Frage an Markus Paschke von Michael K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Paschke,
Ich würde gern wissen, wie sie zu dem Thema Vorratsdatenspeicherung stehen?
Eine Vorratsdatenspeicherung auf Providerseite bringt kaum etwas bis gar nichts. Wenn man will kann man sich auf simpelste Weise durch Datentunnel über ausländische Server völlig unerkannt im Netz bewegen. Das einzige, was der Provider zu sehen bekommt, ist, dass man einen Server in einem anderen Land (ohne Vorratsdatenspeicherung) anwählt und Daten von dort empfange. Diese Daten kann man gegebenenfalls auch noch verschlüsseln, um ganz sicher zu gehen. Ganz zu schweigen von Anonymiseriungsprogrammen wie TOR.
Jeder der es möchte, kann sich weiterhin ungesehen im Netz bewegen, hierzu bedarf es nicht einmal besonderer Kenntnisse. Eine kleine Suche auf einer Suchmaschine und schon hat man eine ganze Kiste Schritt-für-Schritt Anleitungen.
Die einzigen, die von dieser Maßnahme betroffen sein werden, sind die normalen Bürger.
Die Vorratsdatenspeicherung hat ebenfalls laut Urteil des Bundesverfassungsgerichtes kaum etwas gebracht:
"Eine weitere Analyse des Wissenschaftlichen Dienstes im März 2011 kam zu dem Ergebnis, dass die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung in keinem EU-Land zu einer signifikanten Änderung der Aufklärungsquote von Straftaten geführt habe."
Dies hat sich auch bei den Anschlägen in Frankreich auf Charlie Hebdo wieder bewahrheitet. Obwohl die Täter vorher bereits als verdächtig galten, gab es hier keine Möglichkeit diese Tat zu vereiteln.
Es kostet Geld, bringt kaum einen bis gar keinen messbaren Nutzen und lässt den Bürgern ein Gefühl, dass man immer und ständig kontrolliert wird. Ist es das, was sie wollen?
Unabhängig davon ob Sie mir zustimmen oder nicht, freue ich mich über eine ausführliche Antwort, womöglich haben Sie sich ja bereits mit diesem aktuellen und weitreichenden Thema beschäftigt. Haben Sie bspw. Studien, die Sie für ihre Argumentation heranziehen können?
Mit freundlichen Grüßen und vielen Dank im Voraus
M. Kasicki
Sehr geehrter Herr Kasicki,
ich persönlich sehe die geplante Vorratsdatenspeicherung kritisch. Dennoch denke ich, dass sie in bestimmten Fällen zur Aufklärung von Verbrechen sinnvoll sein kann.
Um das Thema umfassend bewerten zu können führe ich zahlreiche Gespräche mit Experten. Zu meinen Gesprächspartnern zählten u.a. die leitende Oberstaatsanwältin Katrin Krüger in Aurich, Richter, Polizeibeamte, Netzaktivisten, Datenschützer und Computerexperten.
Für mich ist vorrangig, dass die gespeicherten Daten nicht missbraucht werden können. Am 15. April hat Heiko Maas Leitlinien vorgelegt, die eine eng begrenzte Pflicht für alle Telekommunikationsanbieter zur Speicherung von wenigen, genau bezeichneten Verkehrsdaten unter Ausnahme von Diensten der elektronischen Post – also E-Mail – enthalten.
Oberste Richtschnur aller Regelungen sind dabei die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes. Die genannten Leitlinien sind viel restriktiver als das vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene, ehemalige Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, viel restriktiver als die aufgehobene europäische Richtlinie und auch viel restriktiver als es CDU und CSU wollen.
Es müssen nur genau bezeichnete Telekommunikationsdaten gespeichert werden. Dazu zählen Rufnummer, Beginn und Ende des Telefonats sowie im Fall von Internet-Telefondiensten auch die IP-Adressen. Diese Daten sollen zehn Wochen gespeichert werden.
Eine Speicherfrist von vier Wochen gilt für die Bezeichnung der Funkzellen, die durch den anrufenden und den angerufenen Anschluss bei Beginn der Verbindung genutzt werden. Diese kurze vierwöchige Speicherfrist ist vorgesehen, weil verhindert werden soll, dass mittels dieser Daten Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile erstellt werden können. Zusätzlich muss im richterlichen Anordnungsbeschluss einzelfallbezogen begründet werden, warum der Abruf von Funkzellendaten erforderlich und angemessen ist. Anders als etwa in Frankreich dürfen Kommunikationsinhalte und aufgerufene Internetseiten nicht gespeichert werden.
Um die Grundrechte der Betroffenen auf Datenschutz und Schutz ihrer Privatsphäre zu wahren, ist der Datenabruf nur zur Verfolgung von schwersten Straftaten möglich. Daten von Berufsgeheimnisträgern wie Journalisten, Anwälten oder Ärzten unterliegen einem Verwertungsverbot. Dies gilt auch bei Zufallsfunden.
Wichtig ist, dass der Zugriff auf die gespeicherten Daten transparent und restriktiv geregelt ist: Es gibt einen strengen Richtervorbehalt, d.h. nur auf richterlichen Beschluss hin dürfen Ermittlungs-behörden die Daten abrufen und es gibt keine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder der Polizei.
Darüber hinaus müssen die Betroffenen grundsätzlich über jeden Abruf informiert werden. Nach Ablauf der Speicherfrist von zehn bzw. vier Wochen müssen die gespeicherten Daten gelöscht werden. Verstöße gegen die Löschpflichten oder die Weitergabe von Daten haben strenge Sanktionen für die Dienstanbieter zur Folge.
Um die Sicherheit der gespeicherten Daten zu gewährleisten, werden die Dienstanbieter zudem verpflichtet, die Daten zu schützen. Auch müssen die Server, auf denen die Daten gespeichert werden, innerhalb Deutschlands stehen. Wenn ein Dienstanbieter mit den gespeicherten Daten Handel treibt und diese unbefugt an Dritte weitergibt, ist dies zukünftig eine Straftat nach dem neu zu schaffen¬den Tatbestand der Datenhehlerei.
Die Leitlinien sind also eine gute Grundlage für die weitere Debatte und das anstehende parlamentarische Verfahren und am Ende kann ein ausgewogener politischer Kompromiss stehen. Und: Deutschland hätte damit die strikteste Regelung zur Speicherung von Verkehrsdaten in ganz Europa.
Die von Ihnen in der Anfrage formulierten Bedenken nehme ich gern auf und werde diese in meine Entscheidung über den Gesetzentwurf mit einfließen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Paschke