Frage an Marcus Weinberg von Frank L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Weinberg,
ich schließe mich gern und oft mit Altonaer CDU-Kollegen (z.B. Frau Karina Weber) zusammen und wir disktuieren immer wieder das folgende Thema:
die deutschen Industrie- und Handelskammern stehen für Zwangsmitgliedschaft, Inkompetenz, Beitragsungerechtigkeit, astronomischen Personalkosten, absichtliche Geschäftsschädigung Ihrer Zwangsmitglieder, Postenvergabe an ehemalige Stasi-Größen, Datenmissbrauch, Filz und Profilierungssucht. ( Quelle: http://www.ihk-zwang-nein.de ; Quelle für die Vergabe hochdotierter IHK-Posten an ehemalige Stasi-Zuträger: Die Welt, 3.8.2007, S. 2)
Wenn man das wie ich verfolgt und auch selbst von den Kammern drangsaliert wird, dann fragt man sich unwillkürlich:
1. Was planen die politischen Gremien auf Bundesebene gegen das skandalöse Kammerunwesen zu unternehmen?
2. Was ist Ihre Meinung zu dem Thema?
3. Wieviele und welche Bundestagsabgeordnete stehen heute auf den Gehaltslisten der Zwangskammern?
Mit freundlichen Grüßen,
Frank Lange
Stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion Schenefeld
Sehr geehrter Herr Lange,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 10. Oktober 2007 zur Frage der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern.
Lassen Sie mich bitte zuerst einige Ausführungen zum System der Kammern in Deutschland machen.
Den Kammern gehören in Deutschland kraft Gesetz seit langem alle natürlichen und juristischen Personen an, die im Kammerbezirk eine gewerbliche Niederlassung, eine Betriebsstätte oder Verkaufsstelle unterhalten, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt werden (Pflichtmitgliedschaft). Pflichtmitglieder sind auch Kleinunternehmer und Nebenerwerbsbetriebe, falls der gewerbliche Charakter dieser Betriebe nicht fraglich ist. Diese Pflichtmitgliedschaft ist vom Bundesverfassungsgericht für verfassungskonform erklärt worden. Auch nach Ansicht des Gerichts ist die Pflichtmitgliedschaft hinnehmbar, weil sie für die Kammerzugehörigen eine Chance zur Beteiligung und Mitwirkung an staatlichen Entscheidungsprozessen eröffnet. Die Pflichtmitgliedschaft hat überdies nach den Ausführungen des Gerichts eine freiheitssichernde und legitimatorische Funktion, weil sie auch dort, wo das Allgemeininteresse einen gesetzlichen Zwang verlangt, die unmittelbare Staatsverwaltung vermeidet und stattdessen auf die Mitwirkung der Betroffenen setzt. Das Gericht hat allerdings auch herausgestellt, dass die Industrie- und Handelskammern die Grenzen ihrer Aufgaben beachten müssen.
Auch kleine und mittelständische Betriebe profitieren von einer Mitgliedschaft bei den Industrie- und Handelskammern. Die Kammern bieten ihnen zahlreiche Dienstleistungen, wie z. B. Starthilfen und Existenzgründungsberatung, Beratung in/zu Finanzierungs- und Steuerfragen, Suche nach Gesprächspartnern im In- und Ausland, Hilfe und Unterstützung bei Verkehrsproblemen und bei Kontakten mit der öffentlichen Verwaltung. Ebenso kommt die hoheitliche wirtschaftsverwaltende Tätigkeit der Kammern den kleinen und mittelständischen Betrieben zugute (Sachkundeprüfungen, Aus- und Fortbildung, Berufsbildungszentren, Vermittlungsstellen etc.).
Ich unterstütze die Bundesregierung darin, an dem bewährten System der IHK-Pflichtmitgliedschaft festzuhalten. Diese Absicht hat sie in dem Bericht für den Deutschen Bundestag (Bundestagsdrucksache 14/9175 - Bericht der Bundesregierung über Beiträge, Aufgaben und Effizienz der Industrie- und Handelskammern) festgestellt, sie hat aber auch erklärt, dass sie die Problematik weiter beobachten wird. In der Koalitionsvereinbarung der derzeitigen Bundesregierung ist eine Aufhebung der IHK-Pflichtmitgliedschaft nicht vorgesehen.
Ihre allgemein formulierten Vorwürfe, die Sie mit Berufung auf eine Internet-Seite vorbringen, will ich nicht kommentieren, jedoch bitte ich der Fairness halber um eine differenzierte Betrachtung der Arbeitsweise und Organisation der Kammern.
Zu Ihrer Frage nach den von den Kammern bezahlten Bundestagsabgeordneten kann ich nur für mich antworten und sagen, dass ich neben den Einkünften als Bundestagsabgeordneter keine weiteren beziehe.
Mit freundlichen Grüßen
Marcus Weinberg