Frage an Margit Jung von Daniel G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Jung.
Ich bin Datenschutzbeauftragter (TÜV®) und nehme Bezug auf Punkt IV. der Presseinformation der LINKEN vom 06.08.2019 [1] mit dem Thema "Neue Regelmodelle für Kinder bei Trennung und Scheidung". Zunächst stelle ich in den formulierten Zielen fest, dass den LINKEN die datenschutzrechtlichen Probleme in Familienverfahren bestens bekannt sind, wenn dort ausgeführt wird:
1. Eine Weitergabe persönlicher Daten ohne ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen ist
strafbar.
2. Es dürfen keine Stellungnahmen mehr ans Gericht gehen, ohne dass diese zeitgleich den
Betroffenen zugänglich gemacht werden.
3. Verwaltungsbeamte sollten nach jedem Hausbesuch ein Protokoll vor Ort erstellen und eine
Erstmeinung beschreiben, kann ein kurzes schriftliches Feedback sein.
Meine Fragen:
zu 1. Ist oder war die strafrechtliche Regelung des § 203 StGB in Thüringen bislang aufgehoben/ außer Kraft gesetzt worden? Wann und von wem wurde festgelegt, dass der Geheimnisverrat durch Sozialpädagogen vom Jugendamt nicht festgestellt und verfolgt werden sollen/dürfen?
zu 2. Ist eine Stellungnahme und eine Übermittlung selbiger an Dritte nicht schon vorher(!) den Betroffenen zur Genehmigung vorzulegen? Bei einer zeitgleichen Versendung einer Stellungnahme an das Gericht und an den Betroffenen, ist dem Betroffenen die Korrektur unrichtiger - ein falsches Bild vermittelnder Daten ja schon nicht mehr möglich.
noch zu 2. Da nun i.V.m. Punkt 1 auf die Einwilligung der Betroffenen abgestellt wird, interessiert mich auf welcher Grundlage der Befugnis vorangegangene Stellungnahmen vom Jugendamt an das Gericht einschlägig abgedeckt waren, wenn diese inhaltlich mehr Preisgaben enthielten, als die bloße Mitteilung über den Stand des Beratungsprozesses (§ 50 (2) Satz 2 SGB VIII) ?
3. Mit welcher Befugnis werden Hausbesuche durchgeführt?
Sehr geehrter Herr G.,
die datenschutzrechtlichen Vorgaben und Bestimmungen gelten in Thüringen ebenso wie in anderen Bundesländern (Stichworte Sozialarbeiter*innen, Jugendämter, Einwilligung der Betroffenen in Ihrer Mail). Allerdings haben wir durch Gespräche mit Betroffenen und anderen Menschen aus der Praxis im Vorfeld des Pressegesprächs erfahren, dass leider nicht in allen Fällen in der Praxis alles korrekt abläuft und es in wahrnehmbarer zahl Verstöße bei praktischen Fällen gibt.
Gerade auch diesen konkreten Fällen muss nachgegangen werden und es müssen die konkreten Ursachen beseitigt und praktischen Konsequenzen gezogen werden, damit es in Zukunft nicht zu Wiederholungen kommt. In diesem Zusammenhang noch eine erläuternde Klarstellung: Wenn Gerichte im Verfahren Stellungnahmen und Gutachten von Jugendämtern und Fachgutachtern abfordern, dann ist der übliche Verfahrensablauf, dass zuerst das Gericht diese Unterlagen bekommt und dann beide am Verfahren beteiligte Seiten zeitgleich die Unterlagen zur Stellungnahme zugesandt bekommen. Dies richtet sich nach den einschlägigen verfahrensrechtlichen Vorschriften in Familiensachen.
Das Pressegespräch - wie auch die vorausgehenden Fachgespräche mit Betroffenen und Praktiker*innen und die Anfragen an die Landesregierung - war bzw. ist ein Baustein im Rahmen der Bearbeitung des Themas rechtlicher und praktischer Umgang mit dem Wechselmodell (in Thüringen). Wir als Fraktion und ich als deren familienpolitische Fachsprecherin sind gerade in Arbeit für weitere Handlungsschritte, dazu gehört auch die Einschaltung des Landesdatenschutzbeauftragten als „Prüfinstanz“ in die Wege zu leiten. Ich möchte Sie daher um Verständnis bitten, dass wir zum oben angesprochenen Punkt „notwendige Konsequenzen“ bei unserem derzeitigen Arbeitsstand noch keine weiteren detaillierten Informationen geben können.
Mit freundlichen Grüßen
Margit Jung