Frage an Marcus Weinberg von Philipp G.
Sehr geehrter Herr Weinberg,
über die Seite "Abgeordnetenwatch" habe ich erfahren, dass Sie gegen den Gesetzesentwurf zum Verbot des Fracking Verfahrens gestimmt haben.
In erster Linie bin ich entsetzt über das Ergebnis der Abstimmung. Ich möchte Sie mit dieser Email fragen, was Sie dazu bewogen hat, dem Gesetzesentwurf zum Verbot für Fracking nicht zuzustimmen. Die Riskien für Gesundheit um Umwelt, die dieses Verfahren birgt, sind breit diskutiert worden und dürften meiner Meinung nach klar sein. Vorteilhaft ist dieses Verfahren der Rohstoffgewinnung, wenn man sich unabhängig von Exporten machen möchte - was, meiner Meinung nach angesichts der in Deutschland förderbaren Menge im Verhältnis zum Verbrauch zu keiner Unabhängigkeit führen kann. Also bleibt für mich unterm Strich eher Unverständnis bezüglich Ihrer Abstimmung und daher möchte ich, um Ihre Beweggründe verstehen zu können, Sie bitten, mir diese kurz zu erläutern.
Vielen Dank!
Mit freundlichen Grüßen,
Philipp Gujer
Sehr geehrter Herr Gujer,
vielen Dank für Ihre Frage bezüglich der Energiegewinnung durch Fracking und zu meinem Abstimmungsverhalten. Vor der Abstimmung wurde in verschiedenen Kampagnen ein Totalverbot von Fracking gefordert. Dort wurde leider mit unzutreffenden Unterstellungen und unsachlichen Argumenten gearbeitet. Denn das von SPD-Ministerien verfasste neue Gesetz trifft die notwendigen Regelungen zum Schutz unseres Trinkwassers, unserer Gesundheit und unserer Umwelt. Ich versichere Ihnen, dass uns als Parlamentarier der Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger und der Schutz des Trinkwassers bei dem Gesetzespaket selbstverständlich absoluten Vorrang haben.
Das Regelungspaket der Bundesregierung hatte umfassende Änderungen unter anderem am Wasserhaushaltsgesetz, dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Bundesberggesetz vorgesehen. Diese führen bereits zu einer massiven Verschärfung der Anforderungen an den Einsatz der Fracking-Technologie.
Wichtige konkrete Neuregelungen die uns zur parlamentarischen Befassung übermittelt wurden, betrafen u.a. folgende Punkte:
- Fracking jeglicher Art soll in sensiblen Gebieten wie Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten sowie an Seen und Talsperren zur Trinkwassergewinnung vollständig verboten werden.
- Die Länder sollen darüber hinaus an weiteren sensiblen Trinkwasserentnahmestellen Verbote erlassen können, zum Beispiel zum Schutz von privaten Mineral- und Brauereibrunnen.
- In Nationalparks und Naturschutzgebieten soll die Errichtung von Anlagen zum Einsatz der Fracking-Technologie untersagt werden.
- Für jede Form von Fracking soll künftig eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung mit umfassender Bürgerbeteiligung verpflichtend eingeführt werden.
- Die Wasserbehörden sollen künftig ein Vetorecht bei den Genehmigungen haben.
- Fracking-Gemische müssen künftig beim konventionellen Fracking „nicht wassergefährdend“ oder allenfalls „schwach wassergefährdend“ sein.
- Die eingesetzten Stoffe sollen zudem umfassend offengelegt werden.
- Beim Umgang mit Rückfluss und Lagerstättenwasser sollen strenge Vorgaben gelten. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung soll auch hier Pflicht sein.
- Das Verpressen von Lagerstättenwasser soll künftig grundsätzlich verboten sein. Ausnahmen sollen nur in den Fällen möglich sein, bei denen der sichere Einschluss in druckabgesenkte kohlenwasserstoffhaltige Gesteinsformationen gewährleistet ist.
- Verschärft werden soll auch das Bergschadensrecht. So soll die Beweislast für mögliche Bergschäden auch bei der Erdgas- und Erdölförderung sowie bei Kavernenspeichern den Unternehmen auferlegt werden.
