den Beschäftigten der Landesstraßenbauverwaltungen, mit Verfassungsrechtlern, Ökonomen, dem Bundesrechnungshof und vielen anderen mehr. Die eingebrachten Argumente haben wir sehr ernst genommen – genauso wie die Bedenken, die uns von vielen Bürgern übermittelt wurden.
Der Bundestag hat für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in den vergangenen Jahren deutlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt, auch um den Investitionsstau unserer Straßen zu beenden. Organisatorische Mängel verhindern zum Teil, dass das zur Verfügung stehende Geld für den Bau von Bundesfernstraßen zielgenau und an verkehrlichen Maßstäben orientiert abfließen kann. Auch bei Planung und Betrieb gibt es mancherorts unbestreitbaren Optimierungsbedarf. Eine Reform dieser Strukturen war deshalb geboten.
Neben einer Reform der Auftragsverwaltung war hierzu schon länger die Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft im Gespräch, die Planung, Bau und Betrieb in die Hände des Bundes legt. da der Bund am besten in der Lage ist, seine eigenen Prioritäten umzusetzen und das angesichts des Nachholbedarfs in der Verkehrsinfrastruktur auch notwendig ist. Die Arbeitsgruppen Verkehr, Wirtschaft und Haushalt der SPD-Bundestagsfraktion hatten dazu ein Konzept vorgelegt.
Der von der Bundesregierung ursprünglich vorgelegte Entwurf hat den verkehrspolitischen Anforderungen jedoch nicht ausreichend Rechnung getragen und wies vor allem gravierende und grundlegende Mängel hinsichtlich Privatisierung, Struktur, Beteiligung der Politik und Mitarbeiterrechten auf. Er war daher für uns nicht zustimmungsfähig.
Für die SPD-Bundestagsfraktion war immer klar, dass die Autobahnen und Bundestraßen in Deutschland dauerhaft zu 100 Prozent in öffentlicher Hand bleiben müssen: 100 Prozent Staat, 0 Prozent privat. Bundesfinanzminister Schäuble hatte ursprünglich die Absicht, 49 Prozent an private Investoren zu verkaufen. Das konnten wir in der Bundesregierung verhindern, noch bevor das Gesetzgebungsverfahren den Bundestag erreicht hat. Wir konnten eine doppelte Privatisierungsschranke im Gesetzentwurf der Regierung zur Änderung des Grundgesetzes durchsetzen. Im Grundgesetz selbst ist deswegen nun in Artikel 90 geregelt, dass nicht nur die Bundesfernstraßen selbst im unveräußerlichen, 100-prozentigen Eigentum des Bundes stehen, sondern auch die Infrastrukturgesellschaft, die für deren Planung, Bau und Betrieb zuständig sein wird.
Weil Autobahnen Teil der öffentlichen Infrastruktur und Daseinsvorsorge sind, wollten wir sicherstellen, dass Entscheidungen über Neubau, Ausbau und Sanierung weiterhin dem Allgemeinwohl dienen und grundsätzlich vom demokratisch gewählten Parlament getroffen und kontrolliert werden. Dieser Aspekt kam in den ursprünglichen Gesetzentwürfen der Regierung zu kurz. Deswegen wollten wir auch hier Veränderungen durchsetzen.
Genauso wichtig war für uns Sozialdemokraten aber, dass die neue Gesellschaft von Anfang an ein verlässlicher Arbeitgeber für die Tausenden von Beschäftigten wird, die von den Straßenbauverwaltungen und Autobahndirektionen der Länder zum Bund wechseln werden.
Nun, nach vielen Wochen intensiver Verhandlungen, wichtiger Gespräche und zahlreicher Beratungen haben wir vergangene Woche schließlich darüber abgestimmt. Der Weg dorthin war schwierig und von Bedenken geprägt – nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern, auch bei uns in der Arbeitsgruppe Verkehr und in der Landesgruppe Bayern der SPD-Bundestagsfraktion gab es viel Diskussionsbedarf.
Das Ergebnis der Verhandlungen, Gespräche und Beratungen war aber schlussendlich zufrieden stellend, wichtige Bedenken konnten aus dem Weg geräumt werden. Wäre das nicht der Fall gewesen, hätten wir nicht zugestimmt.
Dennoch gibt es weiterhin viele Vorwürfe. Vorwürfe, die ich nun richtig stellen und darüber aufklären möchte – da mir klar ist, dass es schwierig ist, so gravierende Vorwürfe zu beseitigen, zumal sie von manchen Kreisen weiter geschürt werden – ungeachtet der tatsächlichen Verhandlungsergebnisse.
