Frage an Marlene Mortler von Karl-Heinz R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Frau Mortler,
der Deutsche Bundestag hat in der vergangenen Woche ein neues Meldegesetz beschlossen, das vorsieht, dass die Einwohnermeldeämter die persönlichen Daten von Bürgern an Werbefirmen und professionelle Datensammler verkaufen können, ohne dass ich dem widersprechen kann.
Wie können Sie, wie kann "Ihre" Partei CSU, wie können Ihre "christlich sozialen, christlich demokratischen und liberalen Parteifreunde" einem solch skandalösen Gesetz zustimmen? Wenn Sie mir das schlüssig erklären könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar!
Mit nicht ganz freundlichen Grüßen
Karl-Heinz Rohmann
Lauf a.d. Pegnitz
Sehr geehrter Herr Rohmann,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben vom 7.7.2012 zum Thema Neues Melderecht auf der Internetplattform abgeordnetenwatch.
Die Bundesregierung sah sich zu einer neuen Regelung des Melderechts veranlasst, weil aufgrund der Föderalismusreform und einer damit einhergehenden Grundgesetzänderung gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 3 des Grundgesetzes der Bund für das Meldewesen ausschließlich zuständig geworden ist.
Die neue Regelung des § 44 des Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens (BMG), das der Bundestag am 28. Juni verabschiedet hat, sieht vor, dass die Erteilung einer einfachen Melderegisterauskunft - vorrangig nur Namen und Anschrift - für Zwecke der Werbung und Auskunft ausgeschlossen ist, wenn der Bürger hiergegen Widerspruch einlegt.
Richtschnur für die geplante Widerspruchsregelung ist ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.6.2006 (Az: BVerwG 6 C 05.05), in dem ein Widerspruchsrecht des Betroffenen für ausreichend angesehen wurde, weil das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 und 2 Grundgesetz, also dem Recht grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen, nicht schrankenlos zu gewährleisten ist. Der Betroffene muss grundsätzlich Einschränkungen seines Rechts auf Datenpreisgabe im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen. Dies hatte auch schon das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1983 entschieden. Solche allgemeinen Interessen bestehen zum Beispiel bei Personen, gegen die ein gerichtlicher Titel vollstreckt werden dürfte oder bei Personen, gegen die ein Unterhaltsanspruch besteht oder auch bei Kaufleuten oder Vermietern, die ohne diese Daten ggf. auf unbezahlten Rechnungen sitzen bleiben würden.
Der Bundestag hatte sich auch deshalb für eine Widerspruchsregelung entschieden, weil er sich weitgehend am Recht der bisherigen Landesgesetze orientieren wollte. Einem Recht auf Einwilligung des Betroffenen, so wie es der Entwurf der Bundesregierung zunächst vorgesehen hatte, ist der Bundestag nicht gefolgt, weil im Gespräch mit Praktikern aus den Kommunalverwaltungen sehr schnell deutlich geworden ist, dass eine solche Regelung nicht durchführbar gewesen wäre und die Kommunen vor erhebliche personelle und finanzielle Probleme gestellt hätte.
Für eine Widerspruchsregelung spricht auch eine Regelung aus dem Bundesdatenschutzgesetz, das in § 20 Abs. 5 auch (nur) ein Widerspruchsrecht des Betroffenen vorsieht, soweit seine personenbezogenen Daten erhoben, genutzt oder verarbeitet werden. Dieses Gesetz wurde zuletzt im Jahr 2009 durch die Große Koalition überarbeitet.
Es ist richtig, dass die Auskünfte nicht kostenlos erteilt werden. Die Kommunen dürfen entsprechend der Kommunalabgabengesetze der Länder Verwaltungsgebühren erheben. Das ist gängige Praxis. Da mit diesen Gebühren lediglich die Verwaltungskosten gedeckt werden dürfen, aber kein Gewinn erzielt werden darf, handelt es sich hier nicht um einen "Verkauf" der Daten. Allerdings wird bereits durch die Verwaltungsgebühr - in der Regel zwischen 7 und 15 Euro - eine massenhafte Abfrage, so wie sie von vielen Bürgern befürchtet wird, für Werbefirmen uninteressant. Diese enthalten Adressdaten vielmehr durch Datensammlungen bei gewerblichen Rabattsystemen und Preisausschreiben.
Selbstverständlich können Siegrundsätzlich diesen Abfragungen von Daten widersprechen. Der Gesetzgeber trägt dem Rechnung durch die Anfügung folgenden Satzes bei § 44 (Abs. 1 Satz 3): "Die betroffene Person hat das Recht, der Übermittlung ihrer Daten zu den in Satz 2 genannten Zwecken zu widersprechen; sie ist auf dieses Recht bei der Anmeldung nach § 17 Abs. 1 sowie einmal jährlich durch ortsübliche Bekanntmachung hinzuweisen."
Er ist nun abzuwarten, welche Änderungen das Meldegesetz im weiteren parlamentarischen Verfahren, also den Beratungen im Bundesrat und ggf. Vermittlungsausschuss, erfahren wird. Denn unterm Strich ist das nun beschlossene Gesetz eine Verbesserung. Einen Skandal kann ich deshalb nicht erkennen.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Marlene Mortler MdB