Anders als bei der o. g. konventionellen Gasförderung gibt es in Deutschland noch keine Erfahrungen mit der Gasförderung in sogenannten unkonventionellen Lagerstätten, also in Schiefer- und Kohleflözgestein. Deshalb wurde geregelt, dass zum jetzigen Zeitpunkt und mit dem derzeitigen Wissensstand kein kommerzielles unkonventionelles Fracking in Deutschland möglich ist. Für Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein oberhalb 3000-Metern Tiefe wurde ein generelles und unbefristetes Frackingverbot umgesetzt. Lediglich eine eng begrenzte Zahl von wissenschaftlich begleiteten und überwachten Probebohrungen ist unter strengsten Umweltanforderungen möglich.
Nach 2018 sollen in absoluten Ausnahmefällen Fördergenehmigungen erteilt werden können. Die Voraussetzungen hierfür sind jedoch äußerst streng gefasst:
- eine unabhängige Expertenkommission aus sechs Mitgliedern (davon drei Umweltinstitute) muss den beantragten Einsatz der Fracking-Technologie in der jeweiligen geologischen Formation mehrheitlich als grundsätzlich unbedenklich einstufen,
- die Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe beim Umweltbundesamt muss die verwendeten Fracking-Gemische als nicht wassergefährdend einstufen und
- alle sonstigen umfassenden öffentlich-rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen (d.h. insbesondere zum Wasser-, Boden- und Umweltschutz) müssen vorliegen.
Die endgültige Entscheidung über die Genehmigung liegt ausschließlich bei den zuständigen Bergbau- und Wasserbehörden der Länder. Diese sind also an das Votum der o.g. unabhängigen Expertenkommission nicht gebunden! Dies hat auch der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in einem Gutachten bestätigt. Sollte eine Fracking-Maßnahme unter all diesen Voraussetzungen genehmigt werden, so gelten hier die im Bereich der konventionellen Erdgasförderung neu eingeführten strengen Auflagen ebenfalls vollumfänglich.
Insgesamt sind die Umwelt- und Trinkwasserschutzmaßnahmen bereits sehr weitreichend. Diese haben die Koalitionspartner ausführlich im Parlament beraten und weiter verschärft. Die CDU/CSU-Fraktion konnte in diesen Gesprächen ihre – vorher fraktionsintern abgestimmten – Forderungen nach weiteren Schutzvorkehrungen für Umwelt und Wasser fast vollständig durchsetzen. So wurden folgende zusätzliche, durch die Parlamentarier der CDU/CSU durchgesetzte, Verschärfungen an das Fracking gegenüber den Regierungsentwürfen vereinbart:
- Klarstellung, dass auch Brunnen, aus denen Wasser zur Verwendung in Lebensmitteln gewonnen wird, ebenfalls in die Ausschlussgebiete für Fracking einbezogen werden sollen.
- Einschränkung des Bestandsschutzes für die bestehenden Genehmigungen zur Verpressung von Lagerstättenwasser, um zu erreichen, dass die Verpressung aufgrund bestehender Genehmigungen schneller beendet wird.
- Konkretisierung des Standes der Technik (also die beste zum Zeitpunkt verfügbare Technik) bei der Verpressung von Lagerstättenwasser,
- Aufhebung der bisherigen Unterscheidung zwischen Fracking zur Erdgas- oder Erdölförderung. Es sollen jeweils die gleichen strengen Anforderungen gelten.
- Streichen der aus unserer Sicht willkürlichen 3000-Meter-Grenze, unter der Fracking unter strengen Auflagen möglich wäre. Damit wird Fracking in unkonventionellen Lagerstätten auch unterhalb von 3000 Metern verboten.
- Einführung einer zusätzlichen Regelung, nach der Vorranggebiete für die künftige Gewinnung von Trinkwasser über die Raumordnung durch die Länder als Ausschlussgebiete gesichert werden können.
- Begrenzung der wissenschaftlichen Erprobungsmaßnahmen auf die für den Erkenntniszuwachs unbedingt notwendige Anzahl.
- Nochmalige Ausweitung der Bergschadenshaftung nun auch auf Schäden durch Erderschütterungen.
