Frage an Markus Herbrand von Guido W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie stehen Sie zum geplanten neuen Leistungsschutzrecht? Auf diesem Wege bereits jetzt die Info, dass ich niemanden im Mai 2019 wähle, der mit seiner Stimme den vorliegenden Vorschlag und speziell die Maßgaben der Artikel 11 und 13 unterstützt.
Mit freundlichen Grüßen
G. W.
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 18. Februar 2019, in der Sie mich um eine Stellungnahme zum Leistungsschutzrecht und speziell den Artikeln 11 und 13 bitten. Gerne lege ich Ihnen die Position von uns Freien Demokraten dar.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat in der Sache eine klare Haltung: Upload-Filter gefährden das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und sind nutzlos. Es ist für die bekannten Filtersysteme technisch unmöglich, beispielsweise Satire, Zitate oder Parodien von illegalen Inhalten zu unterscheiden. Deshalb dürfen sie nicht kommen. Es ist schlimm, dass Union und SPD dabei mitmachen, obwohl es im Koalitionsvertrag von Union und SPD eindeutig heißt: keine Upload-Filter. Dass die Bundesregierung trotzdem zugestimmt hat, ist beschämend. Vor allem das Agieren von Justizministerin und SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley ist an Opportunismus nicht mehr zu überbieten: Erst in Brüssel alles laufen lassen und dann am heimischen Wähler-Stammtisch gegen die Filter wettern. Zum Glück ist die geplante Trickserei der Europäischen Volkspartei misslungen, die Abstimmung zur EU-Urheberrechtsreform vorzuziehen. Das wäre so kurz vor der Europawahl ein verheerendes Signal für mangelnde Gesprächsbereitschaft und fehlendes Interesse an der Kritik und den Sorgen der Öffentlichkeit gewesen. Alle Parteien und alle Abgeordneten müssen sich jetzt dem Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern stellen. Dazu gehört auch, die berechtigten Bedenken der Kritiker von Artikel 11 und 13 der EU-Urheberrechtsreform mit in die politische Entscheidungsfindung einzubeziehen.
Wir Freien Demokraten werden uns dabei selbstverständlich dafür einsetzen, dass der Schutz von Urheberrechten weiterhin gewahrt bleibt. Das Recht an der eigenen geistigen und kreativen Leistung ist nicht verhandelbar. Die bis jetzt geplanten Eingriffe wirken allerdings eher wie der schlechte Kompromiss von Politikern, die nicht begreifen können oder wollen, wie sich die Kommunikation und Digitalisierung im 21. Jahrhundert entwickelt haben. Bisher galt der Grundsatz „Notice-and-Take-down“: Der Seitenbetreiber war für eine Rechtsverletzung erst verantwortlich, sobald er von ihr wusste und nichts gegen sie unternahm. Diese Regelung macht Sinn und ist in der Praxis erprobt. Sie könnte verbessert und ausgebaut werden, anstatt blindlings Sperrungen zu verhängen. Denn bereits heute - auch ohne einschnürende neue Regelungen - gilt im Netz das Urheberrecht. So gibt es z.B. schon heute Filter, die urheberrechtlich geschützte Werke erkennen können, ohne dass hierfür rechtliche Zwänge notwendig sind. Dass diese Filter bei Zitaten, Parodien und Satire an ihre Grenzen kommen, ist ein bekanntes Problem. In der Folge können Rechteinhaber nicht zweifelsfrei identifiziert werden. Ein gesetzlich zwingender Filter-Automatismus würde daher auch ohne Zweifel zur Sperrung legaler Inhalte führen.
Damit würde letzten Endes die faktische Pflicht zur Einführung von Upload-Filtern nach unserer Auffassung vor allem dazu führen, die Macht und den Einflussbereich großer Plattformen zu erweitern. Nur hier sind ausreichend Knowhow und Kapital vorhanden, um die erforderlichen Algorithmen und Datenbanken zu entwickeln. Nur hier können Zehntausende Lizenzvereinbarungen eingeholt und verwaltet werden. Kleine Wettbewerber oder gar neu am Markt auftretende Start-Ups sind im Ergebnis um ein vielfaches härter von der Reform getroffen. Die Übergangsfrist für Start-Ups von drei Jahren wird an dieser Stelle kaum ausreichen, um sich die gleichen Handlungsmöglichkeiten wie die großen und etablierten Plattformen zu erarbeiten. Die Reform zementiert somit - jenseits der dargelegten inhaltlichen Kritik - auch bestehende Marktanteile bzw. verhindert, dass neue Wettbewerber in den Markt eintreten können. Eine (europäische) Konkurrenz zu Facebook, Google oder YouTube ist damit kaum aufzubauen.
Die FDP-Bundestagsfraktion lehnt die Vorschläge zur EU-Urheberrechtsreform in der vorliegenden Form ab. Wir fordern stattdessen neue Regelungen und Verhandlungen auf EU-Ebene, um sowohl dem Urheberrecht Geltung zu verschaffen, als auch den Freiheiten Einzelner nicht über Gebühr zu schaden. Neue Wege zur Verwertung des Urheberrechts könnte zum Beispiel die Einbeziehung der Blockchain-Technologie sein, um Rechteinhaber automatisiert und unbürokratisch an der Verwertung ihrer Werke zu beteiligen. Es bleibt zu hoffen, dass auch die Bürgerinnen und Bürger bei der kommenden Europawahl gegen die Beschneidung ihrer eigenen Freiheiten stimmen, damit spätestens dann auf EU-Ebene und in den Mitgliedsstaaten über andere Möglichkeiten zum Schutz geistiger Leistungen diskutiert wird.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Herbrand