Frage an Markus Tressel von Rainer P. bezüglich Wirtschaft
Hallo Herr Tressel,
ich bitte Sie - in Kenntnis der Regelungen, die der ESM enthält - um Erläuterung, warum die Fraktion der Grünen diesem Vertrag zustimmen will.
Er enthält Regelungen zur Enteignung Deutschlands in der Zukunft. Außerdem kann es nicht sein, dass alle Beschäftigten des ESM juristische Immunität bzgl. Ihrer Tätigkeit genießen.
Mit freundlichem Gruß
Rainer Petry
Sehr geehrter Herr Petry,
vielen Dank für Ihre E-Mail und Ihr Interesse an unseren Positionen zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und Fiskalpakt. Ich will Ihnen gerne erläutern, warum die Grüne Bundestagsfraktion in der Mehrheit für die beiden neuen Instrumente der Euro-Rettung gestimmt hat.
Die Ereignisse in der Eurozone stellen uns alle vor enorme Herausforderungen. Die momentane Situation verdeutlicht, wie sehr die Volkswirtschaften Europas miteinander verflochten sind. Deutschland hat von der Europäischen Union (EU) bislang stark profitiert. Wir wollen, dass dies auch in Zukunft der Fall sein wird und engagieren uns deshalb für eine solide, realistische und nachhaltige Lösung zur Überwindung der Eurokrise.
Mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) schaffen die Euro-Mitgliedsstaaten eine dauerhafte Finanzinstitution, der alle Euro-Staaten angehören werden. Der ESM soll ab Ende Juli 2012 in Kraft treten und die neuen EU-Instrumente im Bereich der wirtschaftspolitischen Steuerung ergänzen, wie beispielsweise die reformierten Verfahren des Stabilitäts- und Wachstumspaktes oder das neue Verfahren zur Vermeidung und Korrektur von makroökonomischen Ungleichgewichten. Aufgabe des Rettungsschirms ist es, am Markt Geld aufzunehmen und Stabilitätshilfen zu günstigeren Konditionen an Euro-Staaten mit gravierenden Finanzierungsproblemen weiterzugeben. Hilfen werden laut Vertrag nur gewährleistet, wenn diese „zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitgliedsstaaten unabdingbar“ sind. Die Hilfe ist mit Auflagen für das jeweilige Land verbunden. Diese Auflagen werden im sogenannten Memorandum of Understanding (MoU), einer politischen Absichtserklärung, festgehalten und die Umsetzung vierteljährlich durch die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF)überprüft. Vom Ergebnis dieser Überprüfungen hängt ab, ob das betroffene Land die nächste Teilzahlung erhält. Selbst wenn der Bundestag und andere Parlamente Hilfen grundsätzlich zugestimmt haben, können diese eingestellt werden, wenn eine Überprüfung negativ ausfällt. Zudem wird bewertet, ob die Staatsverschuldung tragfähig ist. Hierzu erstellt die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF eine Schuldentragfähigkeitsanalyse. Entsprechend der IWF-Praxis findet in Ausnahmefällen eine Privatgläubigerbeteiligung statt.
Wir unterstützen den ESM, weil er ein zentrales Prinzip beinhaltet: Es gibt nur Hilfe gegen Auflagen. Diese Konditionierung bedeutet, dass der ESM nur greift, wenn die hilfebedürftigen Mitgliedsstaaten vorab getroffene Vereinbarungen auch sicher einhalten.
Auch die textliche Fixierung der strafrechtlichen Immunität für ESM-Personal halten wir Grünen für sinnvoll und erforderlich. Die Immunitäten entsprechen den Immunitäten, die Diplomaten im zwischenstaatlichen Verkehr zukommen. Der Gouverneursrat des ESM, in dem die Finanzminister der Mitgliedstaaten der Eurozone vertreten sind, bzw. der Geschäftsführende Direktor, können die Immunität der Amtsträger und Bediensteten bei Bedarf aufheben. Vergleichbare Regelungen gelten u.a. für den IWF, die Weltbank sowie regionale Entwicklungsbanken wie z.B. die Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB) und die Asiatische Entwicklungsbank (ADB).
Ich hoffe Ihnen hiermit unsere Entscheidungsgrundlagen näher gebracht zu haben und wünsche Ihnen alles Gute,
Markus Tressel