Für die CDU/CSU bleibt der Schutz von Gesundheit, Umwelt und Trinkwasser oberstes Gebot. Gleichzeitig muss der gesetzliche Rahmen für die Erdgasförderung schon aus verfassungsrechtlichen Gründen einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn offen halten sowie die seit Jahrzehnten praktizierte konventionelle Erdgasförderung in Deutschland auch weiterhin ermöglichen.
Tatsache ist: Die Fracking-Technologie ist ein in der konventionellen Gasförderung in Deutschland seit Anfang der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bewährtes Verfahren und steht derzeit für rund ein Drittel der heimischen Erdgasförderung. Auch die unkonventionelle Erdgasgewinnung kann einen erheblichen Beitrag für den Umbau der Energieversorgung leisten, denn wir brauchen Gaskraftwerke als Sicherheitsreserve für die schwankende Stromerzeugung aus Wind und Sonne. Mit einem geschätzten Vorkommen von bis zu 2.300 Milliarden Kubikmetern, liegen die Schiefergasreserven in Deutschland deutlich über den konventionellen Reserven (ca. 150 Milliarden Kubikmeter). Laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe könnte Schiefergas den derzeitigen jährlichen Gasverbrauch Deutschlands für 13 Jahre decken. Der Energieverbrauch weltweit wächst und im Gegenzug gehen die Energiereserven zurück. Zudem gibt es mit dem ISIS-Terror und der Ukraine-Krise eine zunehmende globale Unsicherheit. Für uns als Wissens- und Industrienation ist es wichtig energieunabhängiger zu werden. Verschärfend kommt der der Ausstieg Deutschlands aus der Atomkraft hinzu. Gerade die Abhängigkeit von russischem Erdgas zeigt, dass Deutschland alles tun muss, um neue einheimische Energiequellen zu erschließen - selbstverständlich unter den weltweit strengsten Umweltschutzvorkehrungen.
Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf bestehende Ängste und Vorbehalte gegenüber der Fracking-Technologie ist eine Versachlichung der Debatte erforderlich. Es ist deshalb richtig und zielführend, dass die Bundesregierung in ihren Entwürfen Wissenschaft und Forschung eine zentrale Stellung einräumt.
Mir ist bewusst, dass es in großen Teilen der Bevölkerung große Vorbehalte gegen das Fracking gibt und sich viele in Umfragen dagegen ausgesprochen haben. Der sog. „brennende Wasserhahn“ im Film „Gasland“, der in Deutschland das Bild vom Fracken weitgehend geprägt hat, ist inzwischen bei allen – als bewusst irreführend eingestuft worden. Hier ist zwischen Kampagnenjournalismus und differenziertem, an wissenschaftlichen Fakten und Tatsachen orientiertem, Journalismus zu unterscheiden. Dieses zeigt sich auch daran, wie in diesem Sachzusammenhang Umfragen benutzt werden, die mit einer suggestiven Fragestellung mehr den Zielen der eigenen Kampagne und weniger der wissenschaftlichen Fakten verpflichtet sind.
So fragte im April 2015 beispielsweise Infratest dimap im Auftrag von „Abgeordnetenwatch“ ab, ob Befragte „Für ein vollständiges Verbot von Fracking“ (61%) oder „gegen ein vollständiges Verbot“ (27%) wären. Diese Art von fiktiven Fragestellungen, die sich nicht an Gesetzentwürfen orientieren die auf dem Tisch liegen, sind enttäuschend. Umfragen werden so zu Waffen im Meinungskampf und immer weniger zu statistischen Instrumente einer pluralistischen Meinungsfindung.
Ein Gegenbeispiel gefällig: Forsa meldete am Ende der letzten Wahlperiode 2013, 78% befürchteten, beim Fracken könnten giftige Flüssigkeiten ins Grundwasser gelangen. Aber 90% meinten, Fracking sollte nur unter strengen Umweltauflagen gestattet werden. (Auftraggeber: Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik).
Lassen sie mich abschließend sagen: Aus den genannten Gründen habe ich für das Gesetzespaket gestimmt, das die Energiegewinnung durch Fracking mit den strengen Umweltauflagen einschränkt.
Mit freundlichen Grüßen
Marcus Weinberg