Frage an Marcus Weinberg von Rainer D. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Weinberg,
Nach allem, was man hört, wird der Bundestag dank der Rechtssprechung des BVerfG
wenigstens zustimmen muss, wenn es um weitere Griechenlandunterstützung geht.
Wie werden Sie mit Fraktionszwang abstimmen? Wie würden Sie ohne Fraktionszwang stimmen ?
Mit freundlichen Grüßen
Dr.Sielck
Sehr geehrter Herr Dr. Sielck,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben vom 11.01.2015. Wie Sie sicher mitbekommen haben, gab es am 27. Februar eine Abstimmung im Bundestag über die Verlängerung des Hilfsprogrammes für vier Monate. Ich habe heute im Deutschen Bundestag trotz einiger Bauchschmerzen grünes Licht für die Verlängerung des Hilfsprogrammes gegeben. Mir ist das auch aufgrund des unprofessionellen und teilweise beleidigenden Auftretens der neuen griechischen Regierung nicht leicht gefallen. Wir haben Griechenland zunächst nur die Chance gegeben, das EFSF-Hilfsprogramm ordentlich abzuschließen. Durch den Beschluss wird kein „frisches Geld“ zur Verfügung gestellt. Wir erweitern einfach den zeitlichen Handlungsspielraum für die Gläubigerländer und Griechenland. Nur wenn Griechenland jetzt konkrete Reformmaßnahmen auf den Weg bringt, kann die letzte Tranche in Höhe von 1,8 Mrd. Euro aus dem Rettungsschirm ausgezahlt werden. Dieses Reformprogramm wurde bereits beschlossen.
Bei der jetzt getroffenen Entscheidung über die Programmverlängerung ging es auch um Verlässlichkeit und Vertrauen. Unsere Botschaft ist: Wir haben ein gültiges Programm mit Griechenland. Wir halten Wort und zahlen aus, wenn die vereinbarte Gegenleistung erbracht wird. Diese Verlässlichkeit erwarten wir aber auch von unseren Partnern.
Folgende Zusagen muss Griechenland jetzt einhalten:
• Griechenland sagt zu, weiter mit der Troika zusammenzuarbeiten.
• Die finanziellen Verpflichtungen gegenüber allen Gläubigern müssen erfüllt werden. Es gibt also keinen Schuldenschnitt.
• Griechenland hat sich zu einem breiteren und tieferen Reformprozess bekannt. Die Regierung verzichtet auf eine Zurücknahme bisheriger Maßnahmen bzw. einer einseitigen Änderung von Maßnahmen, die die Haushaltsziele gefährden oder der weiteren Stabilisierung des Landes widersprechen.
• Griechenland verpflichtet sich, die zur Gewährleistung der Schuldentragfähigkeit erforderlichen Primärüberschüsse sicherzustellen.
Dieses ist auch im Interesse Griechenlands. Ursachen der derzeitigen Situation Griechenlands liegen im Land selbst. Griechenland hat viele Jahre über seine Verhältnisse gelebt und es gleichzeitig nicht geschafft, sein Staatswesen effizient zu organisieren. Es ist nicht in Ordnung, dafür die Troika oder gar Deutschland verantwortlich zu machen.
Die von Ihnen angesprochene Fraktionsdisziplin spielt hier keine Rolle. Bei 541 Ja-Stimmen, 32 Nein-Stimmen und 13 Enthaltungen gab es eine breite Mehrheit in aller im Bundestag vertretenen Parteien für diesen Schritt. Das rund 20 dieser Stimmen von geschätzten Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion kommen zeigt, die Abgeordneten sind frei in Ihren Entscheidungen.
Viele, wie auch ich, sind gewillt, den demokratischen Willen der griechischen Bevölkerung zu respektieren und der Regierung eine Chance zu geben. Zudem verhindern wir einen ungeordneten Abschluss des Hilfsprogrammes, der einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone zur Folge hätte. Zudem unterstütze ich Reformversprechen der neuen Regierung, zum ersten Mal seit Beginn der Krise auch die eigenen Eliten finanziell an der Rettung des Landes zu beteiligen.
Wenn dieses funktioniert dann verhindern wir gemeinsam einen ungeordneten Abschluss des Hilfsprogrammes, der einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone zur Folge hätte.
Dass die schwierige Griechenlandrettung gelingen kann, zeigen auch die bisherigen Erfolge des Anpassungsprogramms:
• 2014 hat Griechenland den relativen Wettbewerbsnachteil gegenüber den europäischen Handelspartnern wieder aufgeholt, den das Land aufgrund des Anstiegs der Lohnstückkosten um über 20 Prozent zwischen 1995 und 2010 zu verzeichnen hatte.
• Die lange Rezession ist überwunden. Die Europäische Kommission rechnet im laufenden Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent und 2016 mit 3,6 Prozent.
• Griechenland konnte 2013 und voraussichtlich auch 2014 einen strukturellen Über-schuss im Staatshaushalt vorweisen.
Diese Entwicklung zeigt: der Weg könnte sich als richtig erweisen. Auch wenn noch sehr viel zu tun bleibt. Wenn Griechenland jetzt nicht konsequent weitere Reformen anschiebt, dann ist es aber fraglich, ob Griechenland die Schuldenlast tragen kann. Falsche Entscheidungen der griechischen Regierung können jetzt schnell die ersten Früchte der Reformpolitik wieder zunichtemachen. Der Ball liegt jetzt im Feld der griechischen Regierung.
Bisher hat Griechenland lediglich Zeit gewonnen. Jetzt muss geliefert werden. Denn sollten die bestehenden Regelungen für Griechenland im Sommer nicht mehr gelten, werden andere EU-Mitgliedstaaten auch bei der Frage der Einhaltung der Maastricht-Kriterien und den länderspezifischen Empfehlungen Sonderrechte einfordern: Was folgen würde, wäre ein Fass ohne Boden.
Mit freundlichen Grüßen
Marcus Weinberg, MdB