Ich bitte Sie um Ihre Meinung zum Thema Anbindehaltung
„Warum haben Sie nach dem Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung für Milchkühe und Mastrinder im Jahr 2016 den Bäuerinnen und Bauern nicht umgehend starke finanzielle Hilfen (keine Almosen) für Stallumbauten und Weideeinzäunungen angeboten, um das Verbot zeitnah umsetzen zu können? Wie konnten Sie beschließen, die leidenden Tiere, die Bäuerinnen und Bauern und die vielen Verbraucher*innen, die nicht wollen, dass die Tiere für ihre Nahrungsmittel leiden müssen noch für 12 weitere Jahre im Stich zu lassen?"
Sehr geehrte Frau P.,
folgende Überlegungen der BayernSPD Landtagsfraktion, der ich angehöre, spielen zur Frage der Anbindehaltung eine Rolle:
Nach Schätzungen ist aktuell in Bayern die Anbindehaltung mit etwa 53 Prozent der Milchviehhalter (etwa 14.000 Betriebe) und ca. 24 Prozent der Milchkühe (265.000 Kühe) immer noch weit verbreitet. Es wird davon ausgegangen, dass davon rund 10.000 Betriebe ganzjährige Anbindehaltung betreiben.
In den letzten zehn Jahren gab es einen deutlichen Rückgang der Anbindehaltung: Die Zahl der Haltungsplätze in Anbindehaltung sank deutschlandweit von 3,0 Millionen (2010) auf 1,1 Millionen (2020) und damit um rund 62 %. Da diese Haltungsform hauptsächlich im süddeutschen Raum Verbreitung findet, ist hier erkennbar, dass sich bereits ein gravierender Strukturwandel vollzogen hat. Jedem muss klar sein: mit diesen Betrieben verschwinden viele kleinere Familienbetriebe im Haupt- oder Nebenerwerb, die unsere bayerische Agrarstruktur prägen.
Mit Blick auf die Anbindehaltung ist die Unterscheidung in ganzjährige Anbindehaltung und Kombihaltung wichtig. Bei der Kombihaltung wird den Tieren Weidegang ermöglicht. Die ganzjährige Anbindehaltung stellt nach dem Stand der wissenschaftlichen Bewertung kein tiergerechtes Haltungsverfahren dar. Diese Betriebe, die sich oft im Dorfgebiet befinden, und damit eine tragende Rolle im Dorfgepräge haben, müssen dabei unterstützt werden, eine zukunftsfähige Betriebsanpassung vorzunehmen. Dies kann zum Beispiel durch Stallumbauten oder -anbauten oder durch die Errichtung von Laufhöfen geschehen. Da alternativ oftmals nur Aussiedlung und Neubau in Verbindung mit einer Bestandsvergrößerung möglich ist, erfolgt ansonsten häufig die Betriebsaufgabe.
Der Kombihaltung sollte größere Akzeptanz zuteil werden. Durch die Beweidung leisten diese Betriebe einen positiven Beitrag zum Erhalt eines artenreichen Grünlands und zur Tiergesundheit. Nachdem in Bayern im bundesdeutschen Durchschnitt der Anteil der Tiere, die Weidegang haben, mit 17 % verhältnismäßig gering ist, sollten diese Betriebe, die sämtliche gesetzlichen Anforderungen an den Tierschutz erfüllen, die Perspektive haben, dass sie generationenübergreifend weitergeführt werden können. Da dies in der Regel extensiv wirtschaftende Betriebe sind, die eher kleine Flächen, oft in Hanglage bewirtschaften, sollten sie zukünftig stärker gefördert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Rinderspacher