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Frage von Klaus S. •

Frage an Martin Burkert von Klaus S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Burkert,
mit der Gesundheitsreform 2004 hat der Gesetzgeber alle Kapitalleistungen mit einem Bezug zum früheren Erwerbsleben (z.B.Direktversicherungen) in die Beitragspflicht einbezogen.

Ich kann nicht verstehen, daß die Direktversicherung als betriebliche Altersvorsorge angesehen wird. Meine Firma hat keinerlei finanzielle Leistungen dafür erbracht. Die Prämien in voller Höhe einschl. Pauschalsteuer sind allein von mir bezahlt worden.

Besonders hart trifft mich der Umstand, daß der gesamte Auszahlbertag in ein Immobiliendarlehen für ein eigengenutztes Reihenhaus geflossen ist und ich als mittlerweile Rentner 10 Jahre Beiträge zur Krankenversicherung zahlen muß. Die Nettorente wird deshalb noch weiter verringert.
Fazit für mich persönlich ist, daß ich diese Versicherung mit dieser Festlegung niemals abgeschlossen hätte.

Meine Frage ist, ob eine Korrektur dieser Regelung zu erwarten ist.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Schwerdtner

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Schwerdtner,

vielen Dank für Ihre Nachricht auf abgeordnetenwatch.de.

Ich verstehe Ihr Anliegen und kann gut nachvollziehen, dass Sie aufgrund der persönlichen finanziellen Nachteile die gegebene Situation als ungerecht empfinden.

Bevor ich Ihnen meinen Standpunkt erläutere, möchte ich gern zunächst auf den aktuellen Stand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes eingehen:

Renten der betrieblichen Altersversorgung sind gemäß § 229 SGB V mit der gesetzlichen Rente vergleichbare Einnahmen und unterliegen deshalb der Beitragspflicht für die Kranken- und Pflegeversicherung. Diese Beitragspflicht besteht unabhängig davon, ob es sich um eine wiederkehrende oder um eine einmalige Versorgungsleistung handelt.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich im September des vergangenen Jahres mit der Frage befasst, ob die Erhebung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf eine einmalige Kapitalleistung aus einer vom Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers geschlossenen Lebensversicherung verfassungsmäßig ist, wenn die Prämien teilweise vom Arbeitnehmer selbst entrichtet worden sind. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht über zwei unterschiedliche Sachverhalte zu urteilen. In beiden Fällen übernahmen die Arbeitnehmer nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis die Prämienzahlung an den Versicherer. Während in einem Fall der frühere Arbeitgeber aber Versicherungsnehmer blieb, übernahm der frühere Arbeitnehmer im anderen Fall den Vertrag vollständig und rückte in die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers ein. (1 BvR 739/08 Beschluss vom 06.09.2010, 1 BvR 1660/08 Beschluss vom 28.09.2010)

Das Bundesverfassungsgericht äußerte sich in seiner Entscheidung zunächst noch einmal grundsätzlich zur Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung von nicht wiederkehrenden Versorgungsleistungen in die Beitragspflicht gemäß § 229 SGB V. Die Erhebung von Beiträgen auf Kapitalleistungen aus der betrieblichen Direktversicherung sei den betroffenen Versicherten zumutbar, weil der Gesetzgeber berechtigt sei, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für die Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen. Wenn die Versicherung stets vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer geführt worden ist, können die wirtschaftlichen Erträge hieraus als Versorgungsbezüge qualifiziert und zur Beitragserhebung herangezogen werden.

Im ersten der konkret zu beurteilenden Sachverhalte, in dem der Arbeitgeber Versicherungsnehmer geblieben ist, bejahte das Bundesverfassungsgericht den betrieblichen Bezug der Versorgungsleistung und damit die Beitragspflicht. Der Berufsbezug sei hier noch insoweit gewahrt, als der Arbeitgeber die Direktversicherung als Versicherungsnehmer innerhalb des Betriebsrentengesetzes fortgeführt habe.

