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Maria Noichl
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Frage von Martin D. •

Frage an Maria Noichl von Martin D. bezüglich Digitale Agenda

Sehr geehrte Frau Noichl,

das Versagen der ermittelnden Behörden in Österreich wird derzeit als Vorwand genommen um alle Bürger unter Generalverdacht zu stellen und eine Infrastruktur zu installieren, die es Behörden ermöglicht private Kommunikation unter unbescholtenen Bürgern mitzulesen/abzuhören. [1]

Wie wollen Sie, bzw. Ihre Partei, gegen diesen unverhältnismäßigen Überwachungswahn vorgehen um die Rechte ihrer Bürger und Wähler vor einer Überwachung orwellschem Ausmaßes zu schützen?

Mit freundlichen Grüßen,
M. D.

[1] https://fm4.orf.at/stories/3008930/

Disclaimer: Ich habe diese Frage auch anderen Politikern gestellt.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr D.

vielen Dank für Ihre E-Mail zum Thema Verschlüsselung.

Wie schon so oft in der Vergangenheit gesehen, haben auch nach den jüngsten terroristischen Anschlägen die EU-Innenminister*innen reflexartig mehr Überwachung gefordert. Nach Vorratsdatenspeicherung, Fluggastdatenspeicherung und vielen anderen haben sie dieses Mal einen Vorschlag für das Aufbrechen von Verschlüsselungstechnologien aus der Mottenkiste der ausrangierten Ideen gezaubert.

In der teils sehr aufgeregten Berichterstattung in den Medien zu dem Thema ist jedoch teilweise ein wichtiger Aspekt komplett untergegangen: Es gibt keinen Gesetzesentwurf zum Aufbrechen von Verschlüsselung, der Anfang Dezember verabschiedet werden könnte. Stattdessen liegt lediglich ein Entwurf für Ratsschlussfolgerungen der EU-Innenminister*innen vor, die am 3. und 4. Dezember 2020 bei der Tagung der EU-Innenminister*innen angenommen werden sollen. Ratsschlussfolgerungen sind aber keine Gesetze, sondern politische Absichtserklärungen des Rats, als Vertretung der Mitgliedstaaten. Sie haben somit als solche keine rechtlichen Folgen.

Es gibt auch keine anderen Möglichkeiten für den Rat, alleine und in irgendeinem angeblichen „Schnellverfahren“ Verschlüsselungstechnologien zu verbieten.

Ein etwaiger Vorschlag für ein Aufbrechen der Verschlüsselung müsste von der EU-Kommission vorgelegt werden, die als einzige EU-Institution das Initiativrecht für EU-Rechtstexte innehat. Ein solcher Vorschlag liegt derzeit aber gar nicht vor. Wenn ein solcher Kommissionsvorschlag vorgelegt werden würde, müsste dieser zudem immer das reguläre EU-Gesetzgebungsprozedere durchlaufen, das bedeutet: Der Rat, als Vertretung der Mitgliedstaaten, und das EU-Parlament, als Vertretung der EU-Bürger*innen, würden den Vorschlag gleichgeberichtet verhandeln.

Dabei ist für uns SPD-Europaabgeordnete klar: Wer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufbrechen will – selbst aus gutgemeinten Gründen – schafft am Ende selbst Sicherheitslücken, die jede Hackerin und jeder Hacker gerne ausnutzen wird. Deshalb lehnen wir Hintertüren oder andere Verwässerungen von Verschlüsselung ab. Dies gilt umso mehr, da der Vorstoß der EU-Innenminister*innen vor allem eins ist: der Versuch von einer Debatte über mögliche Versagen der eigenen Sicherheits-Behörden abzulenken. Wir sollten auf dieses Ablenkungsmanöver nicht hereinfallen. Stattdessen brauchen wir eine tiefgreifende Analyse, welche Versäumnisse es etwa bei den österreichischen Sicherheitsbehörden im Vorfeld des Anschlags in Wien gegeben hat und im Anschluss daran eine sachliche Debatte, wie man diese beheben kann.

Mit freundlichen Grüßen

Maria Noichl

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