Vorgeworfen wird dem Vorschlag zur Bundesfernstraßengesellschaft vor allem, er ermögliche Privatisierungen durch die Hintertür. Festgemacht wird dies an der Rechtsform der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Ich möchte ganz deutlich darauf hinweisen: Es gibt bereits zahlreiche Beispiele – zum Beispiel die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) – die beweisen, dass eine GmbH in öffentlichem Besitz nicht gewinnorientiert sein muss. Deutschland organisiert zum Beispiel auch einen Großteil seiner internationalen Entwicklungshilfe über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die ebenfalls eine GmbH ist. Trotzdem hat wohl noch niemand ernsthaft behauptet, Deutschland habe seine Entwicklungshilfe privatisiert.
Die von der SPD verhandelten Begrenzungen und dauerhaften Schranken für die Privatisierung waren daher eine zwingende Voraussetzung für meine Zustimmung zur Infrastrukturgesellschaft.
Wichtig für mich ist, dass mit der vorliegenden Reform das wirtschaftliche Eigentum der Bundesfernstraßen unveräußerlich beim Bund bleibt. Eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung Dritter an der Infrastrukturgesellschaft und deren Tochtergesellschaften wird in Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes ausgeschlossen. Damit ist klar: die Gesellschaft bleibt zu 100 Prozent staatlich, null Prozent privat!
Die neue Gesellschaft ist lediglich für die Verwaltung zuständig, auch die Übertragung von Nießbrauch-Rechten – also die gewinnbringende Nutzung durch die Gesellschaft – ist ausgeschlossen. Die Gesellschaft wird auch nicht als Mautgläubigerin auftreten. Eine funktionale Privatisierung durch die Übertragung eigener Aufgaben der Gesellschaft auf Dritte ist ebenfalls nicht möglich, z.B. durch sogenannte Teilnetz-ÖPP. In Artikel 90 Absatz 2 des Grundgesetzes wird dazu der Satz eingefügt: „Eine Beteiligung Privater im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften ist ausgeschlossen für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentliche Teile davon umfassen.“
Einfachgesetzlich wird geregelt, dass Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) nur auf der Ebene von Einzelprojekten bis maximal 100 Kilometer Länge erfolgen, die nicht räumlich miteinander verbunden sein dürfen. ÖPP für Streckennetze, die das gesamte Bundesautobahnnetz oder das gesamte Netz sonstiger Bundesfernstraßen in einem Land oder wesentlicher Teile davon umfassen, sind ausgeschlossen! Es werden auch Möglichkeiten zur Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren ausgeschlossen, die bislang noch bestehen. Hier ist der Gesetzentwurf ein echter Fortschritt! Dem Deutschen Bundestag – namentlich dem Haushalts- und dem Verkehrsausschuss – werden erst durch diese Reform neue, wichtige Kontrollmöglichkeiten eingeräumt, die wir auch im Sinne der Interessen der Bürgerinnen und Bürger nutzen werden.
Bereits vor dieser Reform hatte die Koalition im aktuellen Bundesverkehrswegeplan den Anreiz für ÖPP gemindert, da Gelder nicht mehr nach Ländern sondern nach Prioritäten vergeben werden. Auch durch die neu eingeführten, realistischeren Wirtschaftlichkeitsberechnungen werden ÖPP reduziert, ebenso wie das in der neuen Gesellschaft eingeführte Planungsprinzip nach der Lebenszeit.
Noch einmal zur Klarstellung: Eine öffentlich-private Partnerschaft ist nicht das gleiche wie Privatisierung. Aber selbst wenn man das annehmen möchte, gilt zweitens: ÖPP sind immer nur dann erlaubt, wenn sie wirtschaftlicher sind als die herkömmliche Beschaffung (Staat bzw. Gesellschaft bauen und betreiben selbst). Drittens und aus meiner Sicht am Wichtigsten: ÖPP bleibt auf Einzelprojekte beschränkt, und durch die von uns durchgesetzte Grundgesetzänderung ist es dauerhaft verboten, ein ÖPP-Projekte an das andere zu setzen, bis irgendwann wesentliche Teile des Autobahnnetzes oder des Bundesstraßennetzes in einem Bundesland als ÖPP betrieben werden.
