Frage an Marlene Mortler von Thomas M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Mortler,
vor kurzem durfte ich einen interessanten Zeitungsartikel über Sie lesen (Hersbrucker Zeitung 13.1.09).
Darin erzählen Sie, dass Sie eigentlich viel lieber Landrätin im Nürnberger Land geworden wären anstatt Bundestagsabgeordnete Ihres Wahlkreises, weil Sie als Landrätin mehr bewegen könnten, und dass es zuhause in der Heimat überhaupt viel schöner sei als in Berlin. Außerdem geht aus dem Artikel hervor, dass Sie sich mit Anträgen im Parlament nicht inhaltlich beschäftigen, sondern einfach abstimmen, ohne sich inhaltlich mit dem entsprechenden Antrag befasst zu haben (Zitat: "Genau eine Stunde Zeit hat die 53-jährige Agrar-Fachfrau, die gerade aus dem Plenarsaal kommt. Namentliche Abstimmung, die nächste steht schon in ihrem Terminplan. Worum geht es? "Irgendein Antrag der Linken" sagt Mortler. (...) Es läutet. Die CSU-Abgeordnete muss jetzt durch den Tunnel in den Reichstag, gegen den Linken-Antrag stimmen.")
Das ruft in mir 2 Fragen hervor:
1) Weshalb kandidieren Sie erneut für den Bundestag, wo Ihnen doch dieser Job nach eigenem Bekunden wenig zusagt und Sie ihn offensichtlich auch mit wenig Interesse an der Sache ausüben?
2) Wieso bilden Sie sich keine eigene Meinung über die Anträge die verhandelt werden und stimmen einfach aus Prinzip dafür oder dagegen? Ist das eine angemessene Weise, den Willen des Volkes im Parlament zu vertreten?
MfG,
T. Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
was meine Heimatliebe betrifft, haben Sie Recht: Ich bin mit Leib und Seele Fränkin. Ja, es gefällt mir besser in Mittelfranken als in Berlin. Doch ich bin eine Kämpfernatur. Gerade weil ich meiner Heimat so verbunden bin, will ich etwas für sie bewegen und dafür braucht es Vertreter aus Mittelfranken im Bundestag, die zu den Sitzungswochen an die Spree reisen. Seit 2002 bin ich direkt gewählte Bundestagsabgeordnete der Landkreise Nürnberger Land und Roth. Meine Erfahrung: Viele Entscheidungen lassen sich auf Ebene eines Landkreises zügiger herbeiführen als im Bundestag. Das gefällt mir oft nicht, aber das liegt in der Natur der Sache: Das Gestalten von Politik ist - nicht zuletzt in einer großen Regierungskoalition auf Bundesebene - immer ein Ringen um den besten Weg, ein Ringen um Mehrheiten. Das erfordert immer wieder Beharrlichkeit und Ausdauer ebenso wie die Bereitschaft zum Kompromiss zum Wohl des Ganzen.
Die bundespolitischen Themen sind in der Regel vergleichsweise komplex, Fachkenntnis unerlässlich. Aber nicht jeder Abgeordnete kann jederzeit zugleich etwa Gesundheits-, Verkehrs-, Agrar- und Finanzexperte in einem sein. Daher schickt jede Partei Fachleute aus ihren Reihen als Vertreter in die jeweiligen Fachausschüsse, die in den Sitzungswochen tagen. Ich bin Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und leite darüber hinaus den Tourismusausschuss. Beide Gremien beraten eine Vielzahl von Zukunftsthemen, die auch meinen Wahlkreis im ländlichen Raum berühren. Als Ausschussmitglied arbeite ich an Gesetzesvorlagen aus den Fachbereichen unmittelbar mit und informiere meine Fraktionskollegen über den Stand der Dinge. Sie profitieren ebenso von meiner Fachkenntnis, wie ich von der ihren. Immer zu Sitzungswochenbeginn, werden die auf der Tagesordnung stehenden Anträge besprochen. Worum geht es, was ist möglicherweise strittig. Hier verschaffe ich mir mein Bild, vertiefe mich selbst in die Materie, wenn ich den Eindruck habe, dass ich möglicherweise die Angelegenheit anders als meine Fraktionskollegen einschätze. Die Arbeitsteiligkeit ist angesichts der Vielzahl und inhaltlichen Vielschichtigkeit zahlreicher Anträge, die in den Sitzungswochen bearbeitet werden unerlässlich (Einen Eindruck von der Themenbreite bietet www.bundestag.de aktuell/Tagesordnungen bzw. Drucksachen).
Kurz: Damit auch in Berlin die Interessen der Landkreise Roth und Nürnberger Land bestmöglich vertreten werden, nehme ich als Fachpolitikerin unmittelbar Einfluss auf die Gesetzgebung in zwei zentralen Themenbereichen. In den anderen Gebieten, greife ich zunächst auf die Fachkenntnis meiner Fraktionskollegen zurück und informiere mich im Zweifelsfall (s.o.) noch persönlich darüber hinaus. Danach stimme ich, nach bestem Wissen und Gewissen, ab.
Politik machen, heißt Entscheidungen treffen. Was die so genannte Linke betrifft, ist für mich in meinem Abgeordnetenalltag eine Grundsatzentscheidung unverrückbar: So lange in den Reihen dieser Partei Unterstützer des SED-Regimes sind, kritiklos ehemalige Stasi-Generäle zu Wort kommen und Opfer des DDR-Unrechtsregimes verhöhnt werden, bekommt keiner ihrer Anträge meine Stimme.
Mit freundlichen Grüßen
Marlene Mortler, MdB