Margit Stumpp
Margit Stumpp
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jan M. •

Frage an Margit Stumpp von Jan M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Stumpp.
Meine Frage bezieht sich auf die aktuelle Situation des Journalisten Julian Assange, der laut Berichten des UN-Sonderberichterstatters Nils Melzer im britischen Belmarsh-Gefängnis unter Folterbedingungen inhaftiert ist, worunter seine gesundheitliche Lage extrem leidet.
Mich interessiert, wie sich die GRÜNEN zu dem Fall Assange positionieren. Denken Sie, dass die völkerrechtlichen Gundlagen in dieser Sache eingehalten oder missachtet werden?
Des weiteren interessiert mich, ob Sie die Pressefreitheit in unserer westlichen Wertegemeinschaft gefährdet sehen, oder ob sie der Meinung sind, dass es rechtskonform ist, einen Mann, der Kriegsverbrechen aufgedeckt hat, in einem europäischen Land zu Tode zu foltern. Sollten Sie Einwände gegen die Haftbedingungen haben, bitte ich um Auskunft darüber, wie sich die GRÜNEN für Julian Assange einsetzen und was sie konkret in dieser Frage unternehmen.
Ich freue mich auf eine schnelle Antwort.

Mit freundlichen Grüßen,

J. M.

Margit Stumpp
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Wir verfolgen den Umgang mit Wikileaks und Julian Assange sehr aufmerksam und setzen uns bei der Bundesregierung mit Nachdruck dafür ein, dass sie sich bei der britischen Regierung klar für die Einhaltung seiner grundlegenden Menschenrechte ausspricht. Leider ist die Haltung der Bundesregierung sehr enttäuschend, wie auch eine Antwort des Auswärtigen Amtes auf unser Schreiben offenbart:

https://www.rnd.de/politik/grune-regierung-muss-sich-zu-fall-assange-positionieren-LEM5JNDMLZG6JDCIRG5LGERVMA.html

https://www.landeszeitung.de/blog/nachrichten/politik/2679340-fall-assange-gruene-werfen-regierung-feigheit-vor

Die Arbeit von Julian Assange und Wikileaks wird selbst von Reporter ohne Grenzen lediglich als „journalismusähnlich“ bezeichnet. Im Gegensatz zu Journalist*innen, die sich an die ethischen Regeln des Pressekodex halten und Regeln der journalistischen Sorgfaltspflicht einhalten, veröffentlicht Wikileaks von Whistleblower*innen geleaktes Material meist unbearbeitet im Internet. Diese Praxis sehen auch wir kritisch, weil so Rückschlüsse über Hinweisgeber gezogen werden können und personenbezogene Daten von Privatpersonen öffentlich gemacht werden. Eine kritische oder gar ablehnende Haltung gegenüber Wikileaks und Julian Assange rechtfertigt jedoch keinesfalls, bei der Missachtung seiner grundlegendsten Menschenrechte wegzuschauen.

Die Bundesregierung begründet ihre Untätigkeit damit, dass sie sich nicht in britische Angelegenheiten einmischen möchte und Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit britischer justizieller Verfahren hat. Unserer Ansicht nach macht es sich die GroKo hier allerdings zu leicht. Als Anwalt der Menschenrechte und Vertragsstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention stünde es Deutschland gut zu Gesicht, sich bei seinem Partner Großbritannien nach diesen Vorwürfen zu erkundigen. Wegzusehen und still zu bleiben ist mutlos. Egal, wie man zu Julian Assanges Person und Wikileaks steht, seine medizinische Versorgung während des Prozesses muss gewährleistet und Maßnahmen zum Schutz seiner Gesundheit müssen getroffen werden. Dazu ist Großbritannien nach dem Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung verpflichtet.

Über den aktuellen Gesundheitszustand von Julian Assange hinaus machen wir uns auch Sorgen darüber, dass seine Strafverfolgung wegen Geheimnisverrats und Spionage durch die USA einen gefährlichen Präzedenzfall für die Meinungs- und Informationsfreiheit schaffen könnte. Wenn Großbritannien Assange an die USA ausliefert, drohen ihm lebenslange Haft oder gar die Todesstrafe. Die Folge wäre ein Abschreckungseffekt, der zur Einschüchterung investigativer Journalist*innen und Whistleblower*innen weltweit führen würde. Dies gilt es dringend zu verhindern. Dafür setzen wir uns ein.

Am 24. Februar beginnt in London der offizielle Prozess über die Auslieferung von Assange an die USA. Ich habe vor als Prozessbeobachterin der Verhandlung beizuwohnen, um weitere Öffentlichkeit herzustellen. Darüber hinaus sind wir in enger Absprache mit Beteiligten des Prozesses und Expert*innen zum Thema. Eine aktuelle Entwicklung macht derweil Mut: Die parlamentarische Versammlung des Europarates fordert die EU-Mitgliedsstaaten in einer Resolution dazu auf, sich für eine Freilassung von Assange einzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen,
Margit Stumpp