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Markus Herbrand
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Frage von Anja M. •

Wie stehen Sie dazu, dass für erneuerbare Energien/ insbes. Windparks intakte Wälder selbst in Naturschutzgebieten abgeholzt werden, wie es jetzt am Wackerberg in der Eifel geplant ist?

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau M.

vielen Dank für Ihre E-Mail. Wie ich bereits in der Vergangenheit öffentlich erklärt habe, dürfen die Energiewende bzw. der Windkraftausbau keinesfalls negativen Einfluss auf den Hochwasser- und Naturschutz haben. An dieser Stelle sind mindestens die großflächigen Abholzungen in Wäldern für den Windradbau sowie die großflächige Bodenversiegelung durch notwendige Zementarbeiten sehr kritisch zu hinterfragen. Insgesamt teile ich viele bekannt Kritikpunkte an den Irrungen und Wirrungen der Energiewende. Ich will nicht jeden bekannten Einzelaspekt wiederholen, aber die Planlosigkeit und das Vor-sich-hin-Stümpern sind sicherlich einmalig und lassen mich regelmäßig verzweifeln.

Aus meiner Sicht war der maßgeblich von Bundeskanzlerin Angela Merkel vorangetrieben Atomausstieg ein Kardinalsfehler, der uns alle teuer zu stehen kommt. Auch die Entscheidung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, die letzten vier verbliebenen Kernkraftwerke auf dem Höhepunkt der Energiekrise vor knapp anderthalb Jahren abzuschalten, war weder damals noch im heute möglichen Rückblick vernunftbasiert. Wir Freien Demokraten haben damals zumindest eine mehrmonatige Laufzeitverlängerung erreichen können. Mehr war mit unseren damaligen Koalitionspartnern und angesichts der Führungslosigkeit unter Bundeskanzler Olaf Scholz leider nicht zu erreichen. Sicherlich würde heute die Mehrzahl der Befragten klar bejahen, dass die Abschaltung ein Fehler war und dass die weltweit sichersten Kernkraftwerke uns auch heute noch gute Dienste leisten könnten. Deren Weiterführung wäre im Gegensatz zu den von Robert Habeck regelmäßig als viel zu teuer verschrienen Neubauten auch finanzierbar gewesen.

In der Politik helfen rückwärtsgewandte Perspektiven zumeist aber nicht. Wir müssen stattdessen die Realitäten betrachten, die letztlich auf dem Wählerwillen der Bürgerinnen und Bürger basieren. Eine dauerhaft mehrheitsfähige schwarz-gelbe Koalition hätte sicherlich viele Entscheidungen in den vergangenen 25 Jahren anders getroffen - die Wahlstimmen waren aber nicht entsprechend verteilt. Und bei aller Zuversicht für die vor uns liegende Bundestagswahl gehe ich nicht davon aus, dass allein stabile bürgerliche Mehrheiten die Geschicke unseres Landes für die kommenden Jahrzehnte gestalten werden. Insofern müssen wir der Wahrheit ins Auge blicken, dass die Energiewende und die zu ihrer Umsetzung aufgebrachten Investitionsmittel kaum wieder rückgängig gemacht werden können.

Das heißt, es kann nur darum gehen, den Übergang zu einem klimaneutralen Deutschland wirtschafts- und verbraucherfreundlicher zu gestalten, als dies aktuell der Fall ist. Ausreichende Grundlastkapazitäten durch Gas- und Kohlekraftwerke werden an dieser Stelle noch für lange Zeit notwendig sein. An eine Wiederauferstehung der Kernkraft auf deutschem Boden mag ich aktuell nicht glauben, sicherlich müssen wir aber Augen und Ohren offenhalten, um ggf. neue Forschungs- und Praxisbeispiele im Bereich der Nutzung von Kernkraft auch in unsere politischen und investiven Langzeitüberlegungen mit einbeziehen zu können. Ergänzend hierzu müssen endlich Speichermöglichkeiten entwickelt und finanzierbar gestaltet werden, in denen Wind- und Sonnenkraft auch in Zeiten mehrwöchiger Dunkelflauten in ausreichendem Umfang vorgehalten werden können. Wir müssen mit den richtigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dafür sorgen, dass sich die Fachunternehmen auf die Arbeit an diesen Speichern konzentrieren können und bspw. weniger Personal mit den Dokumentationspflichten für Lieferketten zweckentfremden müssen.

Die konkreten Maßnahmen auf dem Wackerberg sind von diesen allgemeinen Überlegungen letztlich aber nur am Rande betroffen, da die Ausbaupläne bundespolitisch entschieden worden sind und die Bundesländer bzw. Kommunen nun in die Umsetzung gehen. Insofern muss aus meiner Sicht bis auf Weiteres ein deutliches Stoppschild von kommunaler Seite aufgestellt werden. Die drohende Schwächung des Hochwasserschutzes durch Versiegelung und Abholzung stellt für mich eine kaum überwindbare Hürde für die geplanten Baumaßnahmen dar. Sicherlich gibt es für jedes Problem auch technisch Lösungen, dennoch darf die Sicherheit unserer Bevölkerung durch den Ausbau der regenerativen Energiequellen keinesfalls gefährdet werden. Ich erwarte daher, dass Bürgermeister und Verwaltung gegenüber dem Regionalrat bzw. der Kölner Bezirksregierung sehr klar benennen, dass der Windpark nur dann möglich sein kann, wenn gewährleistet ist, dass der Hochwasserschutz nicht darunter leidet. Die Bezirksregierung muss dann nachweisen - z.B. durch externe Gutachten - dass alle Aspekte geprüft und geeignete Maßnahmen zum Bevölkerungs- bzw. Hochwasserschutz ergriffen werden.

Ich habe hierzu bereits Rücksprache mit der FDP-Landtagsfraktion gehalten. Sie wird ihr parlamentarisches Fragerecht nutzen, um ebenfalls darauf hinzuweisen, dass Energiewende und Hochwasserschutz nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Die Landesregierung wird zudem zu geeigneten Maßnahmen und einer Intensivierung der bislang enttäuschen Schutzmaßnahmen aufgefordert. Auch deutliche Kritik an der überstürzten Entscheidungsfindung maßgeblich vorangetrieben von NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur wird Teil der parlamentarischen Initiativen sein. NRW muss die bundespolitisch verabschiedeten Ausbaupläne keinesfalls im Eiltempo und schneller als der Rest unseres Landes erfüllen. Sorgsamkeit geht immer vor Schnelligkeit.

Für den Moment hoffe ich, Ihnen mit dieser Rückmeldung geholfen zu haben und verbleibe

mit freundlichen Grüßen 

Markus Herbrand

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