Frage an Marianne Burkert-Eulitz von David S. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Burkert-Eulitz,
Zuerst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass ich meine Fragen neben Ihnen an die Kandidaten der SPD, der Linke und der Piraten stelle. Je nachdem, wer die meiner Meinung nach plausibelste bzw. glaubwürdigste Antwort gibt wird meine Stimme erhalten.
Die für mich interessantesten Fragen betreffen die Privatisierung der Wasserbetriebe sowie die S-Bahn.
Nun meine Fragen:
1. Plant Ihre Partei die Berliner Wasserbetriebe wieder unter kommunaler Führung zurückzukaufen? Wenn ja, wie schätzen Sie die juristischen Hürden ein und für wie machbar halten Sie die Finanzierung?
2. Plant Ihre Partei die S-Bahn Berlin wieder unter kommunale Verwaltung zu stellen und wie rechnen Sie sich die juristischen sowie finanziellen Chancen dafür aus. Welche Kosten (und zukünftigen Gewinne) werden dabei erwartet? Und wie würde das System S-Bahn reformiert werden?
Ich freue mich auf Ihre Rückmeldung und wünsche viel Glück bei der Wahl,
D.Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Fragen. Da diese aber sehr komplex sind, möchte ich Sie bitten etwas Geduld zu haben, damit ich sie entsprechend beantworten kann.
Vielen Dank.
Ihre
Marianne Burkert-Eulitz
1.Plant Ihre Partei die Berliner Wasserbetriebe wieder unter kommunaler Führung zurückzukaufen? Wenn ja, wie schätzen Sie die juristischen Hürden ein und für wie machbar halten Sie die Finanzierung?
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Antwort:
Sehr geehrter Herr Schmidt,
vielen Dank für Ihre Geduld, nunmehr möchte ich Ihre Fragen etwas umfangreicher beantworten. Wir Grüne haben uns von Anfang an für die Bestrebungen des Berliner Wassertisches eingesetzt und dabei mitgeholfen, das erfolgreiche Volksbegehren gegen Herrn Wowereit und die Rot-Rote Regierung durchzusetzen. Für mich gehört das Lebensmittel Wasser als Aufgabe der Daseinsvorsorge in öffentliche Hände. Es muss frei von privater Spekulation sein. Paris hat erfolgreich vorgemacht, wie eine Rekommunalisierung gelingen kann. Daran sollte sich Berlin orientieren. Unsere grüne Zielsetzung besteht nicht nur in der Offenlegung bisher geheimer Privatisierungsverträge, sondern perspektivisch auch in der Rekommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe. Es ist aus meiner Sicht ein unhaltbarer Zustand, dass wir in Berlin eben genau seit der Teilprivatisierung im Bundesvergleich mit die höchsten Wasserpreise haben. Der Weg kann also nur in einer Wiedererlangung öffentlicher Kontrolle über die Wasserversorgung sein. Die rechtlichen und politischen politischen Schritte und die praktische Umsetzbarkeit sind bis zum jetzigen Zeitpunkt leider noch nicht genau absehbar, da noch immer nicht alle Informationen vorliegen. So mussten erst die Verbraucherzentrale Berlin und Transparency International die EU-Kommission einschalten, um rechtlich prüfen zu lassen, ob es sich bei den erst kürzlich veröffentlichen Wasserverträgen möglicherweise um eine unzulässige Beihilfe handelt. Hierzu in Kontrast steht die sträfliche Untätigkeit des rot-roten Senats, insbesondere Senator Wolfs von der Linkpartei. Er hat wiederholt versprochen, sich für eine Rekommunalisierung und Wasserpreissenkung einzusetzen. Für die notwendigen Schritte hatte er als Wirtschaftssenator nun wahrhaftig genug Gelegenheiten. Sein Ressort umfasst unter anderem Wettbewerbsfragen und er hätte sicher auch ohne die erst durch den auch von uns unterstützen Volksentscheid erzwungene Veröffentlichung Zugriff auf die Verträge gehabt und eine Überprüfung durch die EU-Kommission im Interesse aller Berliner in die Wege leiten müssen. Und wieso musste sich unsere Abgeordnete Heidi Kosche die Einsicht in die insgesamt 180 Aktenordner der Teilprivatisierung erst über das Verfassungsgericht erklagen, da der rot-rote Senat sogar einer Parlamentarierin die Einsicht verweigert hat?
Unabhängig von den sträflichen Versäumnissen des rot-roten Senats - wie sieht jetzt aber die Zukunft aus? Zunächst muss die Teilprivatisierung, soweit dies rechtlich möglich ist, rückgängig gemacht werden. Eine Möglichkeit besteht im schlichten Rückkauf der verkauften Anteile und Eingliederung in eine landeseigene Holding. Leider kann aus rechtlichen Gründen ein solcher Rückkauf nicht garantiert werden. Sollte bspw. RWE nicht zum Rückverkauf bereit sein, stellt sich die Frage, wie die öffentliche Hand trotzdem wieder mehr Einfluss auf die Wasserversorgung bekommt. Hier muss dann bei der Ausgestaltung der Verträge auf jeden Fall das öffentliche Interesse so stark als möglich zur Geltung gebracht werden.
Eins steht aber schon jetzt fest: die geheimen Gespräche zwischen dem Senat und den privaten Anbietern zur Rekommunalisierung müssen auf jeden Fall solange ausgesetzt werden, bis die EU-Kommission ihre rechtliche Prüfung abgeschlossen hat! Erst das erfolgreiche Volksbegehren hat Rot-Rot endlich zum Einlenken gebracht. Dies soll dort nun als eigner politischer Erfolg verkauft werden. Nach dem Motto: „Was interessieren uns unsere Worte und Taten von gestern.“
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2. Plant Ihre Partei die S-Bahn Berlin wieder unter kommunale Verwaltung zu stellen und wie rechnen Sie sich die juristischen sowie finanziellen Chancen dafür aus. Welche Kosten (und zukünftigen Gewinne) werden dabei erwartet? Und wie würde das System S-Bahn reformiert werden?
