Frage an Marcus Weinberg von Christopher S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Weinberg,
in meinem Wohnblock werden mehrere Freifunk WLAN-Hotspots angeboten. Diese können von Flüchtlingen und/oder sozial benachteiligten Mitbürgern kostenlos genutzt werden.
Ich halte solche Angebote in unserer (bröckelnden) Solidargesellschaft für unabdingbar. Der freie Zugang zu Medien und Kommunikationsmitteln zeichnet eine Demokratie aus. Es ist schade, dass die Infrastruktur für öffentliche WLAN-Netze von privaten und kommerziellen Anbietern und nicht von einem modernen Staat aufgebaut werden muss.
Um so wichtiger ist eine Gesetzesgrundlage, die Rechtsicherheit für die Anbieter und Nutzer schafft.
Doch genau das leistet der kürzlich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vorgelegte Gesetzesentwurf zur Neuregelung des TMG nicht.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Nutzer einen beliebigen Namen beim Login eingeben müssen und versichern, dass sie keine rechtswidrigen Handlungen vornehmen. Diese Maßnahme ist jedoch nachweislich unwirksam gegen das Verhindern von Straftaten.
Kommerzielle Anbieter werden aufgefordert ihr WLANs mit Passwörtern zu verschlüsseln. Wie soll sich dann ein Nutzer spontan mit dem Netzwerk verbinden können? Das Netzwerk wird für ihn erst nutzbar, wenn er sich bei dem kommerziellen Anbieter registriert und damit seine Daten werbetreibenden Unternehmen schenkt. Das hat mit einem "öffentlichen" WLAN-Netz nicht mehr viel zu tun!
Der Gesetzesentwurf scheint mir nicht ausgereift zu sein, berücksichtigt keine Fachmeinungen von Organisationen wie dem Förderverein Freie Netzwerke und scheint gezielt private Anbieter gegenüber kommerziellen Anbietern schlechter zu stellen.
Ich frage mich, wie ihre Meinung zu der Neuregelung des TMG ist?
Werden sie dem Gesetzesentwurf zustimmen?
Ich freue mich über eine Antwort von Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Christopher Schwarz
Sehr geehrter Herr Schwarz,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 23. März, mit der Sie mir Ihre Bedenken bei der gesetzlichen Neuregelung des Telekommunikationsgesetzes in Bezug auf die WLAN-Hotspots mitteilen. Grundsätzlich habe ich Sympathie für Ihre Haltung. Es ist eine richtige Entwicklung, dass verstärkt Freifunk-WLAN-Hotspots vor allem in Städten und beim Reisen zur Verfügung gestellt werden. Zum einen sind solche Angebote für eine Solidargemeinschaft unabdingbar, gleichzeitig bieten diese einen höheren Netzkomfort und kurbeln die Wirtschaft und den Tourismus an. Weltweit sind öffentlich zugängliche kostenfreie WLAN-Angebote über Hotspots gerade in Innenstädten immer üblicher. Ich stimme zu das man hier nicht durch unnötige Bürokratie Hürden aufbauen sollte.
Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD ist zu diesem Thema Folgendes vereinbart worden: „Die Potenziale von lokalen Funknetzen (WLAN) als Zugang zum Internet im öffentlichen Raum müssen ausgeschöpft werden. Wir wollen, dass in deutschen Städten mobiles Internet über WLAN für jeden verfügbar ist. Wir werden die gesetzlichen Grundlagen für die Nutzung dieser offenen Netze und deren Anbieter schaffen. Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber ist dringend geboten, etwa durch Klarstellung der Haftungsregelungen (Analog zu Accessprovidern). Gleichzeitig werden wir die Verbraucherinnen und Verbraucher über die Gefahren solcher Netze für sensible Daten aufklären.“
Die Digitale Agenda der Bundesregierung vom September 2014 sieht in diesem Zusammenhang vor: „Wir werden die Verbreitung und Verfügbarkeit von mobilem Internet über WLAN verbessern. Dabei werden wir darauf achten, dass die IT-Sicherheit gewahrt bleibt und keine neuen Einfallstore für anonyme Kriminalität entstehen. Daher werden wir Rechtssicherheit für die Anbieter solcher WLANS im öffentlichen Bereich, beispielsweise Flughäfen, Hotels, Cafés, schaffen. Diese sollen grundsätzlich nicht für Rechtsverletzungen ihrer Kunden haften.“
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie einen Referentenentwurf vorgelegt mit dem die Störerhaftung massiv abgebaut wird um offene Funknetze zu fördern. Deutschland fährt bei der Verbreitung von WLAN-Hotspots im internationalen Vergleich derzeit noch mit angezogener Handbremse. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir das ändern und ein breites Angebot an kostenlosem WLAN ermöglichen. In Deutschland sollen Flughäfen, Cafés oder auch Rathäuser und Bibliotheken künftig rechtssicher kostenloses WLAN anbieten können. Im Falle von Rechtsverstößen müssen diese nicht für Rechtsverletzungen ihrer Nutzer haften. Es reicht, wenn sie die Nutzer ihrer WLANs gut sichtbar darauf hinweisen, dass geltendes Recht beim Surfen einzuhalten ist. Das könne durch eine Bestätigung mittels Haken auf einer Start-Website vor der ersten Nutzung geschehen. Die Eingabe des Namens der Nutzer ist nicht zwingend vorgeschrieben. Es ist also nicht so, wie sie schreiben, dass das Netzwerk für ihn erst nutzbar wird, wenn dieser sich bei dem kommerziellen Anbieter registriert und damit seine Daten werbetreibenden Unternehmen schenkt.
Auch gut sichtbare Aushänge oder ein Hinweis in der Speisekarte, der zugleich das Zugangspasswort enthält, seien ausreichend, schreibt das Bundeswirtschaftsministerium in seiner Begründung. Denn "in der Regel" seien die WLANs durch ein Zugangskennwort geschützt. Eine namentliche Kenntnis des Nutzers ist verzichtbar. Hierdurch wird dem Interesse des Nutzers am Schutz seiner personenbezogenen Daten Rechnung getragen und eine praktikable Handhabung ermöglicht. Recht haben Sie jedoch, dass private Anbieterrechtlich nicht bessergestellt werden, wenn sie ihren WLAN-Zugang Dritten zur Verfügung stellen. Bei Internet-Verbänden und der Opposition stieß dieses auf Kritik.
Diese Unterscheidung ist jedoch nach Meinung vieler Fachleute und nach Auffassung der Koalition aus Gründen der IT-Sicherheit als auch aus Gründen der Verhinderung anonymer Kriminalität im Internet sinnvoll. Denn die Möglichkeit, dass ein Nutzer im geschützten Bereich bzw. in Privaträumen unbemerkt Straftaten wie das Herunterladen von Kinderpornographie oder Urheberrechtsverletzungen begeht, ist erheblich größer als im öffentlichen Raum. Dort muss er stets damit rechnen, vom Diensteanbieter oder anderen Personen beobachtet bzw. entdeckt zu werden.
Ein geschäftsmäßig handelnder Diensteanbieter hat zudem grundsätzlich die Möglichkeit (und auch die Pflicht), einem Nutzer, der entgegen seiner Zusicherung rechtswidrige Handlungen begeht, die weitere Nutzung des WLAN zu untersagen. Demgegenüber soll der private Anschlussinhaber nur dem oder den Nutzern sein WLAN überlassen, die er kennt, z.B. den Nachbarn. Er haftet folglich dann nicht als Störer, wenn er darlegen kann, dass er nur denjenigen Nutzern sein WLAN zur Verfügung gestellt hat, die er zumindest namentlich kennt. In keinem Fall ist der WLAN-Betreiber verpflichtet, Verbindungsdaten der Nutzer zu speichern.
Aufgrund europäischer Vorschriften ist vor einer Kabinettsbefassung eine Notifizierung des Referentenentwurfs bei der Europäischen Kommission erforderlich, so dass mit einem Kabinettsbeschluss nicht vor Juli/August diesen Jahres zu rechnen sein wird. Im anschließenden parlamentarischen Verfahren werden wir den Referentenentwurf noch einmal genau unter die Lupe nehmen und im Ausschuss für Wirtschaft und Energie u.a. auch eine Sachverständigenanhörung mit Experten durchführen. Sie können davon ausgehen, dass wir ein offenes Ohr für sinnvolle Verbesserungsvorschläge haben werden.
Mit freundlichen Grüßen
Marcus Weinberg