Frage an Marlene Mortler von Stelzer H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Mortler,
ich las, dass es in Deutschland 2013 1002 Drogentote gegeben hat.
Daraufhin habe ich mich mal für die Alkohol und Rauchertoten interessiert
bei Alkoholtoten kam ich auf eine Zahl von ca. 15000 Betroffenen s. http://www.stern.de/gesundheit/15000-alkohol-tote-jaehrlich-deutschland-einig-trinkerland-2119462.html
Bei Rauchern kam ich auf eine jährliche Zahl von 120Tsd. Toten s. http://www.welt.de/welt_print/article905163/Jaehrlich-140-000-Tote-durch-Rauchen-in-Deutschland.html
Das heißt im Klartext, das die gesamte deutsche Drogenpolitik komplett versagt hat. Einerseits wird jeder Drogenkonsument kriminalisiert, andererseits ist man auf beiden Augen blind. Offensichtlich ist es einfacher, Leute zu kriminalisieren, anstatt eine vernünftige Prävention aufzubauen. Lieber steckt man die Leute in das Gefängnis anstatt ihnen zu helfen. Über diese Art von Politik wird treffen charakterisiert durch folgendes Zitat
Der amerikanische Psychiater Lester Grinspoon, Emeritus an der Harvard Medical School, hat die Diagnose einer "Cannabisphobie" gestellt und geschrieben: "Es erscheint fast angebracht, von einem Klima des psychopharmakologischen McCarthyismus zu sprechen". Er sieht eine "Täuschung des Volkes" am Werk, die sich zu einem "Massenwahn" entwickelt hat. Die Verfolgungsmentalität des McCarthyismus hatte Arthur Miller zur "Hexenjagd" angeregt. Es ist ein Schauspiel, das - nach Neu-England in die frühe Zeit der Pilgerväter verlegt - von der Unerbittlichkeit der kalvinistischen Moral handelt.
Wohlgemerkt, ich habe in meinem Leben nur die erlaubten Drogen wie Alkohol und Zigaretten konsumiert.
Nun zu meiner Frage:
Wie lange noch wird Menschen die schwerstkrank sind, Cannabismedikamente durch eine mittelalterliche Politik verweigert, bzw. durch die Preisgestaltung in die Illegalität gedrängt?
Hier ist gerade Cannabis mitunter das einzige, welches ohne gravierende Nebenwirkungen hilft.
Mit freundlichem Gruß
H.-J.Stelzer
Sehr geehrter Herr Stelzer,
mit der 25. Betäubungsmittel-Änderungsverordnung (25. BtMÄndV, in Kraft getreten am 11. Mai 2011) hat der Gesetzgeber bei der Position "Cannabis" in den Anlagen I bis III BtMG eine differen-zierte Umstufung vorgenommen. Da in Großbritannien und Spanien ein Fertigarzneimittel mit Cannabis-Extrakt zur symptomatischen Therapie der Spastik bei Multipler Sklerose zugelassen wurde und auch in Deutschland eine Zulassung dieses, aber auch anderer cannabishaltiger Arzneimittel ermöglicht werden sollte, wurde das generelle Verkehrsverbot für Cannabis aufgehoben und Cannabis zu medizinischen Zwecken zugelassen. Die Regelung zielt darauf ab, lediglich solche cannabishaltigen Arzneimittel verkehrs- und verschreibungsfähig zu machen, die unter den strengen Vorgaben des Arzneimittelrechts als Fertigarzneimittel zugelassen sind. Diese Fertigarzneimittel können auf Betäubungsmittelrezepten verschrieben werden.
Nach den geltenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Leistungsanspruch der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) grundsätzlich nur für Arzneimittel, die in Deutschland nach den Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes verkehrsfähig sind. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 18. Mai 2004 (Az. B 1 KR 21/02 R) klargestellt, dass bereits aus Gründen der Arzneimittelsicherheit Arzneimittel, die in Deutschland nicht verkehrsfähig sind, grundsätzlich nicht von der Leistungspflicht der GKV umfasst sind.
Die Verordnung eines Arzneimittels in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet (Off-Label-Use) kommt dann in Betracht, wenn es um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn keine andere Therapie verfügbar ist und wenn aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, muss die Krankenkasse unter Beteiligung des medizinischen Dienstes auf Antrag prüfen. Entsprechend erfolgt die Verordnung nur nach positivem Bescheid der Krankenkasse.
Man kann zwischen den folgenden Produkten auf Cannabis-Basis unterscheiden:
* Seit dem 1. Juli 2011 ist Sativex® Mundspray als erstes cannabis-haltiges Arzneimittel in Deutschland arzneimittelrechtlich zugelassen und in der Apotheke erhältlich. Es enthält eine Mischung aus Cannabisblättern und -blüten des THC-Chemotyps (Delta-9-Tetrahydro-cannabinol (THC)) und des CBD-Chemotyps (Cannabidiol (CBD)). Diese standardisierten Extrakte sind verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel.
Das zugelassene Anwendungsgebiet von Sativex® Mundspray hat der Hersteller beschränkt auf die Zusatzbehandlung für eine Verbesserung von Symptomen bei Patienten mit mittelschwe-rer bis schwerer Spastik aufgrund von Multipler Sklerose, die nicht angemessen auf eine ande-re antispastische Arzneimitteltherapie angesprochen haben und die eine klinisch erhebliche Verbesserung von mit der Spastik verbundenen Symptomen während eines Anfangstherapie-versuchs aufzeigen. Das Arzneimittel kann grundsätzlich nur in diesem Anwendungsbereich zu Lasten der GKV verordnet werden.
* Dronabinol (Tetrahydrocannabinol (THC)) ist ein Rezepturarzneimittel und kann im Einzelfall zu Lasten der GKV verordnet werden. Allerdings besteht eine besondere Begründungspflicht, da mit Sativex®ein entsprechendes Fertigarzneimittel zur Verfügung steht. Die Verordnungsfähig-keit zu Lasten der GKV ist dabei automatisch auf das Anwendungsgebiet des zugelassenen Fertigarzneimittels beschränkt.
* Medizinalhanf: Nicht standardisierte Extrakte aus Cannabisblüten und andere Cannabis-Extrakte sind in Deutschland grundsätzlich nicht verkehrsfähig und auch keine verschreibungs-fähigen Betäubungsmittel. Es ist allerdings aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2005 (BVerwG 3 C 17.04) möglich , dass Patienten bei der Bundesopiumstelle einen Antrag stellen, um eine Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Cannabis zur Anwendung im Rahmen einer medizinisch betreuten und begleiteten Selbsttherapie zu erhalten. Diese Erlaubnis (nach § 3 Absatz 2 BtMG) kann für die Therapie eines einzelnen Patienten nur erteilt werden, sofern die Behandlung mit dem Betäubungsmittel im Hinblick auf das Krankheitsbild erforderlich ist und keine Versagungsgründe nach § 5 BtMG vorliegen, wie z.B. Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers. Eine Kostenerstattung durch die GKV ist damit nicht verbunden.
Somit können Sie nicht behaupten, dass schwerkranken Menschen Cannabismedikamente verweigert werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Marlene Mortler