Für den zweiten Fall stellte das Bundesverfassungsgericht dagegen fest, dass mit der Vertragsübernahme durch den früheren Arbeitnehmer der Kapitallebensversicherungsvertrag vollständig aus dem betrieblichen Bezug gelöst worden sei. Er unterscheide sich hinsichtlich der dann im weiteren Versicherungsverlauf noch folgenden Einzahlungen nicht mehr von anderen privaten Lebensversicherungen. Der allein auf dieser privaten Vorsorge beruhende Anteil des Auszahlbetrages müsse, entsprechend der für die private Altersvorsorge getroffenen gesetzgeberischen Grundsatzentscheidung, beitragsfrei bleiben.

Für jeden Einzelfall also ist zu bestimmen, ob ein Berufsbezug der Versorgungsleistung nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis weiter bestanden hat oder nicht. Dies ist, so das Bundesverfassungsgericht, nicht mehr der Fall, wenn der ehemalige Arbeitnehmer den Lebensversicherungsvertrag vollständig als Versicherungsnehmer übernommen und fortgeführt hat. Kapitalleistungen hieraus gelten dann über den Teil, für den der ehemalige Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer privat Beiträge gezahlt hat, nicht als beitragspflichtige Versorgungsbezüge gemäß § 229 SGB V.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Es ist für die Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausschlaggebend, wer die finanziellen Leistungen im Ergebnis erbracht hat. Selbst ein rein formaler Bezug zum Arbeitsleben, das heißt wenn der Arbeitgeber Versicherungsnehmer geblieben ist, reicht aus, um eine Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung zu begründen.

Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat die Krankenkassen und ihre Verbände über die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts unterrichtet und Empfehlungen zur Umsetzung der Rechtsprechung gegeben. Das schließt die Korrektur der Meldung des beitragspflichtigen Einkommens, die künftige Beitragszahlung und die Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge ein.

Ich würde Sie daher in jedem Fall bitten, sich mit Fragen zu Ihrer konkreten Situation an Ihre Krankenkasse zu wenden. Denn aus Ihrer Nachricht geht für mich nicht hervor, ob Ihr ehemaliger Arbeitgeber noch Versicherungsnehmer geblieben ist, was wiederum laut Bundesverfassungsgericht noch einen betrieblichen Bezug darstellen würde. Sollten Sie zu Unrecht Beiträge entrichtet haben, steht Ihnen auch eine Erstattung zu.

Erlauben Sie mir noch einige grundsätzliche Anmerkungen: Die Gesundheitsausgaben für die ältere Generation werden in deutlich steigendem Umfang von der erwerbstätigen Generation finanziert. Die jüngere Generation hilft der älteren Generation also, die finanziellen Lasten ihres höheren Krankheitsrisikos zu tragen. Dieser Ausgleich zwischen den Generationen war, ist und bleibt ein untrennbarer Bestandteil des Solidarprinzips. An diesem Ausgleich zwischen den Generationen halten wir natürlich grundsätzlich fest. Die stetig wachsende Deckungslücke in der Krankenversicherung der Rentner ist aber eine der Ursachen dafür, dass die Krankenkassen in den letzten Jahrzehnten ihre Beiträge erhöht haben. Ich halte es deshalb für richtig, Rentner verstärkt zur Beitragszahlung heran zu ziehen, sofern deren gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eine solche Mehrbelastung zulässt. Das ist insbesondere bei den Rentnern der Fall, die zusätzlich zu ihrer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung Einkünfte aus Versorgungsbezügen - hier in Form einer Lebensversicherung mit Kapitalabfindung - erzielen. Das Bundesverfassungsgericht hat diesen Ansatz erneut bestätigt.

Sehr geehrter Herr Schwerdtner,

auch wenn dies sicher nicht die Antwort ist, die Sie hören wollten, hoffe ich doch, dass ich Ihnen meinen Standpunkt verdeutlichen und die Hintergründe zu diesem Thema näher bringen konnten. Bei weiteren Fragen können Sie sich natürlich sehr gern an mich wenden, gerne auch direkt an meine E-Mail-Adresse martin.burkert@bundestag.de

Mit besten Grüßen

Ihr Martin Burkert