Frage an Marie Schäffer von Thomas K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Schäffer,
ich bin Physiotherapeut und lebe und arbeite in Potsdam. Ich freue mich dass sich meine Berufsgruppe im Wandel befindet. Seitdem die Bewegung #therapeutenamlimit aktiv ist, sind nach jahrzehntelangem Stillstand positive Entwicklungen spürbar. Um den Beruf der Therapeuten attraktiver zu machen und einem Abwandern der Fachkräfte in andere Berufe entgegen zu wirken, sowie neue Therapeuten für diese wunderbare Tätigkeit zu begeistern gibt es noch viel zu tun.
Was können Sie oder Ihre Partei tun, um die Forderungen der Therapeuten am Limit zu verwirklichen? (folgend nur ein paar Beispiele)
-bundesweite Abschaffung des Schulgeldes
-eine Ausbildungsreform
-eine Stärkung der akademischen Ausbildung
-eine am Bedarf ausgerichtete faire Honorierung
-deutliche Anhebung der Hausbesuchspauschalen
Mit freundlichem Gruß
T. K.
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich bitte um Entschuldigung für die etwas längere Antwortzeit. Da ich bisher wenig mit diesem Thema zu tun hatte, wollte ich mich zunächst mit den Fachleuten bei uns in der Partei kurzschließen.
Selbstverständlich verdienen Heilmittelerbringende eine besondere Wertschätzung. Mir ist es wichtig, dass sich die gesellschaftliche Anerkennung, die sich eben auch in guten Arbeitsbedingungen ausdrückt, nicht auf die hochbezahlten technischen Berufe beschränkt. Gerade in Zeiten zunehmender Automatisierung muss die wichtige Arbeit von Menschen für Menschen meiner Meinung nach aufgewertet werden.
Dies gilt besonders hier in Brandenburg, wo viele ältere Menschen mit einem entsprechend hohen Risiko chronischer Erkrankungen leben und die Wege lang sind. Wir Bündnisgrüne sehen daher die Fachkräftesicherung in diesem Sektor als eine der großen Herausforderungen der Zukunft an. Daher fordern wir für Brandenburg die Einrichtung eines runden Tisches zur Fachkräftesicherung für Gesundheit und Pflege, der ein verbindliches Maßnahmenpaket erarbeitet und die Umsetzung begleitet.
Unser Gesundheitssystem ist ein dynamischer und wachsender Arbeitsbereich, der vielen Menschen in allen Landesteilen eine gute Perspektive bietet. Mit fast 100.000 Beschäftigten in Pflege, Reha- und Wellnesseinrichtungen ist er bereits einer der größten Wirtschaftszweige. Auch deshalb muss hier besonders hingeschaut werden.
Zu den konkreten von Ihnen angesprochenen Punkten:
- Bundesweite Abschaffung des Schulgeldes
Das Schulgeld muss aus unserer Sicht wegfallen. Eine bundesweite Abschaffung des Schulgeldes liegt nachvollziehbarerweise nicht in der Hand eines einzelnen Bundeslandes. Die Gesundheitsministerkonferenz hat den Beschluss gefasst, die Bundesregierung möge eine bundeseinheitliche Regelung zur Schulgeldfreiheit aller nicht akademischen Gesundheitsfachberufe bis zum Ende des Jahres vorlegen. Diesen Beschluss begrüßen wir. Zudem wollen wir eine Diskussion starten, wie eine Ausbildungsvergütung organisiert werden kann.
- Ausbildungsreform
Junge Menschen, die hier im Land in der Gesundheitsversorgung arbeiten wollen, brauchen neben einer konkurrenzfähigen Bezahlung vor allem auch attraktive Arbeitsplätze mit einer neuen Kultur der Zusammenarbeit. Viele Beschäftigte in Gesundheitsberufen möchten nicht mehr in einem durch Status und starre Hierarchien geprägten System arbeiten. Wir wollen Versorgung so denken, dass alle Gesundheitsberufe eng zusammenarbeiten und dies wissenschaftlich begleiten lassen. Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz mindert den Fachkräftemangel erheblich und ist ein Standortvorteil.
- Stärkung der akademischen Ausbildung
Auf Bundesebene fordern wir, dass Maßnahmen ergriffen werden, damit die Akademisierung mit dem Auslaufen der Modellstudiengänge im Jahr 2021 umgesetzt werden kann. Ein Evaluationsbericht hat deutlich hervorgehoben, dass eine Akademisierung machbar und sinnvoll ist. Zudem ist sie notwendig zur Aufwertung des Berufs und um eine Perspektive für künftige Heilmittelerbringer zu schaffen. Die Alterung der Gesellschaft, vermehrt chronisch erkrankte und multimorbide Menschen verändert auch die therapeutische Versorgung und erfordert eine Ausweitung der Forschungsaktivitäten in den einzelnen therapeutischen Disziplinen, aber auch in interprofessionellen Bereichen wie der Rehabilitations- und Versorgungsforschung. Eine verstärkte Akademisierung, die Einführung einer regelhaften, primärqualifizierenden akademischen Ausbildung ist überfällig.
- Deutliche Anhebung der Hausbesuchspauschalen
Hausbesuche sind gerade für die Versorgung alter und hochaltriger Patient*innen von großer Bedeutung. Die zusätzliche Vergütung für diese Versorgung darf daher für die Physiotherapeut*innen nicht so gering ausfallen, dass sie wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit nicht angeboten werden kann. Diese Gefahr besteht vor allem im ländlichen Raum. Allerdings ist dieses Problem bundes- und nicht landesrechtlich zu lösen.
- Am Bedarf ausgerichtete faire Honorierung
Wir sehen es als hochproblematisch an, dass aktuell wohl eine eigenständige Existenzsicherung sowie der Aufbau einer adäquaten Alterssicherung für viele Angehörige der Berufe der Heilmittelversorgung nicht möglich ist. Wir setzen uns daher auf Bundesebene für eine einheitliche Gebührenordnung für Heilmittelberufe in der gesetzlichen Krankenversicherung ein, die auf regelgebundenen jährlichen Vergütungsanpassungen und einer realistischen Kostenkalkulation beruht. Das „Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung" (TSVG) hat grundsätzliche positive Regelungen wie etwa zur Heil- und Hilfsmittelversorgung gebracht. Allerdings nur in einem ersten Schritt. Es ist aus unserer Sicht unzureichend, alle Honorare auf das höchste bundesweit ausgehandelte Niveau anzuheben. Selbständige Logopäd*innen, Physiotherapeut*innen, Ergotherapeut*innen und Diätassistent*innen müssen von diesem Geld leben und auch tarifgerechte Gehälter zahlen können.
Ich hoffe, Ihre Frage damit beantworten zu können, auch wenn leider viele der drängenden Fragen nicht direkt hier auf Landesebene gelöst werden können. Wir behalten uns aber vor, unseren Themen mit Bundesratsinitiativen Nachdruck zu verleihen, gerade dort, wo die besondere Situation Brandenburgs dies erfordert.
Bei Nachfragen können Sie sich natürlich gerne an mich oder auch an unsere Spitzenkandidatin und Expertin für diesen Bereich, Ursula Nonnemacher, wenden.
Herzliche Grüße
Marie Schäffer