Frage an Marion Caspers-Merk von Doris S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Ich bin 55, habe seit meinem 16. Lebensjahr gearbeitet, nebenher 12 Jahre meine krebskranke Mutter gepflegt, meinen Vater 2 Jahre gepflegt, sie waren nie in einem Heim. Jetzt bin ich schwer erkrankt und weiß nicht, ob ich überhaupt wieder arbeiten kann. Ich habe in den letzten 15 Jahren mehrere Fortbildungen in meiner Freizeit und mit meinem Privatgeld finanziert. Jetzt, wo ich endlich ernten kann (sowohl in Form von Gehalt bzw. als Erhöhung meiner späteren Rentenbezüge) geht es nicht mehr. Wenn ich mir ansehe, was Personen Rente beziehen, die noch nie einen Cent in unser System einbezahlt haben im Vergleich zu einem Familienvater, der 3 Kinder groß gezogen hat und über 40 Jahre einbezahlt hat frage ich mich, ob wir langsam für uns Deutsche für Gleichberechtigung kämpfen müssen.
Ich würde, sollte ich wirklich nicht mehr arbeiten können, so wenig Rente bekommen, dass ich alle meine Ersparnisse bald aufgebraucht hätte. Ich habe nichts gegen Ausländer uä. ich habe sehr nette in der Nachbarschaft. Aber wenn solche Rentner aufs Amt gehen und nachfragen, ob sie nicht zu viel Rente bekommen, da stimmt doch etwas nicht !!! - Warum hat nicht ein einziger Politiker das Rückgrat, dieses Problem anzugehen ? Es ist doch ein Unterschied, ob ich für eine gewisse soziale Gerechtigkeit einstehe im Unterschied zu Ausländerhaß. Ich trete für Ausländer solidarisch ein, es soll niemand hungern oder ausgegrenzt werden, aber was bei uns geschieht ist total konträr und so etwas finden Sie auf der ganzen Welt nicht mehr. Von denen werden wir übrigens auch ausgelacht bezüglich unserer verklemmten Einstellung und unserer Archillesverse, die so total ausgenutzt wird.
Herzlichen Dank für Ihre Gedanken über dieses Thema und Ihre Stellungnahme
Sehr geehrte Frau Selb,
bevor ich auf Ihre Frage eingehe, möchte ich Ihnen meine Anerkennung aussprechen. Menschen, die wie Sie, sich der Betreuung und Pflege ihrer kranken Familienmitglieder widmen und ihre eigene Lebensplanung zurück stellen, sind einer der wichtigsten Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Unser soziales Sicherungssystem ist ohne diese selbstverständlichen Vorleistungen nicht in der Lage seine hohe Leistungsfähigkeit zu erreichen oder zu halten. Wenn Politiker vom demografischen und gesellschaftlichen Wandel sprechen, dann meinen sie häufig die Probleme die sich daraus ergeben, dass die früher so selbstverständliche Einbettung der Menschen in Familie und Nachbarschaft durch einen zunehmenden Trend der Vereinzelung abgelöst wurde. Für diese Menschen werden Leistungen aus der Renten- oder Pflegeversicherung manchmal zur einzigen Stütze im Leben. Dies bedeutet für diese eine enorme Belastung.
Dass Sie durch die Pflege Ihrer Eltern vom eigenen beruflichen Aufstieg abgehalten wurden, mag Sie verbittern. So jedenfalls verstehe ich Ihr Schreiben. Sie wissen aber, dass die Pflegeversicherung für pflegende Angehörige die Zahlung der Rentenversicherungsbeiträge übernimmt. Mir ist klar, dass bei voller Erwerbstätigkeit höhere Beiträge bezahlt werden könnten, aber die Pflegeleistung der Angehörigen wird auch bei der Rente berücksichtigt.
Ihre Ausführungen zum Rentenbezug von „Ausländern“, wie sie sagen, und die Schlüsse die Sie daraus ziehen sind mir allerdings vollkommen unverständlich. Ich wurde im Ausland noch nie ausgelacht, wenn die Sprache auf unsere Sozialen Sicherungssysteme kam. Im Gegenteil, gerade in Schwellenländern besteht ein großes Interesse an unseren Erfahrungen mit einem leistungsfähigen und gerechten Sozialsystem. Insofern haben Sie Recht: „so etwas finden sie auf der ganzen Welt nicht mehr“.
In unserem Rentensystem gilt der allgemein anerkannte Grundsatz, dass jemand der Beiträge gezahlt hat auch eine Rente erhält. Dabei ist es unerheblich, ob er die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt oder nicht. Aber das können Sie ja nicht gemeint haben, schließlich sprechen Sie sich doch ausdrücklich für soziale Gerechtigkeit aus.
Gelegentlich – meist aus Unwissenheit oder schlimmeren Beweggründen heraus – werden Renten, die aufgrund des Fremdrentengesetzes (FRG) von 1959 gezahlt werden, in Frage gestellt. Ich nehme daher die Gelegenheit war, dies hier erneut klarzustellen: Empfänger sind Deutsche, die nach dem Zweiten Weltkrieg oder in dessen Folge durch Flucht und Vertreibung ihre Rentenansprüche verloren haben. Der größte Teil der Renten wird von Vertriebenen und Aussiedlern bezogen. In den Personenkreis eingeschlossen werden auch Spätaussiedler aus der ehemaligen UdSSR, da davon auszugehen ist, dass sie in Folge des Zweiten Weltkriegs besonders unter ihrer deutschen Abstammung gelitten haben. Gegenüber all diesen Menschen hat sich die Bundesrepublik Deutschland immer, zuletzt nach der Wiedervereinigung, zu ihrer besonderen Verantwortung bekannt.
Aussiedler haben in der Regel ihre Rentenbeiträge in ihren Herkunftsländern erbracht. Das FRG regelt für sie den Rentenanspruch in Deutschland. Dieser liegt deutlich unter dem Rentenansprüchen von Rentnern, die ihre Beiträge in Deutschland gezahlt haben. Seit 1996 sind dies etwa 60% der vergleichbaren inländischen Rentenpunkte. Zudem können nur noch 25 Rentenpunkte (bei Ehepaaren 40) auf der Grundlage des FRG in die Rentenberechnung eingebracht werden. Konkret heißt dies, dass ein Spätaussiedler maximal 656,75 € (Stand 2007) seiner Rente aufgrund von Beitragszahlungen aus der ehemaligen Sowjetunion erhält.
Die Rentenversicherung leistet damit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es ist daher nachvollziehbar, dass sie die Mittel dafür nicht aus den laufenden Beiträgen der aktiven Versicherten aufzubringen hat. Um die Rentenversicherung bei dieser und anderen gesamtgesellschaftlichen Leistungen zu unterstützen, beteiligt sich der Bund über den Bundeszuschuss an der Finanzierung der Renten. Der Bundeszuschuss, 2006 betrug er 78 Mrd. Euro, hat eine sogenannte Multi-Funktion. In ihm kommt die Garantenstellung des Staates für den Fortbestand der gesetzlichen Rentenversicherung zum Ausdruck. Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Beitragszahler heute von der Finanzierung der Leistungen nach dem FRG entlastet sind. Darüber hinaus geht die Gesamtsumme der auf Grund des FRG gezahlten Renten an Flüchtlinge und Aussiedler in den letzten beiden Jahrzehnten kontinuierlich und spürbar zurück.
Mit freundlichen Grüßen
Marion Caspers-Merk, MdB