Frage an Marlene Mortler von Torsten U. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Mortler,
zuerst möchte ich anmerken, dass ich es sehr gern sehe, dass die beim Antrag der Grünen nicht mit dem Strom ihrer Partei geschwommen sind, sondern (wenn auch nur enthalten) die Bürger im Fokus hatten.
Dennoch frage ich mich wieso bei gleichen Antrag (Privatisierung der Wasserversorgung verhindern), je nach dem von wem er stammt (Linke & Grüne), Abgeordnete unterschiedlich abstimmen. Die Frage ist zum einen allgemein zu sehn, wieso so etwas gemacht wird, zum andren hätte ich gern ihre Sicht der Dinge. Wieso enthalten sie sich bei einer Abstimmung der Grünen, jedoch lehnen den aller selben Antrag der Linken noch am gleichen Tag ab? In der Schule haben wir alle gelernt, Sie (alle Abgeordneten) wären nur ihrem Gewissen verpflichtet. Und ich glaube nicht dass bei diesen beiden Abstimmungen ihr Gewissen entschieden hat, denn wenn doch, ändert es sich doch recht schnell.
mfg
Sehr geehrter Herr Uhl,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben vom 14. März 2013 zur Abstimmung im Deutschen Bundestag auf der Internetplattform abgeordnetenwatch.de. Ich werde Ihre Frage gerne beantworten.
Für mich ganz persönlich aber auch für meine Kollegen der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag steht fest: Wir wollen keine Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung. Wir sprechen uns daher bereits seit langem gegen jegliche Bestrebungen dieser Art aus.
So hat sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit Blick auf die entsprechenden Verhandlungen auf EU-Ebene wiederholt bei der Bundesregierung dafür eingesetzt, dass diese
- darauf hinwirkt, dass der Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessions-Richtlinie keine Abstimmungsmehrheit erhält
- bzw. dass sie zumindest darauf hinwirkt, dass der sensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchen Regelung ausgenommen bleibt.
Anders als in den Medien dargestellt, habe weder ich noch die CDU/CSU-Fraktion für eine Privatisierung gestimmt. Ich persönlich habe lediglich einem Antrag von Die Linke nicht zugestimmt. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits überholt. Denn: Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplante Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung fallenzulassen, hatte bereits eine Woche zuvor (das heißt vor der Debatte und Abstimmung im Bundestag) erfreulicher Weise Wirkung gezeigt: EU-Kommissar Barnier hat eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen Kommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt. In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments am 21.Februar 2013 hat der Kommissar erklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflicht bei einem Mehrsparten-Stadtwerk die Wasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten (z.B. der Stromversorgung oder der Abfallentsorgung) betrachtet werden kann. Die Wasserversorgung müsste dann nur noch in solchen Fällen ausgeschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmen weniger als 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt.
Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletzt Ergebnis der beharrlichen Bemühungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zerschlagen und die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nicht gefährdet werden.
Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist ein Schritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiteren Verhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wir zählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten der interkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigt werden. Jetzt steht die Bundesregierung in den anstehenden sogenannten Trilog-Verhandlungen (EU-Kommission, EU-Rat und EU-Parlament) in besonderer Verantwortung.
Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungen der Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011 klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweite Ausschreibungsverpflichtung würde nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume der kommunalen Selbstverwaltung führen, sondern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür. Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstört werden. Dies ist im Interesse der Menschen in Deutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hat ihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlags klar überschritten. Ein Verstoß gegen das im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist aus meiner Sicht klar erkennbar.
Ich verschweige allerdings nicht, dass unser Koalitionspartner, die FDP, die Situation vollkommen anders einschätzt. Deshalb hat auch das in der Bundesregierung zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die Pläne aus Brüssel begrüßt.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Marlene Mortler MdB