Frage an Marieluise Beck von Claudia F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Beck,
gestern habe ich mit Freunden in größerer Runde darüber diskutiert, ob Handel mit nicht-demokratischen Regimes, welche die Menschenrechte nicht achten, von der Politik unterstützt oder unterbunden werden sollte. Dabei haben wir festgestellt, dass dieses Thema eine sehr wichtige Frage der kommenden Wahl für uns ist.
Gerade im Hinblick auf die kommende Wahl wäre es für uns interessant, Ihre Meinung hierzu zu kennen. Ihre Antwort könnte unter Umständen entscheiden, wo wir unser Kreuz setzen werden.
Ich würde mich über eine ausführliche Antwort freuen!
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Friedl
Sehr geehrte Frau Friedl,
Sie sprechen in der Tat ein wichtiges Thema an, das auch bei unseren außenpolitischen Debatten oft diskutiert wird: Wie gehen wir mit autoritären Staaten um? Was ist der bessere Weg, Kooperation oder Isolation? In diesen Fragen gibt es keine einfachen und allgemeingültigen Antworten. Hier muss jeder Fall genau betrachtet werden. Nehmen wir das Beispiel Belarus. Mit dem Regime von Alexander Lukaschenko gab es in den letzten Jahren verschiedene Phasen des Umgangs. In den Jahren 2008 bis 2010 hat die Europäische Union das Land in die östliche Partnerschaft aufgenommen, um durch das Versprechen einer engeren Anbindung an die EU auch die Einhaltung menschenrechtlicher und demokratischer Standards zu fördern. Das ganze schien auch zu funktionieren. Zu den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2010 wurden mehrere Oppositionelle Kandidaten zugelassen. Fernsehauftritte und Wahlwerbung waren möglich, auch wenn der Autokrat Lukaschenko seine Medienmacht natürlich skrupellos ausspielte. Am 19. Dezember zerstörte Lukaschenko mit der brutalen Niederschlagung der Proteste gegen Wahlfälschungen und der Verhaftung zahlreicher Oppositioneller jegliche Hoffnung auf eine Demokratisierung des Landes. Die EU reagierte mit einem Abbruch der Beziehungen und Sanktionen, um die Freilassung der politischen Häftlinge zu erwirken. Inzwischen, fast zwei Jahre später, ist zumindest ein Großteil der inhaftierten Regimegegner wieder frei. Das Lukanschenko Regime zeigt allerdings keinerlei Bestrebungen, die abgebrochenen Beziehungen zur EU reparieren zu wollen. Vielmehr sucht das Land die enge wirtschaftliche und politische Kooperation mit Moskau, auch um die Sanktionen der Europäischen Union zu unterlaufen.
Das Beispiel Belarus zeigt, wie schwierig es ist, eine Regierung effektiv mit Sanktionen zu belegen. Oft findet das Regime Möglichkeiten diese zu umgehen, etwa indem es den Handel mit anderen nicht demokratischen Regimes ausweitet. Gleichzeitig besteht das Problem, das vor allem die Bevölkerung unter Wirtschaftssanktionen leiden kann. Dies kann von dem Regime wiederum benutzt werden um Stimmung gegen die Sanktionspolitik machen, und es kann passieren, dass sich die Bevölkerung hinter ein Regime stellt, das durch seine Politik für die wirtschaftliche Misere eigentlich verantwortlich ist.
Dennoch können Sanktionen und internationaler Druck auch ein wirksames Mittel sein, um positive Veränderungen zu erreichen. Das Beispiel Myanmar etwa, scheint dies gerade zu belegen.
In diesem Sinne bleibt als Fazit, dass es keinen allgemeingültigen Weg gibt, wann und ob eine Sanktionspolitik sinnvoll ist. Eine solch schwerwiegende Entscheidung muss immer genau abgewogen und international abgestimmt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Marieluise Beck