Frage an Marion Caspers-Merk von Andreas K. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Caspers-Merk,
ich lebe seit 2 Jahren im Elsass, bin Beamter des Landes Baden-Württemberg und arbeite in Weil am Rhein. Meine Frau ist Französin und arbeitet in der Schweiz. Da wir vorher in Weil wohnten, werde ich dort bei der nächsten Bundestagswahl wählen.
Bei unserer etwas komplizierten Lebens- und Arbeitskonstellation bin ich auf zwei Ungereimtheiten gestoßen, die meines Erachtens von der Politik geändert werden sollten, und hierzu würde mich Ihre Meinung interessieren.
Meine erste Frage betrifft die Steuern:
Als Grenzgänger ist man ja in dem Land steuerpflichtig, in dem man wohnt. Eine Ausnahme gibt es für Staatsdiener wie mich, die ihre Steuern im Arbeitsland entrichten müssen. So muss ich eine Steuererklärung in Deutschland machen, außerdem müssen wir als Familie (mit Kind) gemeinsam eine Steuererklärung in Frankreich abgeben.
Nun habe ich überhaupt kein Problem damit, als deutscher Beamter meine Steuern auch in Deutschland zu bezahlen. Allerdings ist es so, dass die deutschen Finanzbehörden mich besteuern wie einen Single - nach Steuerklasse 1. Das Gehalt meiner Frau wird für die Berechnung meines Steuersatzes nicht berücksichtigt. Dagegen berücksichtigt Frankreich bei der Besteuerung des Gehaltes meiner Frau sehr wohl mein Einkommen!
Dies führt dazu, dass meine Frau - da ich mehr verdiene als sie - in Frankreich mit einem höheren Steuersatz besteuert wird, als wenn sie nicht verheiratet wäre, während ihr geringeres Einkommen für die Berechnung meines deutschen Steuersatzes nicht berücksichtigt wird. Dies wäre nur möglich, wenn ihr in Frankreich zu versteuerndes Jahreseinkommen weniger als 6136 Euro betragen würde - eine relativ niedrige Summe.
Insgesamt zahlen wir also als Ehepaar mehr Steuern als wenn wir nicht verheiratet wären.
Wären Sie bereit, im Sinne der Grenzgänger der Region, die sich in vergleichbaren Situationen befinden, für eine Gesetzesänderung einzutreten, die diese Ungleichbehandlung beseitigt?
Meine zweite Frage stelle ich separat.
Sehr geehrter Kilberth,
gerne beantworte ich Ihre Frage zur Pflegeversicherung und die Frage zur Doppelbesteuerung bei Grenzgängern.
Die Arbeits- und Lebenssituation Ihrer Familie ist, wie Sie selbst schreiben, nicht ganz einfach, aber auch kein Einzelfall im Dreiländereck. In der Folge der mittlerweile uneingeschränkten Freizügigkeit in Deutschland, Frankreich und der Schweiz tauchen immer wieder neue Fragen bezüglich der Versteuerung oder dem Bezug von Sozialleistungen auf. Diese lassen sich meist durch die mit der Freizügigkeit einhergehenden EU-Regeln klären.
Bei der Pflegeversicherung wirken sich die so genannten europarechtlichen Kollisionsvorschriften zu Ihren Gunsten aus: Entgegen der Auskunft Ihrer privaten Pflegeversicherung haben Sie als dauerhaft in Frankreich lebender Versicherter einer privaten deutschen Pflegeversicherung Anrecht auf deren Leistungen. Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71, die auch für die private Pflegepflichtversicherung gilt, sieht bei Geldleistungen wie dem Pflegegeld einen Leistungsexport ins Ausland vor.
Zu Pflegesachleistungen an dauerhaft im Ausland lebende Versicherte privater Pflegeversicherungen gibt es ein Urteil des Bundessozialgerichts (AZ: B 3 P 3/05 R vom 28.9.2008). Zwar fallen diese nicht unter die Verordnung 1408/71. Aber aus der Ausübung des Freizügigkeitsrechtes dürfen dem Versicherten laut Bundessozialgericht keine Nachteile bei Sozialleistungen entstehen. Daraus folgert das Gericht, dass dem Versicherten (bei dauerhaftem Aufenthalt) im Ausland anfallende Pflegesachleistungen bis zur Höhe der in Deutschland geltenden Sätze auf dem Weg der Kostenerstattung zu ersetzen sind. Hierfür müssen Sie entsprechende Nachweise erbringen, denn die Kosten werden nicht pauschal erstattet.
Ich empfehle Ihnen, sich mit Ihrer privaten Pflegeversicherung in Verbindung zu setzen und auf die Rechtslage hinzuweisen. Mir sei noch der Hinweis erlaubt, dass die SPD bei den Verhandlungen zur Gesundheitsreform vorgeschlagen hatte, in der gesetzlichen Krankenversicherung (und somit auch in der Pflegeversicherung) eine anteilige Mitgliedschaft für Beihilfeberechtigte einzuführen. Beamte hätten dann für die nicht von der Beihilfe abgedeckten Krankheitsrisiken die Wahl gehabt zwischen einer freiwilligen Teil-Mitgliedschaft in der GKV mit allen Vorteilen der GKV, wie etwa der Familienversicherung oder der Beitragssicherheit im Alter, oder einer meist im Alter teuer werdenden privaten Krankenversicherung. Dies wurde von der CDU/CSU abgelehnt. Eine solche Lösung würde das Geschäftsmodell der PKV für Beihilfeberechtigte berühren.
Zur Frage der Besteuerung von Grenzgängern musste ich zunächst den fachlichen Rat bei meinen Kollegen im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags einholen. Dies ist auch der Grund für die Verzögerung bei der Antwort. Grundlage für die Besteuerung von Grenzgängern ist das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Frankreich. In Artikel 14 enthält dieses eine Spezialvorschrift für Einkünfte aus einer gegenwärtigen oder früheren Tätigkeit im öffentlichen Dienst. Danach können diese Einkünfte nur im Kassenstaat, also in Ihrem Fall in Deutschland, besteuert werden. Mit dieser Vorschrift soll sichergestellt werden, dass dem Vertragsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht zugewiesen wird, aus dessen öffentlichen Kassen die Bezüge gezahlt werden. Dies entspricht den Regeln der internationalen Gepflogenheit und ist Ausfluss der gegenseitigen Achtung souveräner Staaten.
Diese Differenzierung nach der Art des Beschäftigungsverhältnisses ist bewusst vorgenommen worden. Weiterhin stellt die Berücksichtigung der Einkünfte des deutschen Ehegatten bei der Festsetzung des Steuersatzes bei der Besteuerung der französischen Ehegattin keine Doppelbesteuerung dar. Das Einkommen des Ehegatten trägt allein zur Progression des Steuersatzes bei. Nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit würde Deutschland in einem umgekehrten Fall ebenfalls so verfahren.
Davon nicht betroffen ist Ihre Einstufung in Steuerklasse I durch die deutschen Finanzbehörden. Da ich davon ausgehe, dass Sie eine Einkommenssteuererklärung abgeben, werden Ihnen die eventuell zu viel gezahlten Steuern so verrechnet.
Mit freundlichen Grüßen
Marion Caspers-Merk, MdB