Frage an Marcus Weinberg von Tim Y. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Weinberg,
Ihre Kollegin Julia Klöckner veröffentlichte jüngst ein Video, in dem sie den wohl umstrittensten Lebensmittelkonzern der Welt dafür lobt, seine zumeist sehr ungesunden Produkte zehn Prozent weniger ungesund gemacht zu haben.
Es ist nur eins von vielen Beispielen für die Nähe der CDU zu nicht besonders nachhaltig agierenden Unternehmen. Sind sie der Ansicht, dass diese Empfänglichkeit für den Lobbyismus ein Grund für das verlustreiche Wahlergebnis auf Europa-Ebene war?
Mit freundlichen Grüßen aus Hamburg,
T. Y.
Sehr geehrter Herr Y.,
vielen Dank für Ihre Frage. Die CDU hat nach der Wahl eine intensive Analyse der Ergebnisse betrieben. Die Wählerinnen und Wähler haben uns einiges ins Aufgabenheft geschrieben. Dieses Ergebnis entspricht nicht unseren Ansprüchen als Volkspartei. Wir haben in der Öffentlichkeit gerade einen schweren Stand. Dazu haben wir auch mit eigenen Fehlern selbst beigetragen. Ich denke aber nicht, dass es in der CDU eine größere Empfänglichkeit für Lobbyismus gibt, als in anderen Parteien.
Lobbyismus kann legitime Interessenvertretung aber auch unzulässige Manipulation bedeuten. Es ist wichtig hier zu unterscheiden. Ich treffe mich in meinem Bereich, der Familienpolitik, auch regelmäßig mit Interessenverbänden, wie z.B. dem Deutschen Kinderhilfswerk, Elternverbänden oder Verbänden der Kinder- und Jugendhilfe.
Die parlamentarischen Entscheidungsabläufe beziehen zudem eine Vielzahl unterschiedlichster Beteiligter ein. Es gibt verschiedene Fraktionen, die jedes Gesetzgebungsverfahren aus ihrem jeweiligen Blickwinkel begleiten, es gibt das Plenum in dem öffentlich debattiert wird, Fachausschüsse aus denen heraus die Abgeordneten berichten, es gibt öffentliche Anhörungen, Beiräte, Sachverständige, sowie unterschiedlichste – auch gegensätzliche – Interessenvertreter bis hin zum Bundesrat und ggf. dem Vermittlungsausschuss.
Selbst Transparency International hat schon vor Jahren (Integritätsbericht 2012) festgestellt: „Die Transparenz des Bundestages kann als sehr hoch eingestuft werden“.
Zur Durchsetzung der Grenze zwischen Interessenvertretung und Manipulation gibt es das Strafrecht. Wir haben dort erst vor wenigen Jahren §108e StGB die Grenze klar gezogen: Wer als Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Mit freundlichen Grüßen
Marcus Weinberg