Mit diesen Grundgesetzänderungen und vielen einfachgesetzlichen Änderungen wird also sichergestellt, dass auch theoretisch mögliche Hintertüren für eine Privatisierung fest verschlossen sind. Vieles, was bislang rechtlich möglich gewesen wäre bei der Einbeziehung privater Betreiber und institutioneller Investoren, ist erst jetzt erstmals rechtlich ausgeschlossen. Manche Kritiker haben uns als SPD in den vergangenen Wochen unterstellt, mit den Grundgesetzänderungen würden wir die Türen für eine Privatisierung öffnen. Das Gegenteil ist richtig: Wir schließen Türen, die bislang offen standen.
Dies hat uns auch der Bundesrechnungshof (BRH) bestätigt, der das Gesetzgebungsverfahren mit mehreren Berichten begleitet hat. Ich weise in diesem Zusammenhang auf den Bericht des BRH vom 24. Mai 2017 hin, in dem der BRH die Empfehlungen aus seinen Berichten mit den Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen abgleicht und zusammenfassend u.a. zu folgenden Ergebnissen kommt:
„Der Änderungsantrag berücksichtigt in weiten Teilen die Anregungen des Bundesrechnungshofes zur Organisation der Infrastrukturgesellschaft. Danach muss das Parlament einem möglichen Rechtsformwechsel der Infrastrukturgesellschaft zustimmen. Darüber hinaus ist jegliche Privatisierung der Bundesautobahnen ausgeschlossen. Die Gründung von regionalen Tochtergesellschaften ist nicht mehr zwingend vorgegeben, sondern steht nunmehr im Ermessen der Infrastrukturgesellschaft. Der Änderungsantrag enthält Regelungen zur Finanzierung der Infrastrukturgesellschaft, die die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes berücksichtigen. So soll auch künftig der Bundesautobahnbau über den Bundeshaushalt finanziert werden. Dazu sollen der Infrastrukturgesellschaft Mauteinnahmen zur Verfügung gestellt werden. Überdies soll der Einfluss des Parlamentes auf die Verwaltung der Bundesautobahnen gewahrt bleiben. Anstatt der ursprünglich geplanten staatsfernen soll eine staatsnahe Infrastrukturgesellschaft entstehen. Zudem sollen die Kreditfähigkeit der Infrastrukturgesellschaft eingeschränkt sowie stille Gesellschaften und Unterbeteiligungen verhindert werden.“
Im Ergebnis haben wir also als SPD die doppelte Privatisierungsschranke des Regierungsentwurfs (Bund ist 100-prozentiger Eigentümer erstens der Autobahnen und zweitens der Autobahngesellschaft) mit weiteren Privatisierungsschranken verstärkt.
Ich möchte noch einmal folgende Punkte zusammenfassend klarstellen und irreführende Behauptungen entkräften:
‒ Die Infrastrukturgesellschaft wird nicht kreditfähig. Damit ist die Gefahr einer Aufnahme von privatem Kapital zu hohen Zinsen gebannt. Um effizient wirtschaften zu können, kann die Gesellschaft aber Liquiditätshilfen (zinslose Darlehen) aus dem Bundeshaushalt erhalten, wie andere Bundesgesellschaften auch.
‒ Eine Übertragung von sog. Altschulden auf die Gesellschaft wurde ausgeschlossen.
‒ Das wirtschaftliche Eigentum an den Bundesautobahnen geht nicht an die Gesellschaft über, sondern bleibt beim Bund. Die Übertragung und die Überlassung von Nießbrauch-Rechten und anderen Rechten wurden ausgeschlossen.
‒ Mautgläubiger der LKW-Maut und der PKW-Maut bleibt der Bund. Die Option, dass die Gesellschaft das Mautaufkommen direkt vereinnahmen kann, wurde gestrichen.
‒ Die neue Gesellschaft wird als GmbH errichtet und damit als juristische Person des privaten Rechts. Es ist grob irreführend, „privatrechtlich“ mit „Privatisierung“ gleichzusetzen.
‒ Genauso irreführend ist die Behauptung, durch die Zulässigkeit einzelner ÖPP-Projekte werde die Privatisierung eben doch noch ermöglicht.
