Frage an Mareike Engels von Florian T. bezüglich Gesundheit
Guten Tag Frau Engels,
der Bundestag wird wohl in Kürze eine "Bundesnotbremse" zur Eindämmung der dritten Welle der Corona-Pandemie beschließen. Allem Vernehmen nach wird diese erst ab einer 7-Tage-Inzidenz von 100 greifen. Im aktuellen Infektionsschutzgesetz ist bereits ein Schwellenwert von 50 verankert, über dem effektive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschens ergriffen werden sollen. Aktuell erleben wir Inzidenzen von über 100 und die aktuellen Maßnahmen sind offensichtlich nicht effektiv. Eine Mehrheit der Wissenschaftler fordert derweil eine Inzidenzschwelle von unter 35 oder gar im einstelligen Bereich, wie auch von der NoCovid-Initiative gefordert, der neben vielen anderen Wissenschaftlern auch das ifo-Institut angehört. Selbst das politisch verankerte RKI fordert eine Schwelle von 50. Umfragen deuten außerdem darauf hin, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung eine Verschärfung der Maßnahmen wünscht.
- Halten Sie eine Notbremse ab einer Inzidenz von 100 entgegen den wissenschaftlichen Ratschlägen für effektiv?
- Werden Sie sich auf Landesebene für effektive Maßnahmen bei wissenschaftlich anerkannten Inzidenzen einsetzen?
- Werden Sie darüber hinaus die NoCovid-Initiative unterstützen?
Beste Grüße aus Ihrem Wahlkreis
Sehr geehrter Herr Turck,
vielen Dank für Ihre Frage. In der Grünen Bürgerschaftsfraktion diskutieren wir die NoCovid-Strategie sehr intensiv und haben auch eine Reihe von Vertreter*innen von NoCovid in den letzten Wochen in verschiedene Runden der Fraktion eingeladen. Zuletzt entschied sich der Hamburger Senat für ein Maßnahmenpaket, das deutlich über die im Bund vereinbarte „Notbremse“ hinausgeht. Aus Hamburg heraus haben wir den Bund aufgefordert, die Führung zu übernehmen und den Weg für eine wirksamen bundesweiten Lockdown freizumachen. Dieses Vorhaben wird jetzt mit der Gesetzesinitiative zum Infektionsschutzgesetz umgesetzt - die Verhandlungen über die genaue Ausgestaltung und die grüne Zustimmung dazu laufen aktuellen noch. Gleichzeitig ist aber klar, dass sich die Wirksamkeit nicht allein durch Beschlüsse und Verordnungen entfaltet. So gilt in Hamburg bereits seit vielen Wochen die Regel, dass ein Haushalt nur eine weitere Person treffen darf - mittlerweile zum Glück mit Ausnahmen für Kinder. Diese Beschränkung ist weitreichend, verhindert sie doch beispielsweise die meisten Familienbesuche. Aber sie erlaubt eben auch noch direkten sozialen Kontakt, wo ansonsten Vereinsamung droht oder die Versorgung gefährdet wäre. Eine weitergehende Kontaktbeschränkung im privaten Bereich ist daher kaum möglich, ohne dass man existenzielle Härten erzeugt. Spielräume sehe ich im Bereich des Arbeitslebens. In Hamburg haben wir daher eine Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske am Arbeitsplatz angeordnet und fordern Betriebe zu regelmäßigen Testungen der Mitarbeiter*innenschaft auf. Ich selber würde ich mir hier weitgehendere verbindliche Verpflichtungen in allen Wirtschaftsbereichen wünschen, wie Sie auch von Vertreter*innen von NoCovid vorgeschlagen werden.
Am Ende, so legen die Infektionszahlen im Verlauf der bisherigen drei Wellen nahe, muss der Lockdown mehr sein als die Summe der Einzelmaßnahmen. Die Wirksamkeit hängt davon ab, wie jede einzelne Person sich im Alltag verhält und tatsächlich an jeder nur denkbaren Stelle Kontakte und Mobilität reduziert - und das über die geltenden Bestimmungen hinaus. Denn wer beispielsweise an jedem Tag der Woche eine andere Person trifft, bewegt sich zwar in Hamburg im Rahmen des Erlaubten, aber leistet doch einen eher geringen Beitrag für die Eindämmung. Die Idee der social bubble ist allein mit dem Ordnungsrecht nicht durchzusetzen, sie muss aus eigener Einsicht und Überlegung gelebt werden. Hier bedarf es aus meiner Sicht auch noch größere Anstrengungen der Bewusstmachung und Aufklärung.
In Hamburg haben wir uns im Rahmen des letzten Maßnahmenpaktes u.a. auch schweren Herzens für nächtliche Ausgangsbeschränkungen entschieden, weil diese drastische Maßnahme neben den direkten Eindämmungseffekten auch viele Menschen erneut für den Ernst der Lage sensibilisieren kann. Die Pandemie ist eine große Anforderung an jede einzelne Person und eine politische Mammutaufgabe. Als Grüne Fraktion halten wir die bisher ergriffenen Maßnahmen nicht für ausreichend, weitere Schritte im Sinne einer NoCovid-Strategie sind notwendig, aber trotzdem gilt, dass bei allen Maßnahmen die sozialen Folgen und insbesondere auch die Rechte von Kindern zu berücksichtigen sind. Das ist das Spannungsfeld im aktuellen politischen Prozess und bei allen noch zu ergreifenden Maßnahmen auszutarieren.
Herzliche Grüße,
Mareike Engels