Antwort:
Nun zu Ihrer zweiten Frage: Was die katastrophale, und für eine Weltstadt eigentlich schon fast peinliche Situation unserer Berliner S-Bahn betrifft, so ist die Situation hier sehr komplex. Wie jeder weiß, der die Medienberichterstattung über das Thema verfolgt hat, ist abgesehen von der reinen Renditeorientierung des Mutterkonzerns Deutsche Bahn AG das Hauptproblem der Vertrag zwischen dem Land Berlin und der S-Bahn GmbH, der offensichtlich ziemlich einseitig zugunsten der zum DB-Konzern gehörenden S-Bahn GmbH gestaltet wurde. Dies hat sich erst im Nachhinein herausgestellt. Diese Verträge wurden von der Berliner Regierung schlecht verhandelt und zu Ungunsten und zum Schaden des Landes Berlins und zu Lasten all seiner Bewohner_innen gestaltet.
Wir Grüne wollen die Herauslösung der S-Bahn aus dem Bahnkonzern und dem Übergang in Landeseigentum. Leider liegt es auf der Hand, dass dies nicht von heute auf morgen, sondern nur stufenweise vorangetrieben werden kann. So gehört vor allem die Verantwortung für Werkstätten, aber auch die für die Züge in die öffentliche Hand. Hierfür bedarf es eines landeseigenen S-Bahn-Fuhrparks, der so schnell als möglich ausgebaut werden muss. Auf den ersten Blick kann ich hierfür keinerlei juristische Hürden erkennen. Bei dem S-Bahn-Netz sieht die rechtliche Lage leider anders aus. So müssen wir nun von Berlin aus eine Bundesrats-Initiative starten, um das Netz aus dem Bahnkonzern herauszulösen und an das Land übertragen zu können, dies natürlich mit einem finanziellen Ausgleich für die Unterhaltung. Ziel muss es sein, den S-Bahn Betrieb auszuschreiben, anstatt ihn wie bisher umstandslos an den Bahnkonzern zu geben. Zum Glück hat inzwischen auch schon der Bundesgerichtshof einer direkten Vergabe im Februar 2011 durch seine Grundsatzentscheidung einen Riegel vorgeschoben. Eine öffentliche Ausschreibung ist rechtlich also prinzipiell möglich. Eine solche muss dann natürlich stufenweise geschehen. An diesen Ausschreibungen kann sich selbstverständlich auch ein zum DB-Konzern gehörendes Unternehmen beteiligen. Ein solcher Wettbewerb darf nicht zu Lasten sozialer und ökologischer Standards gehen. Ein Schutz hiergegen wäre durch eine entsprechende Gestaltung der Ausschreibungskriterien rechtlich problemlos möglich, so der politische Wille hierzu vorhanden ist. . Wie das geht, beweist das Bremer Vorbild, wo ein rot-grüner Senat die Einhaltung entsprechender Standards zur Vorgabe bei der Vergabe seines S-Bahn-Netzes gemacht hat. Die Weigerung der Berliner SPD, eine Ausschreibung in Betracht zu ziehen, kann unter anderem vor diesem Hintergrund gar nicht überzeugen.
Was den finanziellen Aspekt betrifft, so hat der Wowereit-Senat das Problem leider mehr oder weniger ausgesessen, anstatt sofort die für jedermann naheliegenden Entscheidungen für die Anschaffung neuer Züge und den Aufbau eines sich in öffentlicher Hand befindlichen Fuhrparks in die Wege zu leiten. Die stufenweise Überführung der S-Bahn in die öffentliche Hand, was Fuhrpark, Werkstätten und Netz betrifft, kann natürlich nur langsam angegangen werden, hier darf die äußerst angespannte Lage des Berliner Landeshaushalts nicht vergessen werden. Meiner Ansicht nach müsste wie nach jeder Wahl und im Fall einer Regierungsübernahme erst einmal ein Kassensturz gemacht werden, um sich über die Finanzierbarkeit von politischen Zielen Klarheit zu verschaffen. Aus der Opposition heraus ist dies immer nur bedingt möglich. Genaue Festlegungen ohne seriöse Zahlen und feste Daten wären hier einfach unlauter. Das ist von den verschiedensten Partei bei allen möglichen Wahlen gemacht worden und wird von uns Grünen nicht wiederholt werden. Politik muss hier glaubwürdiger werden.
Einige mögliche Eckpfeiler sind aber durchaus schon absehbar. So kommt die S-Bahn-GmbH in den Genuss hoher Zuwendungen des Landes Berlin, von denen teilweise um die 50 % in die Rendite geflossen sind, anstatt in notwendige Investitionen. Hier gibt es sicher noch juristische und daher auch politische Spielräume. Zudem darf nicht vergessen werden, dass der durch die Ausschreibung entstehende Wettbewerb zu einer Kostensenkung führen wird. Dies bedeutet beileibe nicht, dass ich hier einer Privatisierung das Wort reden will, aber die jetzige Situation eines privaten Monopols ist eindeutig die schlechteste aller denkbaren Lösungen, der so schnell wie möglich ein Ende bereitet werden muss.
Sehr geehrter Herr Schmidt, ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen beantworten und zu Ihrer Entscheidungsfindung, wem Sie am 18.09.2011 Ihre Stimme geben, beitragen.
Mit freundlichen Grüßen Ihre
Marianne
Burkert-Eulitz