Frage an Mario Czaja von Jürgen R. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Czaja,
in Berlin halten sich etwa 20.000 abgelehnte Asylbewerber auf.
Sollte die Zahl (aus der Presse entnommen) nicht stimmen, bitte nennen Sie die konkrete Zahl?
Unterbringung und Verpflegung inklusive medizinische Betreuung kosten Geld.
Warum leistet Berlin sich diesen Luxus auf Kosten der Steuerzahler und schiebt nicht konsequent ab?
Da der Senat die Abschiebehaft abgeschafft hat, sind Direktabschiebungen ohne Haft, mit hohem Aufwand verbunden.
Polizisten müssen die Abzuschiebenden suchen, selbst wenn diese gefunden werden, wird mit vielen Tricks versucht die Abschiebung zu verhindern.
Asylbewerber, die wegen Gewalt- und Sexualdelikten verurteilt wurden,
bleiben auf freien Fuß und könnten untertauchen, wegen fehlender Abschiebehaft.
Was würden Sie unternehmen, um die erfolgreiche Durchsetzung der Abschiebung zu gewährleisten?
Mit freundlichen Grüßen
J. R.
Sehr geehrter Herr R.,
gerne beantworte ich Ihnen Ihre Fragen.
Die von Ihnen genannte Zahl ist nicht richtig. Generell werden nicht die Zahlen der abgelehnten Asylbewerber, sondern die Zahlen der Ausreisepflichtigen erfasst. Sie können dies unter https://www.berlin.de/labo/willkommen-in-berlin/artikel.273740.php jederzeit nachlesen. Diese ist nicht mit abgelehnten Asylbewerber gleichzusetzen. Da abgelehnte Asylbewerber, viel häufiger als man in der Öffentlichkeit glaubt, freiwillig von den Rückreiseangeboten Gebrauch machen.
Am 30. Juni 2016 betrug die Zahl der Ausreisepflichtigen in Berlin 9362. Diese Anzahl ist seit Herbst letzten Jahres relativ konstant. Die Ausreisepflichtigen umfassen Personen, die entweder über eine Duldung oder eine Grenzübertrittsbescheinigung verfügen. Die Geduldeten sind zwar ausreisepflichtig, dass sie das Land nicht verlassen, liegt aber nicht an einer inkonsequenten Anwendung des Rechts, sondern daran, dass rechtliche oder tatsächliche Abschiebungshindernisse bestehen.
Das nicht konsequent abgeschoben wird, stimmt nicht. Die Zahl der Abschiebungen hat sich seit 2012 (363 Abschiebungen), 2013 (500 Abschiebungen), 2014 (602 Abschiebungen), 2015 (806 Abschiebungen) bis 2016 (Stand 31. Juli 2016: 1286 Abschiebungen) konsequent gesteigert.
(Zum Vergleich folgende Pressemitteilung der Senatsverwaltung für Inneres: http://www.berlin.de/sen/inneres/presse/pressemitteilungen/2016/pressemitteilung.494875.php ) Oftmals gibt es aber auch Abschiebehindernisse. So wird ein abgelehnter Asylbewerber (und ggf. auch seine Familie) nicht abgeschoben, wenn ein Ausreisehindernis vorliegt. Dies kann z.B. eine geltend gemachte Reiseunfähigkeit oder auch eine Passlosigkeit sein. Erst nach Beseitigung des Ausreisehindernisses kommt eine Abschiebung in Betracht. Darüber hinaus ist anzumerken, dass aus rechtlichen und auch humanitären Gründen der freiwilligen Ausreise vor der erzwungenen Rückführung Vorrang gegeben wird. Vollziehbar Ausreisepflichtigen, die ihre freiwillige Ausreise ernsthaft betreiben, wird die freiwillige Ausreise in der Regel auch ermöglicht. Sofern mangels erkennbarer Ausreisebereitschaft eine erzwungene Rückführung erforderlich wird, wird diese zeitnah und konsequent von der Ausländerbehörde vorbereitet. Die Durchführung der Abschiebung stößt dann jedoch häufig auf praktische Probleme. Beispielsweise werden die Betroffenen am Tag der Abschiebung oft nicht unter ihrer Meldeanschrift angetroffen und können daher nicht festgenommen werden.
Die Abschiebehaft wurde nicht abgeschafft. Sie findet nur in ganz Deutschland weniger Anwendung. Die Entscheidungspraxis der Berliner Gerichte ist dabei sehr restriktiv, so dass in der Vergangenheit nur noch in wenigen Fällen Abschiebehaft durch das Gericht angeordnet wurde. Deshalb arbeitet Berlin vornehmlich im Wege der Direktabschiebung. Derzeit gibt es aber auf Bundesebene einige rechtliche Initiativen, um wieder vermehrt zu einer Abschiebehaft zu kommen. Diese Entwicklung bleibt insofern abzuwarten. Wenn es derzeit einen Fall von Abschiebehaft gibt, wird dieser im Wege der Amtshilfe in Eisenhüttenstadt untergebracht. Berlin ist momentan mit dem Land Brandenburg in Verhandlungen, hier zu einer dauerhaften Vereinbarung zu kommen.
Lassen Sie mich abschließend sagen, dass ich in meiner Funktion als Senator für Soziales die Rückkehrberatung im Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten sehr gestärkt habe. Die freiwillige Rückkehr ist für beide Seiten eine bessere und zudem günstigere Form der Ausreise. Die Nachfrage in den Programmen hat sich zum Vorjahr mehr als vervierfacht.
Mit freundlichen Grüßen
Mario Czaja