Frage an Markus Tressel von Jan Niklas F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Markus (ich bleibe beim Du aus früheren politischen Begegnungen),
als Saarländer wende ich mich an Dich als "mein" Grünen-Abgeordneter im Bundestag.
Die Bundesregierung hat in dieser Woche einen Referentenentwurf für eine Reform des "Transsexuellengesetzes" an die Verbände geschickt. Diese sollten sich innerhalb von zwei Tagen äußern, was an sich schon ein Unding ist. Der Entwurf enthält neben einigen wenigen Verbesserungen viele deutliche Verschlechterungen für transgender und auch intersexuelle Mitmenschen, wie den diversen Stellungnahmen zu entnehmen ist. Gegenüber dem Ideal einer repressionsfreien Selbstbestimmung bleibt er weit zurück.
(1) Wie stehst Du zum Vorgehen der Regierung und zum vorliegenden Entwurf? Welche Forderungen hast Du an eine Gesetzesnovelle? Anhand des Grünen-Entwurfs von 2017 nehme ich an, dass Du meine Einschätzung im Wesentlichen stützt.
(2) Welche konkreten Maßnahmen willst und wirst Du unternehmen, um die Verschlechterung des Ist-Zustandes durch den vorliegenden Entwurf zu verhindern und auf eine Verbesserung der Situation - möglichst im Sinne einer Selbstbestimmung der direkt betroffenen Mitmenschen ohne staatliche Repressalien - hinzuwirken?
Danke schon jetzt für Deine Antwort,
J. N. F.
Sehr geehrter Herr F., lieber Jan Niklas,
ich habe mich zusammen mit der grünen Bundestagsfraktion ganz entschieden gegen die Verabschiedung des Referentenentwurfs vom Frühjahr eingesetzt und auch die unverschämt kurze Frist zur Stellungnahme für die Verbände kritisiert. Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf inzwischen aufgrund der zahlreichen Proteste zurück gezogen.
Zum Referentenentwurf aus Bundesinnen- und Bundesjustizministerium zur Neuregelung der Änderung des Geschlechtseintrags hat sich Sven Lehmann, queerpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, wie folgt geäußert:
"Der vorgelegte Gesetzentwurf setzt die Bevormundung von trans- und intergeschlechtlichen Menschen fort. Er strotzt vor Schikane gegenüber Menschen, die selber und frei von Diskriminierung über ihren Geschlechtseintrag bestimmen möchten.
Der Entwurf verschärft die gerade erst neu eingeführten Regelungen für intergeschlechtliche Menschen. Er bedient sich biologistischen Phantasien über Intergeschlechtlichkeit, die in der Wissenschaft schon längst nicht mehr vertreten werden. Auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes kann die Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Geschlecht nicht allein nach den körperlichen Geschlechtsmerkmalen bestimmt werden. Sie hängt vielmehr auch wesentlich von dem Geschlechtsempfinden eines Menschen ab (BVerfGE 115, 1, 15). Dies ignorieren die Ministerien und konterkarieren damit das Grundrecht auf Selbstbestimmung und Nicht-Diskriminierung.
Auch für transgeschlechtliche Menschen bringt der Gesetzentwurf keine Verbesserung – im Gegenteil. Es bleibt beim gerichtlichen Verfahren und bei der Überprüfung des Geschlechtsempfindens durch Dritte. Auch beim Offenbarungsverbot bleibt den öffentlichen Stellen ein Ermessensspielraum bezüglich des „berechtigten Interesses“ bei der Neuausstellung amtlicher Dokumente.
Wir sind es gewohnt, dass aus dem Bundesinnenministerium schlechte Vorlagen kommen. Aber dass diesmal auch das SPD-geführte Bundesjustizministerium an diesem gesetzlichen Dilettantismus beteiligt ist, ist eine große Enttäuschung. Die große Empörung seitens der betroffenen Verbände ist berechtigt. Sie haben gerade einmal zwei Tage Zeit bekommen, den Entwurf zu kommentieren. Das ist das Gegenteil von Beteiligung, es ist ein Affront gegenüber den Menschen, die es betrifft. Wir Grüne werden Druck machen, dass dieses Gesetz so nicht in Kraft tritt."
Derzeit kursiert ein neuer Referentenentwurf zwischen den Ministerien, der uns zur Bewertung aber noch nicht vorliegt. Mit den Fachverbänden sind wir im engen Austausch und werden uns mit Ihnen zum weiteren Vorgehen abstimmen, sobald wir den Inhalt des neuen Referentenentwurfs kennen.
Unseren aktuellen Antrag "Aktionsplan Vielfalt leben" findest Du hier http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/102/1910224.pdf
Beste Grüße
Markus Tressel