Frage an Marcus Weinberg von Frank L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Weinberg,
vielen Dank für Ihre Antwort vom 24.10.
Sie schreiben: "Die Pflichtmitgliedschaft... hat eine freiheitssichernde .. Funktion."
Warum brauchen Sie für die Sicherung der Freiheit eine IHK? Gibt es dafür nicht das Grundgesetz, den Bundestag, den Bundesrat?
Sie schreiben: "Auch kleine und mittelständische Betriebe profitieren von einer Mitgliedschaft bei den Industrie- und Handelskammern."
Haben Sie Zahlen für diese Behauptung? Denn auf ihk-zwang-nein.de, kammerwatch.de, gegen-ihk-neubau.de, kammerjaeger.org und zahlreichen anderen websites wird beschrieben, dass fast alle kleinen und mittelständischen Betriebe eben in keinster Weise von der Zwangs-Mitgliedschaft bei den Kammern profitieren. Dies ist übrigens auch die Meinung von weiten Teilen der Jungen Union und der Jungen Liberalen.
Sie schreiben: "Die Kammern bieten Ihnen zahlreiche Dienstleistungen, wie z.B. Starthilfen und Existenzgründerberatung, Beratung in/ zu Finanzierungs- und Steuerfragen, Suche nach Gesprächspartnern im In- und Ausland, Hilfe und Unterstützung bei Verkehrsproblemen und bei Kontakten mit der öffentlichen Verwaltung."
Diese Dienstleistungen werden von anderen doch viel kompetenter erbracht:
Starthilfen --> Banken
Existenzgründerberatung --> Wirtschaftsförderung der Städte, Wirtschaftsberater, Literatur (schauen Sie einmal bei google nach!)
Finanzierungsfragen --> Banken
Steuerfragen -->Steuerberater
Suche nach Gesprächspartnern --> andere Unternehmer, Internet
Hilfe bei Verkehrsproblemen --> Kommunal- und Landespolitik
Hilfe bei Kontakten mit der öffentlichen Verwaltung --> Rathäuser, kommunale und Landespolitiker, Parteien.
Glauben Sie nicht, dass
- eine sehr viel differenziertere Sicht auf die subventionierten Zwangs-IHKs als die von Ihnen vorgetragene notwendig ist?
- in Konkurrenz mit den o.g. Personen und Institutionen bzw. für die einzelnen Aufgabengebiete originär vorgesehenen Personen und Institutionen die IHK immer den Kürzeren zieht?
Mit freundlichen Grüßen,
Frank Lange
Sehr geehrter Herr Lange,
vielen Dank für Ihre Frage vom 28. Oktober 2007.
Selbstverständlich hat die Pflichtmitgliedschaft eine freiheitssichernde Funktion. Gerade mit der Benennung der legislativen Organe unseres Staates geben Sie den entscheidenden Hinweis für mein Argument. Die Bundesrepublik Deutschland hat die Aufgaben der Wirtschaftsverwaltung an die Betroffenen, nämlich die Gewerbetreibenden, delegiert, gerade um nicht noch zusätzliche staatliche Behörden aufzubauen, die diese Aufgaben wahrnehmen sollen. Gerade die Mitglieder der Kammern verfügen über das notwendige Know-How, um den Ansprüchen des Marktes gerecht zu werden. Wie sähe es aus, wenn nicht die Betroffenen sich in Fragen der Standortpolitik, der Aus- und Weiterbildung, der Unternehmensförderung mittels einer wirksamen Organisationsform wirksam Gehör verschaffen könnten? Wenn die Beteiligungsmöglichkeiten nicht vorhanden wären?
Natürlich könnten die Aufgaben auch von privaten Dienstleistern wahrgenommen werden, aber inwieweit dies kompetenter geschehen würde, mag ich nicht beurteilen, jedoch möchte ich mich der Auffassung des Bundesverfassungsgericht anschließen, das am 7. Dezember 2001 angesichts der Thematik der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern zu dem Schluss kam, dass „rein private Verbände […] mangels Gemeinwohlbindung nicht in der Lage [wären], die Aufgaben wahrzunehmen, die die Industrie- und Handelskammern mit Hilfe der Pflichtmitgliedschaft zu erfüllen befähigt sind“.
Natürlich müssen sich die Kammern ständig hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit prüfen lassen. Hier sehe ich aber auch die Mitglieder in der Pflicht, ihre Möglichkeiten der Mitbestimmung verantwortungsbewusst wahrzunehmen und sich gegebenenfalls zu artikulieren.
Mit freundlichen Grüßen
Marcus Weinberg