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Frage von Alfred B. •

Frage an Marion Caspers-Merk von Alfred B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Caspers-Merk,

laut Umfragen waren 79% der Bevölkerung gegen einen Tornado-Einsatz in Afghanistan. Warum haben Sie gegen den Volkswillen entschieden?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Butz

der Einsatz deutscher Aufklärungstornados in Afghanistan wurde im Deutschen Bundestag sehr intensiv diskutiert. Nicht nur in Berlin gibt es viele unterschiedliche Meinungen dazu. Ich habe der Ausweitung des Mandats zugestimmt. Aber einige meiner Kollegen aus allen Fraktionen haben aus Gewissensgründen gegen die Ausweitung gestimmt.

Grundsätzlich habe ich großes Verständnis für die Befürchtung, dass der Einsatz der Tornados Deutschland verstärkt in eine kriegerische Auseinandersetzung hineinziehen könnte, die wir nicht gewollt haben und die wir nicht gewinnen können. Diese Bedenken nehme ich sehr ernst. Gleichzeitig gilt es aber auch die zivilen Komponenten unseres Engagements in Afghanistan nicht zu vergessen. Lassen Sie mich kurz erläutern, welche Faktoren mich bewogen haben, dem Einsatz der Flugzeuge zuzustimmen.

Wir haben in Afghanistan eine angespannte Gefährdungslage – vor allem im Süden des Landes. Diese erfordert die Bereitstellung ausgewählter militärischer Fähigkeiten für die Bekämpfung des Terrors und zum Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten im Land. Nur einige Fakten: Seit dem letzten Jahr hat sich die Anzahl der Selbstmordattentate in Afghanistan verfünffacht. Die gewaltbereite Opposition, regionale „War-Lords“ und die organisierte Kriminalität sind immer noch bestimmende Faktoren für die Sicherheitslage in Afghanistan. Nach wie vor sickern militante Taliban-Anhänger über die 2.400 Kilometer lange Grenze zu Pakistan ein. Diese stellen nicht nur für die Soldaten der internationalen ISAF-Schutztruppe eine Gefahr dar – sie drohen auch die gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Fortschritte für die Menschen im Land zu zerstören. Darüber hinaus fordern die Anschläge der Taliban-Kämpfer immer mehr zivile Opfer.

Mit der Bereitstellung der „Recce-Tornados“ zur Luftaufklärung wird Deutschland einen Beitrag dazu leisten, dass vor allem der unsichere Süden des Landes über bessere Informationen über die aktuelle Gefährdungslage verfügt. Mehr Sicherheit und mehr Schutz liegen auch im Interesse des deutschen Kontingents in Nordafghanistan. Ganz klar ist: Wir haben für Afghanistan eine gemeinsame Verantwortung. Es gibt keine getrennte Sicherheit im Norden und im Süden.

Die Aufklärungskapazitäten der Tornados sind unverzichtbar für eine
aussichtsreiche Strategie am Boden. Mit diesem Einsatz werden die Informationen präziser und die Gefahr ziviler Opfer geringer. Der Schaden, der angerichtet wird, wenn versehentlich ein Dorf bombardiert wird oder eine Hochzeitsgesellschaft, ist nie wieder gut zu machen, wenn wir die Herzen der Bevölkerung in Afghanistan gewinnen wollen. Unser Ziel ist schließlich den Stabilisierungsprozess in Afghanistan voranzubringen und nicht die Konflikte zu verschärfen.

Zudem soll die internationale ISAF-Schutztruppe, die derzeit rund 33.000 Soldaten umfasst, die Autorität der gewählten Zentralregierung stärken und den Wiederaufbau des Landes voranbringen. Das gelingt aber nur in einem relativ sicheren Umfeld. Es bleibt bei den klar getrennten Mandaten und Aufgaben zwischen ISAF und dem Antiterrormandat OEF. Dies wird so auch für Einsätze der „Recce-Tornados“ gelten.

Die Bekämpfung der Gewalt in Afghanistan erfordert einen umfassenden und nachhaltigen Ansatz. Militärische Mittel sind dabei nur ein – allerdings unerlässliches – Element, das von polizeilichen, politischen, entwicklungspolitischen, zivilgesellschaftlichen und wirtschaftlichen Maßnahmen begleitet werden muss.

Die Bekämpfung der Drogenproduktion und des Drogenhandels in Afghanistan zum Beispiel ist aus zweierlei Gründen für Deutschland von besonderer Bedeutung. Zum einen wirkt sich eine Reduzierung des Drogenanbaus aufgrund Afghanistans herausragender Stellung als Schlafmohnproduzent unmittelbar auf das Angebot in Deutschland aus. Zum zweiten stellt das Drogenproblem eines der größten Hindernisse auf dem Weg Afghanistans zu mehr Sicherheit und Entwicklung und zu einem gelungenen Wiederaufbau politischer, sozialer und wirtschaftlicher Strukturen dar. Die Drogenproduktion und der Drogenhandel begünstigen den Aufbau von parallelen Machtstrukturen und unterminieren auf diese Weise die Autorität des Staates. Um das staatliche Gewaltmonopol in Afghanistan wiederherzustellen, Stabilität und nachhaltige Entwicklung zu erreichen sowie den Demokratieprozess auf eine solide Grundlage zu stellen, unterstützt Deutschland mit der EU die afghanische Regierung massiv bei der Umsetzung ihrer Drogenbekämpfungsstrategie. So ist es uns 2005 erstmalig gelungen, die Anbauflächen für Schlafmohn im Land zu reduzieren (um 21%). Dennoch ist Afghanistan weiterhin mit 87% der weltweit größte Opiumproduzent. Etwa 9% der Bevölkerung Afghanistans leben vom Opiumanbau. Diesen Menschen gilt es eine sichere und nachhaltige Alternative zum Drogenanbau zu bieten. Nur so kann Afghanistan sich stabilisieren und selbst ernähren.

Die anhaltende Dynamik der afghanischen Drogenwirtschaft kann für den erfolgreichen Wiederaufbau des Landes gefährlicher werden als die Aktivitäten der militanten Opposition. Bei der Bekämpfung der Drogenwirtschaft ist es daher erforderlich, dass Afghanistan internationale Unterstützung erhält. Insbesondere die EU (unter der Führung Großbritanniens) leistet auf diesem Gebiet Hilfe. Deutschlands Führungsrolle beim Wiederaufbau der afghanischen Polizei ist inhaltlich damit verbunden. Darüber hinaus engagiert sich Deutschland bei verschiedenen Projekten im Bereich der „Alternativen Entwicklung“, das heißt, der Schaffung alternativer Einkommensquellen zum Schlafmohnanbau sowie bei Projekten zur Konsumprävention.

Die Einkünfte insbesondere aus dem Handel mit Rohopium dienen sowohl den „War-Lords“ als auch den Taliban zur Finanzierung ihrer kriegerischen Aktivitäten. Eine erfolgreiche und dauerhafte Befriedung Afghanistans ist daher nur mit einer Strategie zu erreichen, die sowohl auf militärisches wie auf gesellschaftliches und wirtschaftliches Engagement setzt.

Mit freundlichen Grüßen

Marion Caspers-Merk, MdB