Warum bleiben im neuen Tierschutzgesetz qualvolle Missstände wie Langstrecken-Tiertransporte, Amputationen ohne Betäubung, Anbindehaltung und die Privathaltung exotischer Wildtiere weiterhin erlaubt?
Sehr geehrter Herr Rinderspacher,
Ich bin sehr besorgt über den aktuellen Entwurf des Tierschutzgesetzes. Langstrecken-Tiertransporte in Nicht-EU-Länder verursachen großen Stress und Leiden für die Tiere. Es ist dringend notwendig, diese Praxis zu verbieten. Ebenso halte ich es für inakzeptabel, dass Amputationen bei Tieren durchgeführt werden, um sie an landwirtschaftliche Haltungssysteme anzupassen. Die Anbindehaltung, selbst saisonal, ist eine grausame Praxis, die abgeschafft werden muss. Exotische Wildtiere wie Affen und Tiger gehören nicht in Privathände, und auch im Zirkus sollten Wildtiere ohne Ausnahme verboten werden. Der Verkauf von Tieren über Online-Plattformen trägt zu Missbrauch und überfüllten Tierheimen bei. Schließlich müssen wir entschlossen gegen Qualzuchten sowohl in der Landwirtschaft als auch im Heimtierbereich vorgehen. Ich hoffe auf Ihre Unterstützung für ein stärkeres Tierschutzgesetz, das diese Missstände beseitigt.
Mit freundlichen Grüßen,
Stefanie H.
Sehr geehrte Frau H.,
auch wenn ich mangels Zuständigkeit als bayerischer Landtagsabgeordneter nicht unmittelbar mit der Tierschutznovelle des Bundes befasst bin, beantworte ich Ihre Frage wie folgt:
Die für 2024 vorgesehene Novellierung des Tierschutzgesetzes ist eine der größten Reformen im deutschen Tierschutzrecht der vergangenen Jahrzehnte. Dazu sollen Rechts- und Vollzugslücken im Bereich des Tierschutzes geschlossen und die bestehenden tierschutzrechtlichen Regelungen an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst werden, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Das Vorhaben der Bundesregierung umfasst u.a. folgende Punkte:
- Die Verbotsregeln zur Qualzucht im Haustierbereich werden um eine nicht abschließende Liste mit möglichen Symptomen der Qualzucht ergänzt.
- Anbieter, die auf Online-Plattformen Tiere anbieten, sollen rückverfolgbar sein.
- Künftig soll es eine Pflicht für Videoaufzeichnungen in tierschutzrelevanten Bereichen von Schlachthöfen geben. Die Videos sollen die zuständigen Behörden bei der Kontrolle unterstützen.
- Zirkusse sollen keine Neuanschaffungen bei bestimmten Arten wie Elefanten, Affen, Giraffen, Großkatzen, Robben oder Flusspferde machen.
- Die ganzjährige Anbindehaltung wird in zehn Jahren untersagt, die „Kombihaltung“ mit Zeit auf der Weide bleibt unter bestimmten Voraussetzungen in kleineren landwirtschaftlichen Betrieben erlaubt.
- Das Kupieren von Schwänzen von Lämmern ist künftig verboten. Bei Ferkeln werden die Vorgaben konkretisiert. Außerdem soll das Ausbrennen von Hornanlagen bei Kälbern ohne Betäubung verboten werden.
- Für schwerwiegende Verstöße gegen das Tierschutzrecht soll der Straf- und Bußgeldrahmen angepasst werden.
- Das Amt des Bundesbeauftragten für Tierschutz soll im Tierschutzgesetz zur institutionellen Stärkung verankert werden.
Der Bundesrat hatte in seiner Sitzung am 5. Juli 2024 Änderungsbedarf angemeldet und insgesamt 47 Vorschläge eingereicht.
Die öffentliche Anhörung des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am 14. Oktober 2024 machte deutlich, dass Expertinnen und Experten Nachbesserungsbedarfe erkennen. Während der Deutsche Bauernverband zu Protokoll gab, der Entwurf sei in Teilen zu weitreichend und berücksichtige die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft im EU-Binnenmarkt nur in unzureichendem Maße, machten Tierschutzverbände Lücken geltend und beklagten, der Entwurf sei im bisherigen Gesetzgebungsverfahren verschlechtert worden. Darin sind auch die in Ihrer Frage dargestellten Punkte subsumiert.
Das Gesetzgebungsverfahren ist noch im Gange. Ich hoffe, dass dabei weitreichende Fortschritte für den Tierschutz erzielt werden können, um Tiere vor Schmerzen, Leiden und Schäden wirksam zu schützen. Details zum Fortgang des Gesetzesvorhabens entnehmen Sie bitte den Internetseiten des Deutschen Bundestags.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Rinderspacher, MdL