Frage an Marianne Linke von Sandy B. bezüglich Recht
Wie stehen Sie zur Geschichte von SED und DDR? Meinen Sie das es gut ist für eine Gesellschaft, dass ehemalige Mitarbeiter der Stasi wieder an die Schalthebel der Macht gelangen?
Inwiefern unterstützen sie Opferorganisationen ehemaliger Verfolgter durch das SED-Regime?
Sehr geehrte Sandy Brauthof,
aus der Geschichte kann und muss jede Generation aufs Neue viel lernen. Ich freue mich über alle Menschen, die neugierig und ohne Vorurteile Fragen stellen und z.B. ganz genau von ihren Eltern, Großeltern oder Lehrern wissen wollen, wie es fr*her war, was Leute dachten, was ihr Handeln bestimmte und welche Wünsche und Träume sie hatten, womit sie nicht einverstanden waren und was sie vielleicht dagegen taten.
Eigene Geschichte zu bewerten – gerade bei persönlicher Betroffenheit - ist allerdings oftmals gar nicht so leicht. Ich habe in der DDR gelebt, konnte eine gute Ausbildung, einschließlich eines Studiums absolvieren, eine Familie gründen, mich beruflich entwickeln, ohne Sorge um einen Arbeitsplatz oder die Betreuung und Ausbildung meiner Kinder … Vieles war selbstverständlich, was es heute nicht mehr ist. Ich habe aber auch lernen müssen, dass der Mensch nicht nur Sicherheit will, sondern zur Entfaltung seiner Persönlichkeit persönliche Freiheit und Chancen zur demokratischen Mitgestaltung braucht.
Diesen Erkenntnisprozess hat auch meine Partei durchlaufen, die heute pluralistisch ist und sich dem demokratischen Sozialismus verpflichtet fühlt – d.h. Meinungsstreit mit allseits akzeptierten Mehrheitsentscheidungen.
Was als so einfache, einleuchtende Erkenntnis daher kommt, haben wir uns hart erstritten. Nicht jeder ist diesen Weg mitgegangen.
Sie fragen nach meinen Ansichten zum Umgang Frauen und Männern, die zu DDR-Zeiten beim MfS waren.
Ich teile die Auffassung vieler Juristen unseres Landes, dass ein Mensch stets nach seinen Taten beurteilt werden muss. Leider habe ich aber den Eindruck, dass die alleinige Zugeh*rigkeit, ja mitunter sogar nur ein entsprechender Verdacht in der Vergangenheit ausgereicht haben, Menschen zu diskreditieren, ihrer beruflichen Chancen zu berauben. Das widerspricht den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Bundesrepublik. Ich bin sehr froh, dass die Rechtsprechung hier sehr oft für Klarheit gesorgt hat.
Wir brauchen eine gesellschaftliche Diskussion für den Umgang mit Geschichte und auch für den generellen Umgang mit Geheimdiensten.
Ich schätze die Arbeit von Opferverbänden. Jedem, dem Unrecht geschehen ist, muss Wiedergutmachung wiederfahren.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Marianne Linke