Uns Sozialdemokraten war aber nicht nur der Ausschluss von Privatisierungsoptionen wichtig, sondern auch die Zukunft der ca. 11.000 Beschäftigten, die gegenwärtig in den Straßenbauverwaltungen der Länder beschäftigt sind und künftig zum Bund wechseln sollen. Der Gesetzentwurf von Herrn Schäuble und Herrn Dobrindt sah eine quasi „mitbestimmungsfreie“ Übergangszeit von über vier Jahren vor und keine Tarifverhandlungen und -verträge für die zu gründende Gesellschaft vor. In enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften haben wir die Rechte der Beschäftigten beim geplanten Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder auf den Bund festgeschrieben. Wir haben die Kernforderungen der Gewerkschaften durchgesetzt, um die berechtigten Interessen der Beschäftigten zu schützen und eine leistungsfähige neue Organisation zu schaffen, die ein attraktiver Arbeitgeber wird. So wird der Bund alle wechselbereiten Beschäftigten (Beamte, Arbeitnehmer und Auszubildende) unter Wahrung ihrer Besitzstände übernehmen (keine „Rosinenpickerei“). Nicht wechselbereite Beschäftigte bei Ländern und Kommunen werden weiterbeschäftigt, deren Personalkosten werden voll erstattet. Für die Beschäftigten bei der Gesellschaft sind Tarifverträge abzuschließen. Für die Überleitung der Beschäftigten werden Überleitungstarifverträge angestrebt. Beides wird gesetzlich geregelt. Die Personalvertretungen werden an der Arbeit des begleitenden Bund-Länder-Gremiums beteiligt, sofern Belange der Beschäftigten berührt sind. Ich habe mich als Gewerkschafter stark an den Forderungen von ver.di orientiert. Ich freue mich, dass ver.di in der SPD Bundestagsfraktion die Zustimmung empfohlen hat! Die Verhandlungsergebnisse im Sinne der Beschäftigten und das Votum der Gewerkschaften waren für mich notwendige Voraussetzungen für meine Zustimmung.
Für das Personal haben wir, noch einmal zusammengefasst, konkret folgende Punkte erreicht:
1. Zum Personalübergang von den Straßenbauverwaltungen der Länder werden – abweichend vom Regierungsentwurf – die Mitbestimmung der Beschäftigten gestärkt, die Freiwilligkeit zum Prinzip erhoben und die vorgesehenen Eingriffe in die Tarifautonomie korrigiert – Kernforderungen der Gewerkschaften werden damit umgesetzt.
2. Der Bund wird alle wechselbereiten Beschäftigten (bis zu 11.000 Beamte, Arbeitnehmer und Auszubildende) unter Wahrung ihrer Besitzstände übernehmen (keine „Rosinenpickerei“). Nicht wechselbereite Beschäftigte bei Ländern und Kommunen werden weiterbeschäftigt, deren Personalkosten werden den Ländern voll erstattet.
3. Das Widerspruchsrecht wird unmissverständlich verankert: Die Vorschriften des § 613a BGB über den Betriebsübergang finden analog Anwendung. Die Weiterverwendung erfolgt grundsätzlich am bisherigen Arbeitsplatz und Arbeitsort.
4. Für die Beschäftigten bei der Gesellschaft sind Tarifverträge abzuschließen. Für die Überleitung der Beschäftigten werden Überleitungstarifverträge angestrebt. Beides wird gesetzlich geregelt.
5. Die Personalvertretungen werden an der Arbeit des begleitenden Bund-Länder-Gremiums beteiligt, sofern Belange der Beschäftigten berührt sind.
6. Der Übergang erfolgt zügig, die neue Struktur soll schnell leistungsfähig sein. Die Gesellschaft soll deutlich früher den Betrieb aufnehmen als zum 1. Januar 2021, wie im Regierungsentwurf vorgesehen. Sie wird 2018 gegründet. Ferner wird die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) zum 1. Januar 2019 auf die neue Gesellschaft verschmolzen, anstatt ihre Aufgaben scheibchenweise zu übertragen und die VIFG dann aufzulösen.
7. Die Auftragsverwaltung kann schon vor dem 31. Dezember 2020 beendet werden. Die Gesellschaft kann ab dem 1. Januar 2020 im Einvernehmen mit dem jeweiligen Land die Planung und den Bau von Bundesautobahnen wahrnehmen.
8. Sobald ein Land sein auf die Gesellschaft zu übertragendes Personal und die Sach-mittel vollständig übertragen hat, übernimmt der Bund auch vor 2021 die Kosten für die vom Bund veranlassten Planungen. Damit wird Fehlanreizen für die Länder bei ihren Planungsleistungen entgegengesteuert.
