Wie stehen Sie dazu, alle oder zumindest einige Straßen im Bezirk umzubenennen, die sich auf Personen mit militärischem oder kriegerischen Hintergrund beziehen, wie z.B Yorkstr., Gneisenaustr. etc.
Sehr geehrter Herr Eschenbach,
vielen Dank für Ihre Frage und das damit verbundene Interesse an Grüner Politik zu Gedenkkultur.
Vergangenes ist nicht nur unser Gestern, sondern immer auch Teil unseres Heute. Deshalb ist Erinnerungskultur immer auch Ausdruck dessen, was und wie wir sein wollen. Geschichte und damit Gegenwart unseres Bezirks zu erinnern heißt für uns, seine vielfältigen Geschichten aus immer wieder neuen Blickwinkeln heraus zu betrachten. In einer offenen Gesellschaft muss Erinnerungskultur dynamisch gedacht werden. Neue Erfahrungen und Widersprüche müssen in demokratischen Prozessen bearbeitet werden können.
Kreuzberg ist im öffentlichen Raum bis heute geprägt von Zeugnissen des militärisch-preußischen Erbes und Gedenkzeichen für preußische Generäle, Schlachten und “ruhmreiche Siege”. Wir wollen einen Diskursprozess zum Umgang mit diesen Zeugnissen unserer Geschichte initiieren. Schon allein diese Ankündigung lässt heutige Patriot*innen fürchten, wir planten die Blüchers, Yorcks und Wrangels von ihren Straßenschildern zu schubsen und dabei mal eben halb Kreuzberg umzubenennen. Wenn die Bürger*innen dies wollen, dann auch dies. Wir wollen jedoch keine Gedenkkultur "von oben", sondern einen breiten Diskurs mit den Bürger*innen.
Entscheidend hierfür sind zivilgesellschaftliche Initiativen und die bezirklichen Kultureinrichtungen, insbesondere das Friedrichshain-Kreuzberg (FHXB)-Museum, das partizipativ und nachbarschaftsorientiert immer wieder Geschichten erzählt, die (bewusst) vergessen werden. Die Diversität unseres Bezirkes soll sowohl in der Zusammensetzung der bezirklichen Einrichtungen und Fachgremien, als auch in seinen Gedenkzeichen und Straßennamen sichtbar gemacht werden.
Die Dominanz heterosexueller weißer Männer auch im öffentlichen Straßenraum zu brechen, bleibt weiterhin unser Ziel. Um langfristig Veränderung zu bewirken und die Diversität unserer Gesellschaft abzubilden, braucht es weitere Veränderung. Als Grüne haben wir den bezirklichen Frauenbeschluss im Jahr 2005 initiiert, nach dem Straßen und Plätze in der Regel nur nach Frauen und LSBTIQ*-Personen benannt werden sollen, bis diese in ihrer Mehrheit nicht nur heterosexuelle weiße cis-Männer repräsentieren. Diesen Beschluss wollen wir forcieren. Insbesondere Women of Colour, Frauen unserer Migrationsgeschichte, aus dem Widerstand gegen autoritäre Regime oder Menschen aus der LSBTIQ*-Community, denen in der Erinnerungslandschaft bislang weitgehend kein Raum eingeräumt wurde, die aber wesentliche Facetten der neueren Geschichte unseres Bezirks verkörpern, sollen präsenter im öffentlichen Straßenraum werden.
An diesem Diskurs möchte ich in den nächsten 5 Jahren als Abgeordnete gerne im Sinne der Bürger*innen meines Wahlkreises mitwirken, deren direktes Umfeld die militaristisch benannten Straßen sind und deren Interessen in der Diskussion ich eine Stimme geben möchte.
Mit freundlichen Grüßen
Marianne Burkert-Eulitz