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Frage von Rolf N. •

Frage an Marion Caspers-Merk von Rolf N. bezüglich Gesundheit

Guten Tag Frau Caspers-Merk,

es ist in jüngster Zeit immer wieder die Rede davon, daß Rentner mit einer Direktversicherung doppelt Sozialbeiträge bezahlen müssen. Sowohl während der Arbeitsphase durch den Arbeitgeber, als auch bei der Auszahlung als Rente oder als Kapitalauszahlung.

Trifft das zu?
Wenn ja mit welchen Argumenten?

Das wäre mW ein einmaliger Fall von Ungerechtigkeit von Staats wegen. Mich interessiert sehr, wie sich die Politik hierzu stellt - und was ggf dagegen unternehmen kann. Ich hoffe Wahlverzicht oder Protestwahl sind nicht die einzigen Mittel.

Mit freundlichem Gruß
Rolf Neukamm

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Neukamm,

vielen Dank für Ihre Frage. Folgendes trifft zu: Seit der Gesundheitsreform 2004 werden auf alle Zahlungen aus Direktversicherungen Krankenversicherungsbeiträge erhoben. Zu zahlen ist der allgemeine Beitragssatz, wobei aus Ermangelung einer Arbeitgeberseite (im Gegensatz etwa zu aktiv Beschäftigten) der gesamte Krankenkassenbeitrag vom Versicherungsnehmer zu zahlen sind.

Darüber haben sich bereits zahlreiche Empfänger von Zahlungen aus Direktversicherungen beschwert. Auch klagen einige, unterstützt von Sozialverbänden, gegen diese Regelung. Aus Sicht des Einzelnen kann ich den Unmut nachvollziehen, halte die Entscheidung aber aus Sicht der Gesamtheit der Versicherten jedoch für notwendig und vertretbar. Lassen Sie mich daher die Zusammenhänge dieser Gesetzesänderung erläutern.

Bis 2004 unterlagen Einmalzahlungen auf Direktversicherungen, die als Altersabsicherung gedacht waren, nicht der Beitragspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Durch das Gesetz zur Modernisierung der GKV, das am 1. Januar 2004 in Kraft getreten ist, wurde die Beitragsfreiheit der Direktversicherungen beseitigt. Dafür gibt es gute Gründe:

Direktversicherungen mit Kapitalabfindung waren bis dahin gegenüber anderen Direktversicherungsformen beitragsrechtlich begünstigt, wenn die Kapitalisierung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart worden war. Für diese Differenzierung gibt es unter dem Blickwinkel der Belastungsgerechtigkeit keinen sachlichen Grund. Die konsequente Umsetzung des Solidarprinzips gebietet es vielmehr, alle Einkünfte aus Direktversicherungen gleich zu behandeln.

Außerdem war die „Direktversicherung mit Einmalzahlung“ den kollektiven Systemen der betrieblichen Alterssicherung gegenüber beitragsrechtlich bevorzugt. Rentner, die betriebliche Altersrenten aus kollektiven bezogen, hatten auf diese Einkünfte je nach ihrem Versichertenstatus bis zum 31.12.2003 den halben allgemeinen oder den vollen ermäßigten Beitragssatz zu zahlen. Auch insoweit war die soziale Symmetrie nicht gewahrt.

Ab dem 01.01.2004 ist auf alle Versorgungsbezüge (Beispiele: Renten aus der betrieblichen Altersversorgung einschließlich der Direktversicherungen, Pensionen und Bezüge aus der Abgeordnetenversorgung) der volle allgemeine Beitragssatz zu zahlen. Damit werden sämtliche Einkünfte aus Versorgungsbezügen seit Anfang dieses Jahres mit dem allgemeinen Beitragssatz der jeweiligen Krankenkasse in die Beitragsbemessung einbezogen. Einziges Kriterium für die Beitragsbemessung ist jetzt die finanzielle Leistungsfähigkeit des einzelnen Rentners. Diesen Paradigmenwechsel halte ich für richtig und sachgerecht.

Vor dem Hintergrund der Finanzierungssituation im Gesundheitswesen sah sich die Bundesregierung um so mehr gezwungen, diese Umgehung der Beitragspflicht zu schließen. Hierzu möchte ich Ihnen ein paar wenige Zahlen nennen, die auch heute noch gelten, und die die von mir angesprochene Entwicklung sehr nachdrücklich verdeutlichen: Im Jahr 2002 hat die GKV für jeden Rentner im Durchschnitt 3907 Euro aufgewandt. Dem standen durchschnittliche Beitragseinnahmen von 1716 Euro pro Rentner gegenüber. Die Beitragszahlungen decken die Leistungsausgaben somit um lediglich 44 Prozent. Zum Vergleich: Im Jahr 1973 betrug diese Deckung noch gut 70 Prozent.

Das Solidarprinzip ist und bleibt jedoch untrennbarer Bestandteil der GKV, die jüngere Generation trägt das höhere Krankheitsrisiko der Älteren mit. Die oben genannten Zahlen zeigen jedoch, dass heute die Ausgaben des Gesundheitswesens wesentlich stärker als früher von den Beiträgen der Erwerbstätigen getragen werden. Damit wurde die Last zu Ungunsten der jungen Generation verschoben. Im Übrigen war die stetig wachsende Deckungslücke in der Krankenversicherung der Rentner eine Ursache für die Beitragserhöhungen. Als Alternative hätte nur eine Erhöhung des allgemeinen Beitragssatzes zur Verfügung gestanden.

Sehr geehrter Herr Neukamm, wie Sie sehen handelt es sich aus meiner Sicht dabei nicht um eine Ungerechtigkeit, um eine einmalige schon gar nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Marion Caspers-Merk, MdB