Dennoch. Es gibt keine Gewissheit, dass die gewünschte größere Effizienz und Effektivität bereits in absehbarer Zeit tatsächlich erreicht werden können. Durch die Umstellung von den Ländern auf den Bund sind auch Effizienzverluste möglich. Wichtig ist deshalb, dass der Gesellschaftsvertrag entsprechend im Sinne einer effizienten Arbeitsweise der neuen Gesellschaft gestaltet wird. Durch unsere durchgesetzten Änderungen am Gesetz wird hierfür das Parlament zuständig sein. Die Informations- und Steuerungsrechte des Bundestages bleiben gewahrt. Der Gesellschaftsvertrag der GmbH und wesentliche Änderungen der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. Mitglieder des Deutschen Bundestages werden im Aufsichtsrat der Gesellschaft vertreten sein. Der fünfjährige Finanzierungs- und Realisierungsplan der Gesellschaft bedarf der vorherigen Zustimmung durch den Haushaltsausschuss und den Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages. Eine unabhängige externe Prüfung der Haushalts- und Wirtschaftsführung der Gesellschaft sowie möglicher Töchter wird sichergestellt, indem entsprechende Prüfrechte des Bundesrechnungshofes verankert werden. Aus der ursprünglich geplanten staatsfernen Gesellschaft ist somit eine staatliche Gesellschaft geworden, die demokratischer Kontrolle unterliegt.
Schließlich gab es bei der Abstimmung über die so genannte Infrastrukturgesellschaft für uns Abgeordnete auch die anderen Aspekte des Gesetzes zu berücksichtigen. Denn es wurden im Rahmen der Reform der Bund-Länder-Beziehungen zwei weitere wichtige, umfassende Änderungen mit abgestimmt: nämlich die Einschränkung des Kooperationsverbots, das 3,5 Mrd. Euro umfassende Investitionsprogramm für finanzschwache Kommunen z.B. zur Sanierung von Schulgebäuden, und der Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende, den diese erhalten, wenn das eigentlich unterhaltspflichtige Elternteil nicht zahlt. Das Leben vieler Menschen wird sich dadurch also spürbar verbessern. Wir Abgeordnete waren also in einer sehr schwierigen Abwägungszwickmühle und mussten uns entscheiden. Nach Abwägung all dieser Dinge und angesichts der Tatsache, dass die wesentlichen Mängel der Infrastrukturgesellschaft Verkehr einfachgesetzlich behoben werden können, habe ich schließlich dem Gesetzentwurf zugestimmt.
Hinweisen möchte ich zum Schluss noch darauf, wie es zu der Verquickung dieser drei unterschiedlichen Themen – Infrastrukturgesellschaft, Kooperationsverbot und Unterhaltsvorschuss – kam. Ausgangspunkt dieses Gesetzgebungsverfahrens war eine Einigung zwischen allen 16 Landesregierungen und der Bundesregierung im Oktober und Dezember 2016 über ein Paket von Maßnahmen, die zum Teil Änderungen des Grundgesetzes erforderten, zum Teil einfachgesetzlich geregelt werden sollten. Die Bundeskanzlerin hat also mit allen Ministerpräsidenten – und darauf möchte ich hinweisen: von CDU, CSU, SPD, Grüne und Linke! – dieses dreigliedrige Bund-Länder-Finanzpaket mit 16 zu 0 beschlossenen. Und noch ein Hinweis meinerseits: Dabei handelt es sich um kein verfassungsmäßiges Organ.
Der Zeitplan für die Beschlussfassung zu diesem umfangreichen Gesetzpaket am 1. Juni war im Übrigen kein Gesetzgebungsverfahren „im Sauseschritt“, wie vielfach öffentlich moniert wurde. Von „hopplahopp“ kann keine Rede sein. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es die 16 Ministerpräsidenten waren – darunter auch Herr Ramelow von den LINKEN, Herr Kretschmann von den GRÜNEN, CSU-Chef Seehofer sowie alle Länderchefs der CDU und SPD – die die Partei- und Koalitionsspitzen von Union und SPD ursprünglich massiv gedrängt haben, bereits vor zwei Monaten, am 31. März (!), in 2./3. Lesung im Bundestag dieses Paket mit damals schon 13 Grundgesetzänderungen beschließen zu lassen. Deshalb war es für uns Parlamentarier ein wichtiger Erfolg, dass wir uns letztendlich mit einer monatelangen Befassung und mehrstündigen Debatte am 1. Juni gegen die Exekutive in Bund und Ländern durchsetzen konnten.
Mit freundlichen Grüßen
Martin Burkert, MdB